Entscheidend, ob eine Band durch die Decke geht oder nicht, ist oft, dass sie die richtige Musik zur richtigen Zeit macht. Bei ZERRE hat man den Eindruck, dass genau das passiert. Denn das Quartett aus Würzburg liefert mit seinem Album „Scorched Souls“ klassischen Oldschool-Thrash ab. Ein Sound, der nach vielen Jahren aus der Versenkung aufgetaucht ist. Die Wiedergeburt des Bay Area-Sounds, der von Bands wie den frühen METALLICA, SLAYER oder EXODUS geprägt wurde. Gitarrist Dominik, Gitarrist Julian und Bassist Tim erklären uns, warum ZERRE gerade so eine vielversprechende Entwicklung nehmen.
Vor dem neuen Album habt ihr schon zwei andere Platten herausgebracht mit einem völlig anderen Sound, eher Blackened Hardcore. Warum der Wechsel?
Dominik: ZERRE war bis jetzt immer ein Kompromiss. Ich bin mit Thrash Metal groß geworden, schon mit vier Jahren habe ich „Ride The Lightning“ von METALLICA in Dauerschleife gehört. Aber in der Punk- und Hardcore-Szene war dieser Sound vor zehn Jahren nicht besonders angesagt. Erst durch Bands wie POWER TRIP ist Thrash Metal auch in Punk-Kreisen wieder aufgeblüht. Für mich war es die Möglichkeit, dass ich endlich die Musik machen kann, auf die ich seit Jahren total Bock habe. Deshalb habe ich die neuen Songs in einem halben Jahr einfach mal herausgekotzt. Da wusste ich aber noch gar nicht, ob sie jemals veröffentlicht werden. Und wenn ja, mit wem. Unser jetziger Sänger Nico fand sie aber total geil und hat gesagt: Lass uns das machen. Tim hatte auch Bock und so ist die neue Besetzung von ZERRE entstanden.
Zu diesem Zeitpunkt waren die alten ZERRE quasi tot und du hast einen Neuanfang gestartet. Wie lief das?
Dominik: Wir hatten vor sieben Jahren die Release-Show zu unserem zweiten Album „Different Lines“ gespielt und kurz darauf hat unser damaliger Sänger Danijel gesagt, er hat keinen Bock mehr. Also wir standen mit 300 Platten da. Damit hatte sich das Thema ZERRE erst mal erledigt. Das war ein ziemlicher Dämpfer für uns alle. Deshalb ist eine ganze Zeit lang nichts passiert, keiner hatte mehr Bock und die Band lag auf Eis. Die Platten liegen immer noch bei mir im Keller. Die kann man auch nur noch schwer an den Mann bringen, weil wir jetzt einen ganz anderen Sound machen. Ich dachte mir aber, der Bandname ist viel zu geil, und deshalb habe ich mir eine neue Band zusammengesucht, die für diesen Sound auch gut geeignet ist.
Offenbar funktioniert das neue Konzept bestens. Ihr habt schon einige größere Shows an Land gezogen. Dieses Jahr spielt ihr beim Desert Fest, beim Keep It Low, beim Stoned From The Underground oder dem Summer Breeze. Größere Shows als je zuvor. Wie erklärt ihr euch das?
Tim: Ein Kumpel von uns, Tommy Hellfighter, der Konzerte im Immerhin und Festivals in der Stadthalle in Lohr organisiert, hat sich in unseren Sound verliebt und alle möglichen Leute angeschrieben. Außerdem ist Thrash Metal gerade der heiße Scheiß. Und so ist es gekommen, dass viele Veranstalter sofort zugegriffen haben.
Julian: Es gibt auch nicht so wahnsinnig viele Bands in Deutschland, die aktuell diesen Sound machen. Deshalb treffen wir da irgendwie einen Nerv. Vielleicht sind auch deshalb unsere ersten Shows krass gut gelaufen, obwohl sie sehr klein waren. Davon gab es dann einige Insta-Stories und Videoclips, die die Runde gemacht haben. Das hat anscheinend ein paar Leute sehr beeindruckt. Gleich unser allererstes Konzert beim Umsonst & Draußen in Karlstadt kam brutal gut an. Wir haben alle schon in Bands gespielt und einiges an Bühnenerfahrung gesammelt. Deshalb lief das alles wie geschmiert.
Das neue Line-up kann man fast schon als Supergroup der fränkischen Underground-Szene bezeichnen. Woher kennt man die neuen Mitglieder von ZERRE?
Tim: Unser Sänger Nico ist gleichzeitig auch Bassist bei DER WEG EINER FREIHEIT und bei BAIT. Beides Black Metal-Bands aus Würzburg. Dominik spielt bei uns Gitarre und ist gleichzeitig auch Schlagzeuger bei VENDETTA, alte Speed Metal-Helden aus Hofheim. Unser zweiter Gitarrist Julian spielt noch bei RITVS, einer Retro-Rockband aus Aschaffenburg. Der Schlagzeuger Sebastian sitzt auch bei DRYAD hinter dem Drumset, einer Stoner-Band aus Würzburg. Und ich war von Anfang an bei ZERRE als Bassist dabei und habe vorher noch bei RAMBLES und RICK TICK EVIL gespielt.
