Das reguläre Release für alle, denen die wunderschöne Holzboxvariante mit 7“, Tape und Download-Code zu sperrig ist. Dabei passt die Sperrigkeit der Box zum brutalen Post-Neo-Grunge-Noise, der mit tiefergelegten Psychedelic-Momenten ebenso gekonnt umgeht wie mit dem brutalsten Instrument, das je erfunden wurde (die richtige Antwort lautet übrigens zweifelsfrei „Saxophon“).
Platten, die man sich in der extravaganten Form bereits anderweitig bestellt hat, als Reviewexemplar nochmal in einer „normalen“ Ausführung zu bekommen, ist in der Regel ein gutes Zeichen, wenigstens musikalisch, außerdem freut sich das direkte Umfeld, denn solche Doubletten verschenke ich in aller Regel zielgerichtet dorthin weiter, wo sie in guten Ohren sind.
MELT DOWNER bleiben dabei: Es ist nichts für nebenher, vielmehr das bewusste Öffnen der Büchse der Pandora, um mit voller Wucht diese dunkle Schönheit um die Ohren geblasen zu bekommen. Nur wer genauer hinhört, erkennt die tief drinnen versteckten Melodien, versteht es, aus dem Lärm das herauszuschälen, was an schmeichelhafter Schönheit unter tonnenschwerer Last dem flüchtigen Blick für immer verborgen liegt.
Wer dachte, dass aus Grunge nichts mehr herauszuholen wäre, versteht auch nicht, wie bekannte Gerichte durch die richtigen Zutaten und Gewürze ganz neue Geschmacksnoten erhalten, und damit letztendlich nichts von Musik und schon gar nichts vom Kochen.
Das zweite Monster ist allerdings nicht ganz so bösartig wie das erste, auch weil sich die drei jungen Herren das eine oder andere etwas gelassenere Stück mit ohne Gesang, stattdessen mit Soundcollagen gönnen.
Da ist der Reifegrad bei anderen Bands wesentlich höher und bricht nicht mit dem eigentlichen Weg, der ihnen weit besser steht. Letztendlich ist das allerdings Jammen auf hohem Niveau, denn die Scharen der Bands, die wer weiß was für nur die Hälfte der besten Stücke dieser Platte geben würden, sind Legion.
Oder anders ausgedrückt: Es war schwer, den Überraschungseffekt und die Brillanz des Erstgeborenen innerhalb so kurzer Zeit noch mal zu erreichen, ohne sich komplett zu wiederholen. Noch etwas, das einmal mehr die Ungerechtigkeit dieser Welt anprangert: Der Standortnachteil spielt eine wesentliche Rolle bei der Aufmerksamkeit, die MELT DOWNER zuteil wird, denn würden die drei Jungs nicht aus Österreich stammen, sondern wären an der US-Westküste beheimatet, dann wäre hier durchaus das nächste große Ding drin.
Berlin, Schuttuttgart oder Leipzig könnte schon mal ein kleiner Schritt sein. Referenzen? Nach wie vor straighte DRUNKS WITH GUNS, BRAINBOMBS, JESUS LIZARD, UNSANE, FLIPPER, NIRVANA (ab „In Utero“) und die MELVINS, dafür etwas weniger von den Typen, die beim Spielen ständig penetrant auf ihre eigenen Füße starren.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #141 Dezember/Januar 2018 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #133 August/September 2017 und Kalle Stille