„I don’t mean to try figure you out“, heißt es im eröffnenden Titeltrack der Berlin-based Südafrikanerin und ihrer umwerfenden Band THE LOST BOYS. Der unentwegte Augenkontakt mit dem Publikum und die fast stechenden Blicke während der Konzerte strafen diese Worte Lügen. Und Lucy Kruger weiß es ja, fühlt sich ertappt und schickt die Zeile „Except when I do“ pflichtbewusst hinterher. Musikalisch ist auf „A Human Home“ weiterhin alles möglich: Art-Pop, Slowcore, Indierock, Shoegaze und leiser Grunge, dazu neuerdings viele Geigen. Das Resultat wirkt dennoch reduzierter und stiller als der Vorgänger „Heaving“, evoziert einen LoFi-Schlafzimmersound und folgt eher der Tradition der „Tapes“-Trilogie. Die Texte sind ernsthaft literarisch und dabei ähnlich wie P.J. Harvey stimmlich ergreifend und kraftvoll akzentuiert vorgetragen. Wenn die Gitarren in verzerrte, melancholisch grundierte Sphären eintauchen und die Lyrics nebulös verschwimmen, dann ist „A Human Home“ mental und konzeptionell in der Nähe von Chelsea Wolfe. Das selbstverständliche Schwelgen in der Düsternis, die fatalistische und dennoch selbstbewusste Selbstbefragung sind beiden Künstlerinnen eigen. Es wird spannend, den Weg von Lucy Kruger zu verfolgen, da man ahnt, dass sie noch nicht an ihrem künstlerischen Limit ist.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #175 August/September 2024 und Henrik Beeke