Mit I START COUNTING, FORTRAN 5 und KOMPUTER stellt Mute drei prägende Electro-Acts – genau genommen sind alle drei Formationen Projekte von David Baker und Simon Leonard (die bereits seit 1982 zusammen aktiv sind) aus London mit jeweils unterschiedlichen weiteren Projektbeteiligten – der Neunziger Jahre in einer Werkschau vor, die auf sehr unterschiedliche Art und Weise ihre musikalischen Inspirationen aus KRAFTWERK, den frühen DEPECHE MODE oder auch COIL zogen und später zu einer Art Blueprint für die Generation „Laptop crafted Electronic“ werden sollten.
Während bei KOMPUTER die Strenge und strukturierte Klarheit von KRAFTWERK dominiert, so könnte „Looking down on London“ auch ein Klassiker der elektronischen Pioniere aus Düsseldorf gewesen sein, gehen die beiden bei FORTRAN 5, benannt nach eben jener Programmiersprache, in Richtung bassbetontem Electro Sound, der auch stark Eingang bei ihren Labelmates RENEGADE SOUNDWAVE („Biting my nails“) fand.
Aber das Duo geht noch weiter und lässt mit einem ihrer besten Songs „Persian blues“ – bei dem Neil Arthur von BLANCMANGE sehr großartig als Sänger gastiert – jeden Dancefloor zum Beben bringen, indem sie gekonnt Ethno Dub-Einflüsse mit Bass-Beats verweben, wie das bisher so gekonnt nur der stets überproduktive und leider verstorbene MUSLIMGAUZE aka Bryn Jones aus Manchester geschafft hatte.
Sein zehnminütiges Opus „Mullah said“ ist eine Art geistige Entsprechung von „Persian blues“: ein treibender und tanzbarer Trip durch ein von Shishas mit Nebel verhangenem Café in Marrakesch in die dunklen Dance-Clubs des Londons der frühen Neunziger Jahre.
Später arbeiteten FORTRAN 5 sinnigerweise unter anderem mit den INSPIRAL CARPETS und LAIBACH zusammen. Diese Compilation zeigt deutlich, was für ein großartiges Gespür Daniel Miller bei der Wahl elektronischer Acts hatte, jenseits seines Label-Flagships DEPECHE MODE.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #98 Oktober/November 2011 und Markus Kolodziej