ZENO TORNADO & THE BONEY GOOGLE BROTHERS

Foto

Spielt dereinst Bluegrass auf meiner Beerdigung

Banjo, Kontrabass, Geige, Akustikgitarre, Mandoline und Lap-Steelguitar - Instrumente, die den klassischen Bluegrass-Sound ausmachen. ZENO TORNADO & THE BONEY GOOGLE BROTHERS sind vor einigen Jahren in mein Blickfeld geraten, nicht ausschließlich wegen der Musik, sondern natürlich auch wegen der Tatsache, dass sie auf Voodoo Rhythm, dem Schweizer Garant für gute Musik, ihre Platten veröffentlichen. Nach ihrem fulminanten Köln-Konzert im April 2006, welches nach wie vor zu den unterhaltsamsten Gigs gehörte, die ich je gesehen haben, war für mich klar: bei der nächsten Gastspielrunde der Schweizer gehört ein Interview zum Programm. Ganz aktuell war die Band jetzt in Südfrankreich im Studio bei Bob Drake, wo bereits die DEAD BROTHERS ihr letztes Album aufgenommen haben. Die neue Platte ist somit im Kasten und wird Ende des Jahres oder Anfang 2008 erneut bei Voodoo Rhythm erscheinen. Die BONEY GOOGLE BROTHERS sind neben Anführer Zeno (Gitarre, Gesang), der übrigens wirklich so heißt, Satch (Banjo, Mandoline, Pedal Steel), Manic (Geige, Gitarre, Gesang) und Mago Google (Standbass), der beim Interview leider nicht dabei sein konnte.


Es hält sich hartnäckig der Glaube, Bluegrass habe seine Wurzeln in den Vereinigten Staaten. Wenn man euch hört, merkt man aber, dass er eigentlich aus der Schweiz kommen muss. Wieso ist das der Menschheit bislang verborgen geblieben?


Manic: Vielleicht findet man in der amerikanischen Einwanderermusik Einflüsse aus jedem europäischen Land. Italienische und französische Einflüsse, oder irische. Es ist einfach eine Mischung, die von den Einwanderern mitgebracht wurde. Somit natürlich auch aus der Schweiz.

Zeno: Was den Ursprung angeht, wäre ich mir nicht so sicher, aber weitergeführt wird er mit Sicherheit am besten in der Schweiz, haha. Aber die aktuelle Volksmusik dort, die ist natürlich grausig.

Dickie: Das liegt aber vor allem daran, dass die Volksmusik, die es heute gibt, nichts mehr Schweizerisches oder Österreichisches hat. Die alten traditionellen Sachen waren viel melancholischer als das, was heute Volksmusik genannt wird.

Zeno: Wobei, es gibt noch Naturjodelsachen, die sind wirklich schön.

Dickie: Das Jodeln kommt definitiv aus den Alpen und findet sich ja ebenfalls in vielen alten Countrystücken.

Satch: Die Ursprungsmusik der Schweiz orientierte sich, ähnlich wie in Frankreich, an bretonischer Musik. Instrumente wie die Zither oder ein Dudelsack, der aus Ziegen gemacht wurde. Dort, wo die Beine waren, kamen die Flöten hin. An der Stelle ist es nicht weit zu Irish Folk und von dort wieder zu Bluegrass.


Wo liegen eure musikalischen Wurzeln?

Satch: Meine erste Platte war MEGADETH. Ich hatte extrem lange Haare und habe fast nur Metal gehört.

