In der jüngeren Vergangenheit ist es zu einer meiner liebsten Beschäftigungen geworden, Zeitgenossen, die im großen und ganzen denselben musikalischen Vorlieben wie meine Person frönen, mit umfangreichen Vorträgen über die Großartigkeit der letzten HOT POCKETS LP zu belästigen.
Ich halte diese Art von Zeitvertreib für gleichermaßen frucht- wie dankbar, da ich in der Gewissheit dozieren kann, keinerlei ernsthafte Gegenwehr erwarten zu müssen. Die Fakten liegen schließlich auf dem Plattenteller.
Nun ist es aber so, dass sich bei dieser Art des Egostroking schnell eine Art Ermüdungseffekt einstellt und man mit der herkömmlichen Bestätigung des eigenen guten Geschmacks nicht mehr zufrieden ist.
Dementsprechend sucht man nach einer anderen Art von Bestätigung, einer besseren, unumstößlicheren, einer Bestätigung durch einen ausgewiesenen EXPERTEN!!! So begab es sich, dass ich mir unlängst in einer lauschigen Nacht Mr.
Record Riot persönlich, Dr. Schmauckenstein, zur Seite nahm, tief in mein Glas schaute und sagte: "Verehrter Dr. Schmauckstein, der jüngste Tonträger der HOT POCKETS...", aber noch bevor ich den Satz ausgesprochen hatte, wurde ich meinerseits aufgeklärt, dass Screaming Apple Records, seinerzeit eher als Nischenlabel für eine ausgewiesene Heerschar puristischer Beat-Afficionados gestartet, mittlerweile eine beeindruckende Stil-Diversität aufweise und ohne Zweifel als gegenwärtig bestes Label überhaupt bezeichnet werden könne.
Da konnte ich nicht widersprechen und wusste endlich, wie sich die Leute fühlen müssen, die von mir vollgequatscht werden. Eine Homebase, guys and geishas, die der gute Ritchie mittlerweile covert wie kein zweiter Labelmagnat, ist die des fernöstlichen booty whomp.
Japaner haben ja seit jeher einen gewissen "Nouveau"-Faktor, der insbesondere in fahradfahrergeschwängerten Studentenstädten sehr gut ankommt und inzwischen zunehmend minderwertige Kopien der Heroen von einst auf den Plan ruft.
Auffallenderweise landet die Auslese nicht erst seit neuestem bei Screaming Apple im Töpfchen, lange bevor die Konkurrenz "Kung Pao Panggang" sagen kann. So auch die TV IDOLS, auferstanden aus der Sake der PHANTOM RATS.
Wir erinnern uns: die PHANTOM RATS, einstmals ziemlich geradlinige Eleven der DEVIL DOGS'schen Schule, ebenfalls sehr gut, über eine komplette LP aber teilweise etwas eintönig. Und dass ist es, was die TV IDOLS von den Vorgängern in positiver Weise abhebt.
Auch wenn man oder gerade weil man die RICH KIDS und DEAD BOYS covert, wird hier nicht einfach nur ungestüm drauflos gerock'n'rollt. Was diese Band auszeichnet, ist das unvergleichliche Gespür, Dynamik mit Melodien zu paaren.
Jenes Gespür, das man auch schon von einer gewissen Band kannte, die gerne als Vorreiter aller Wattanabe-Sans herangezogen wird und wie es einem zudem auf der RAYDIOS-LP so angenehm aufgefallen ist.
Diese Herrschaften schöpfen aus einem reichen Fundus und haben offensichtlich ihre Power-Pop-Lektionen der Bostoner Schule gelernt. Zwölf Songs, one buzzin' dozen, mit meinem persönlichen Fave "Usual", dem besten Song seiner Art, den ich seit Jahren gehört habe.
Kaufen oder dumm sterben!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #44 September/Oktober/November 2001 und Norbert Johannknecht