Das vierte Album von ATARI TEENAGE RIOT hätte vor über zehn Jahren erscheinen sollen, doch mit dem Tod von Alec Empires Mitverschwörer Carl Crack am 6. September 2001 verschwanden alle Pläne in der Schublade, ATR wurden auf Eis gelegt und sowohl Alec Empire wie Hanin Elias machten solo weiter.
ATR waren die Krawall- und Aufregerband der zweiten Hälfte der Neunziger, ihr überdrehter Mix aus trashigen Electro-Sounds und Hardcore-Elementen, ihr brutaler, stampfender Rhythmus, der hysterische, übersteuerte „Gesang“ (besser: Gebrüll) von Empire und Elias polarisierten, ebenso die politischen Text, mit denen sie immer wieder aneckten, etwa mit „Hetzjagd auf Nazis“, das seinerzeit für Diskussionen sorgte, heute aber (leider) nichts an seiner Aktualität eingebüßt hat und mit dem man immer noch jede NPD-Demos aus den größten verfügbaren Sound-Systems beschallen sollte.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Welt verändert, Empire beschritt solo neue Wege, zuletzt 2010 mit dem überraschend ruhigen „Shivers“, und Punk/Hardcore in der Kombination mit Techno wurde von so mancher Formation auf Audiolith für die Generation Alcopop in modernisierter Form aufgegriffen.
Hat also jemand auf „Is This Hyperreal?“ gewartet? Die alten Fans sicher, und die gibt es gerade auch international, ist ATR doch eines der erfolgreichsten musikalischen Exportprodukte jenseits des stumpfen Teutonenrocks von RAMMSTEIN.
„Is This Hyperreal?“ macht da weiter, wo die Band 1999 mit „60 Second Wipe Out“ aufhörte. ATR haben sich nicht neu erfunden, sie zitieren sich selbst. Hanin Elias ist nicht mehr als Shouterin dabei, aber Nic Endo hat ihren Part übernommen, und das Ergebnis ist einerseits die konsequente Fortführung der Bandgeschichte, jedoch insofern enttäuschend, als ATR ihre Einzigartigkeit und Radikalität, ihren „Novelty“-Status eingebüßt haben.
Das wiederum stört nur Menschen, die immer auf der Suche nach dem neuesten heißen Scheiß sind, alte Fans hingegen bekommen ihr geliebtes Aufputschmittel zurück. Über die Texte hätte ich gerne auch noch ein Wort verloren, aber in den Zeiten moderner Promotion-Methoden werden solche nicht mehr als relevanter Bestandteil eines Albums angesehen und entsprechend unterschlagen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #35 II 1999 und Lars Bartmann
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #35 II 1999 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #97 August/September 2011 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #118 Februar/März 2015 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #27 II 1997 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #37 IV 1999 und Christian Maiwald