Wie hat euer Publikum auf den Wandel reagiert? Kommen jetzt andere Leute zu euren Konzerten?
Dominik: Das Publikum hat sich schon spürbar verändert. Viel mehr Langhaarige als vorher, haha. Der Geschmack hat sich aber auch weiterentwickelt. Vor fünf Jahren haben immer nur die gleichen Stoner-Bands im Immerhin gespielt. Dann kam eine lange Hardcore-Phase und jetzt ist plötzlich Thrash Metal sehr präsent. Damit hat sich generell das Publikum verändert. Es sind vielleicht sogar die gleichen Leute, sie haben jetzt aber lange Haare. Viele haben mich gefragt, warum wir noch ZERRE heißen, weil unser Sound nichts mit der alten Band zu tun hat. Aber der Sound kommt überall gut an, weil er auch einfach gut ist.
Julian: Es kommt auch immer darauf an, mit welchen Bands man eine Show spielt. Vor kurzem haben wir ein Konzert mit MECHANIC TYRANTS und VENATOR in Nürnberg gespielt. Da waren natürlich nur Kuttenträger im Publikum. Ein paar Wochen später standen wir mit einer Hardcore-Band auf der Bühne, da sind völlig andere Leute gekommen. Trotzdem konnten wir die Zuschauer bislang immer abholen. Ich bin auch schon gespannt auf die Stoner-Festivals im Sommer, aber beim Desert Fest spielen jedes Jahr zwei oder drei härtere Bands. Spannend wird es, wenn wir irgendwann mal eigene Headliner-Shows spielen.
Wie sehen eure Pläne mit der neu formierten Band aus?
Dominik: Darüber denke ich nicht viel nach. Ich nehme jetzt einfach mit, was kommt. Wenn es so gut läuft wie jetzt, freue ich mich. Abgesehen davon hat jeder von uns noch andere Verpflichtungen. Dass wir zwölf Wochen auf Tour gehen, wird nicht so schnell passieren.
Julian: Wir haben alle in Bands gespielt, in denen wir jedes Jugendhaus mitgenommen haben. Einfach nur, damit wir spielen können. Fast ohne Gage, nur für ein paar Flaschen Bier. Deshalb legen wir jetzt Wert darauf, dass wir irgendwo vernünftig pennen können und ein bisschen Geld dafür bekommen, was wir da an Zeit investieren. Einfach schöne Konzerte mit vernünftigem Publikum spielen. Dieses Jahr könnten wir mit dem Album und den gebuchten Festival-Shows einen Grundstein dafür legen. Damit können wir uns im Herbst für ein paar coole Festivals im Jahr 2025 bewerben oder vielleicht sogar einen Booker an Land ziehen. Natürlich haben wir Ambitionen, möglichst große Shows zu spielen. Darauf haben wir alle Bock. Es ist vielleicht unrealistisch, lange auf Tour zu gehen, aber wir wollen auf jeden Fall noch ein Stückchen wachsen.
DIY steht bei euch hoch im Kurs. Ihr bringt auch die Platte selbst heraus.
Dominik: Das ist natürlich in erster Linie eine Kostenfrage. Außerdem habe ich ein eigenes Studio und es macht mir auch unheimlich Spaß am Mischpult. Deshalb haben wir alles selbst aufgenommen. Nur das Mastering haben wir an Nikita Kamprad von DER WEG EINER FREIHEIT abgegeben. Für Layout und Artwork konnten wir mit Daniel Ehrlich aka Dude Of Death einen alten Bekannten gewinnen. Aber sonst machen wir alles selbst. Was das Booking betrifft, haben wir das große Glück, dass gerade viele Anfragen hereinkommen. Darum müssen wir uns nicht so viel kümmern. Von der Platte haben wir 500 Stück pressen lassen. 200 sind türkis-transparent, 300 schwarz. Die verkaufen wir einfach bei unseren Shows.
Habt ihr mit Labels verhandelt?
Dominik: Klar, aber da hat irgendwie keiner angebissen. Zum Beispiel haben wir auch This Charming Man Records angeschrieben, aber der hat nicht einmal geantwortet. Dann gab es noch ein kleineres Label, das sogar interessiert war. Der konnte sich aber ewig nicht entscheiden, ob er die Platte rausbringen soll. Also haben wir gesagt: Scheiß drauf, wir machen es jetzt einfach selbst. Das hat auch den großen Vorteil, dass dadurch finanziell mehr bei uns hängenbleibt.
Worum geht es denn in den Songs auf „Scorched Souls“?
Tim: Der Opener „Mouth of madness“ ist ein klassischer Anti-Fascho-Song, der sich ganz klar gegen Nazis richtet. Damit beziehen wir gleich eindeutig Stellung, das gibt’s auch nicht so oft im Metal. „Inferno of ignorance“ ist ein Song gegen Kirche und Religion. Und „Scorched souls“ thematisiert das Hamsterrad des Alltags, in dem wir uns alle befinden.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #174 Juni/Juli 2024 und Wolfram Hanke
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