Zeno: Ich habe Punkrock gespielt. Die Schwierigkeit, wenn du in einer Rockband spielst, ist aber die, dass du selbst immer älter wirst, während das Publikum gleich alt bleibt. Bluegrass ist hingegen generationsübergreifend. Kinder haben unglaubliche Freude an dieser Musik, aber auch ältere Menschen. Wir haben einmal für den Voodoo Rhythm-Film ein Interview morgens um 10 Uhr gehabt. Vor Interviews trinken wir immer zwei Bier, haben das also dabei auch gemacht, was zur Folge hatte, dass wir anschließend natürlich weiter getrunken haben, in Bern in einem Park. Irgendwann waren wir angetrunken und haben beschlossen, dort Straßenmusik zu machen. Dort war ein älteres Paar um die siebzig, das davon sehr begeistert war - und das, obwohl ich ihn eher als ziemlichen Spießer eingeschätzt hätte. Der konnte zum Glück kein Englisch. Später kam ein Schwarzer vorbei, HipHop-Style, der uns erst merkwürdig anschaute, aber die Texte verstehen konnte. Der wäre fast gestorben vor lachen, haha. Das war ein schönes Bild. Dieser Siebzigjährige und dieser Schwarze, beide fanden Gefallen an dem, was wir dort machten, aber eben vollkommen unterschiedlicher Natur.


Wie seid ihr eigentlich auf Voodoo Rhythm gelandet?

Zeno: Bern ist überschaubar, da kennt man natürlich die ganzen Leute, die seit Jahren Musik machen. Einer der Schlagzeuger der MONSTERS spielte früher mit mir in unserer ersten Band.

Manic: Es war dennoch sehr spannend, weil Beat-Man aufgrund unserer ersten Anfrage sagte, wir sollen einen Bassisten und einen Schlagzeuger mitbringen. Das war für uns ein wichtiger Schritt. Bis dahin hatten wir nur zu dritt reinen Bluegrass gespielt. Banjo, Fiddle, Mandoline, Gitarre und Gesang, alles noch sehr spartanisch. Mago kam zu der Zeit immer zu unseren Konzerten und wollte unbedingt mit uns spielen. Er kam auch vom Punk, ist aber sehr vielseitig. Eines unserer Konzerte hatte er aufgenommen und zu Hause die ganzen Stücke geübt, kam dann zu uns und sagte: "Ich bin bereit, ich bin Google drei." Haha. Das war noch vor der ersten Platte, da hatten wir anderen bereits drei Jahre zusammen gespielt. Wir haben danach ein Demo zusammen aufgenommen ...

Satch: Das haben wir dann Beat-Man gegeben und dann ging es los. Wir waren nur zwei Tage im Studio und haben direkt 19 Songs aufgenommen. Danach noch mal zwei Tage abgemischt und fertig.

Zeno: Beat-Man war damals in einer experimentellen Phase. Zuvor hatte er fast nur Rockabilly rausgebracht, Sachen, von denen er wusste, dass sie laufen. Mit den DEAD BROTHERS hatte er sich erstmals auf ein Experiment eingelassen, was glücklicherweise funktioniert hat. Die Leute, die vorher die reinen Rockabilly-Sachen gekauft hatten, haben auch diese Platte angenommen, weil denen gefällt, was Voodoo Rhythm macht. So sind wir dort auch untergekommen. Vorher hatte er schon überlegt, ob unser Stil dort reinpasst.


Euer Live-Repertoire hat bei der letzten Tour beide Platten umfasst, gegen Ende musstet ihr sogar Songs zweimal spielen, weil man euch nicht gehen lassen wollte. Es ist ungewöhnlich, dass eine Band alle Stücke drauf hat und auch spielt.

Zeno: Mittlerweile umfasst unser Repertoire um die 50 Stücke, wobei man dazu sagen muss, dass eine klassische Bluegrass-Nummer nur ungefähr zwei Minuten dauert. Wir spielen aktuell auch schon Stücke unserer kommenden dritten Platte, was wir bei "Lover Of Your Dreams" gar nicht gemacht haben.

Satch: Es ist gut, dass wir die neuen Stücke diesmal vorher spielen, weil sie so noch wachsen können. Vielleicht überlegt man sich noch das eine oder andere neue Arrangement, was die Stücke verändern kann. Du kommst dadurch ganz anders in die Musik rein. Es macht plötzlich Dong und du weißt, genauso muss es sein.

Zeno: Wenn wir nicht auf Tour sind, spielen wir in der Schweiz ungefähr zweimal im Monat live, dazu noch diverse Proben. Das formt natürlich. Das Publikum dabei ist ganz unterschiedlich: Wir spielen sowohl in Untergrundclubs, als auch in Reitställen, bei Cowboy- und Countryfesten und auf Hochzeiten.


