APOCALYPSE NOW

Man muss wohl nicht mehr viele Worte zu APOCALYPSE NOW verlieren, eines der wenigen wahren Meisterwerke der Filmgeschichte. Wobei lange nicht klar war, ob es Francis Ford Coppola überhaupt gelingen würde, diesen Film fertig zu stellen, der auf den Philippinen gedreht wurde, wo ein Taifun die Filmsets zerstörte und die Dreharbeiten um Monate zurückwarf.

Insgesamt wurden aus sechs Wochen Drehzeit 16 Monate und Coppola brauchte dann noch mal drei Jahre, um das ganze Material zusammenzuschneiden. Darüber hinaus war irgendwann das Budget aufgebraucht, weshalb Coppola jede Menge eigenes Geld in den Film pumpen musste und in Folge mehrere Male mit Selbstmord drohte.

Offensichtlich war ein Großteil der Besetzung entweder alkoholisiert oder auf Droge, und schließlich hatte Hauptdarsteller Martin Sheen sogar einen Herzinfarkt, dessen Rolle zuerst Harvey Keitel spielte, aber dann durch Sheen ersetzt wurde.

Auch mit dem vermeintlichen Star des Films hatte Coppola nur Ärger, denn Marlon Brando war zu dieser Zeit schon völlig verfettet und kannte noch nicht mal den Roman von Joseph Conrad, auf dem APOCALYPSE NOW basiert.

All diese schönen Geschichten und noch viele mehr bekommt man in der großartigen Doku REISE INS HERZ DER FINSTERNIS von 1991 geliefert, die zeigt, wie APOCALYPSE NOW beinahe Coppolas Leben und Karriere zerstört hätte – nachdem er mit seinen beiden DER PATE-Filmen in Hollywood eine große Nummer geworden war –, und die fast noch spannender als der Film selbst ist („The Horror...The Horror...“).

Aber vielleicht haben ja gerade diese widrigen Umstände APOCALYPSE NOW zu dem Meisterwerk gemacht, für das es von sehr vielen Menschen gehalten wird und das jetzt mit der auf Blu-ray und normaler DVD erschienenen „Full Disclosure Edition“ in nahezu ultimativer Form erhältlich ist.

Fehlt eigentlich nur die fünfstündige Workprint-Version, aber das wäre dann doch etwas zu viel des Guten. Denn mit zweinhalb Stunden hat APOCALYPSE NOW bereits eine recht stattliche Länge – bei der 2001 veröffentlichten Redux-Version kamen dann noch mal 50 Minuten hinzu.

Allerdings ist meine favorisierte Fassung nach wie vor die alte Kinoversion. Und so enthält die „Full Disclosure Edition“ glücklicherweise beide Fassungen (neben REISE INS HERZ DER FINSTERNIS), zumal man bei der deutschen Redux-Version damals den Frevel begann, den Film komplett neu zu synchronisieren.

Ansonsten handelt es sich bei APOCALYPSE NOW REDUX um einen Director’s Cut, den man nicht unbedingt gebraucht hätte. Zwar gibt es viele interessante neue Szenen, aber spätestens bei der überlangen Szene auf der französischen Plantage kommt Coppolas bis dahin mitreißende surreale wie albtraumhafte Aufarbeitung des Vietnamkrieges wie ein Auto mit Motorschaden zum stehen und läuft nur widerwillig wieder an, auch wenn das politische Geschichtsbewusstsein, dass der Regisseur an dieser Sequenz festmachen wollte, grundsätzlich gut gemeint war.

Material, das als „deleted scenes“ sicher besser aufgehoben gewesen wäre. Fast schon etwas albern wirkt auch, als Sheen und seine Leute dem surfbegeisterten Lieutenant Kilgore (Robert Duvall) sein Surfbrett klauen, der bekanntlich zuvor den denkwürdigen Satz von sich gibt: „I love the smell of napalm in the morning.“ Eigentlich ist die Kinofassung die perfekte Version des Films, denn nur reine Länge allein macht noch kein Meisterwerk, auch wenn Coppola das anders sehen mag.

Besonders hervorzuheben ist bei der „Full Disclosure Edition“ noch, dass APOCALYPSE NOW hier endlich mal in seinem Original-CinemaScope-Kinoformat zu sehen ist, was auf den bisherigen DVDs nicht der Fall war.

Ansonsten ist die „Full Disclosure Edition“ noch vollgepackt mit diversen Extras wie einem Audiokommentar von Coppola, Interviews mit Coppola, Sheen und Drehbuchautor John Milius, zusätzlichen Szenen und anderem Hintergrundmaterial über die Entstehung des Films.

Einer der nach wie vor beeindruckendsten Antikriegsfilme aller Zeiten, gegen den auch Oliver Stones PLATOON oder Stanley Kubricks FULL METAL JACKET verblassen, dem man hier ein traumhaftes Update bescherte, das wirklich jeden Euro wert ist.