Tatsächlich auf Hochzeiten?

Zeno: Na klar. Das gibt viel Geld. Wir haben auch schon mal auf einem Geburtstag gespielt, wo das Thema "Lucky Luke" war, alle liefen in Cowboykostümen rum. Bei solchen Veranstaltungen verlangen wir natürlich höhere Gagen und kriegen die auch.

Satch: Wir haben sogar schon auf einer Beerdigung gespielt.

Manic: Für uns ist es sehr wichtig, vor den unterschiedlichsten Leuten zu spielen, dadurch hat man die Möglichkeit, sich immer weiter zu entwickeln. Die Stücke, die wir spielen, sollen sich nicht immer wieder gleich anhören, sondern unterschiedlich. Damit meine ich nicht die Musik, sondern die Begleitung, mit der man die Songs strukturiert. Es geht darum, jedes Mal etwas anderes auszuprobieren. Ein kreativer Prozess läuft da ab, von dem wir nicht unbedingt wissen, wohin er uns führt, aber es ist wichtig, dies vor Publikum ausprobieren zu können.


Wie entstehen die Songs im Vorfeld?

Zeno: Ich komme zunächst mit den Akkorden und dem Text. Den anderen muss ich nicht sagen, was sie wie einsetzen, ob Satch Banjo oder Mandoline dazu spielt, entscheidet er. Eigentlich muss ich dazu sagen, dass die anderen die Musiker sind, nicht ich. Natürlich habe ich auch Qualitäten, aber technisch gesehen sind die mir weit überlegen. Das Gerüst kommt von mir, danach kann aber vieles passieren. Manic und Satch üben mindestens einmal die Woche zusammen und entwickeln dabei ihre Parts, bei denen sie ihren jeweiligen Instrumenten Raum lassen.

Satch: Ich nehme die Songs mit nach Hause und probiere, wie die einzelnen Instrumente dazu passen. Wenn mich der Einsatz des Banjos dabei an einen unserer anderen Songs erinnert, nehme ich stattdessen lieber die Mandoline. So entwickelt sich das.

Zeno: Was sich auch noch verändert hat, ist, dass viele Songs nun nicht mehr als reine Bluegrass-Nummern geschrieben sind. Zwar werden sie als solche gespielt, aber das Grundgerüst hält sich nicht mehr daran fest. Auch muss ich bei den Texten darauf achten, mich nicht zu wiederholen, da ich über Themen schreibe, die sich ähnlich sind. Zwei Texte, die sich um das gleiche Thema drehen, müssen aber trotzdem zwei unterschiedliche Songs ergeben.


In den USA würden deine Texte mit Elternwarnhinweisen versehen werden. Sind Drogen, sexuelle Ungewöhnlichkeiten und Alkohol in deinen Augen klassische Bluegrass-Themen?

Zeno: Ich denke schon, dass man auch früher über solche Themen gesungen hat, nur konnte man es nicht so konkret ausdrücken, sondern musste es zwischen den Zeilen verstecken. Ich bin aber tatsächlich kein Freund von Liebesliedern.


Hast du keine Bedenken, wegen einiger Texte von Political Correctness-Spinnern in die sexistische Ecke gedrängt zu werden?

Zeno: Ich weiß natürlich nicht, wie es ist, wenn jemand nur unsere Platten hört, aber ich denke, wenn die Leute zu unseren Konzerten kommen und sehen, wie wir sind, merken sie, dass wir keine sexistischen oder faschistischen Holzköpfe sind. Viele Frauen finden Songs wie "Don't you fall in love with me" gerade gut, weil es das Gegenteil des sonst Üblichen ist. Interessant wird es aber für uns, in England zu spielen. Wir knüpfen da aktuell Kontakte. Es ist natürlich was ganz anderes, wenn du vor einem Publikum spielst, wo dich alle verstehen können. In unserem musikalischen Umfeld ist Trash ja ein wesentlicher Aspekt der Musik. Bei uns spiegelt sich dieser aber eigentlich nur in den Texten wider, die Musik ist keineswegs trashig. Eine Gratwanderung, die sehr interessant ist.