YVONNE DUCKSWORTH (EX-JINGO DE LUNCH, TREEDEON)

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Wie verträgt sich deine Arbeit im Kreuzberger „Franken“ und bei The Liquor Company mit einem Straight-Edge-Lebensstil?

Straight edge bin ich schon seit Jahren, das Umdenken setzte bei mir so grob mit 17 Jahren ein. Damals begann ich, meine Einstellung nach und nach zu „semi-straight“ zu ändern. Ich hatte dabei die Wahl zwischen dem Leben und einem Teufelskreis aus Selbstzerstörung, in dem ich mich zu dieser Zeit befand. Das Unverständnis meiner Freunde gegenüber meinem Geisteswandel frustrierte mich da nur noch mehr. Straight Edge als Lebenseinstellung gab mir enorm viel Halt, und ich hatte endlich eine Alternative, anstatt den Schmerz nur durch Exzesse zu betäuben. Ich kam mir selber nicht mehr ganz so verrückt vor, konnte endlich mal den ganzen Müll in meinem Kopf sortieren und wieder klare Gedanken fassen. Dadurch öffnete sich, ähnlich wie durch das Skateboarden, endlich ein Ventil für all die angestauten Gefühle – in erster Linie für all den Schmerz, die Wut und die ganze Frustration.

Auf der anderen Seite denke ich, dass eine ganze Menge Leute damals in der sogenannten „Szene“ der Achtziger/Neunziger absolut nicht verstanden hatten, was genau Straight Edge überhaupt bedeutet. Klar frustrierten mich Menschen in meinem direkten Umfeld, die sich kontinuierlich mit Alkohol und anderen Drogen zugrunde richteten. Aber im Endeffekt tat ich das ja alles für mich! Straight Edge bedeutet für mich, weder jemandem seine Zigarette im Gesicht auszudrücken, noch sein Bier wegzukippen. Vielmehr besteht diese Lebenseinstellung aus Respekt und Mäßigung. Respekt sollten wir gegenüber unserem eigenen Körper, allen voran aber gegenüber unseren Mitmenschen haben. Mäßigung beziehe ich vor allem auf unseren Konsum: Mach dich nicht von was auch immer abhängig, das fortan deinen Alltag bestimmt und als Ausrede für dein beschissenes Verhalten herhalten muss. Wie ironisch, dass manche Kids sogar soweit gingen, anderen ihre Einstellung aufzuzwingen. Wir Menschen sind doch alle so unterschiedlich, das sollten wir auch respektieren. Daher braucht auch keine Szene militante Ideen!

In diesem Sinne möchte ich der Straight-Edge-Bewegung danken, denn ohne sie hätte ich wohl mein Selbstwertgefühl nicht wiedergefunden. Ich kann jedem nur empfehlen, selber einmal diese Erfahrung zu machen, das ist wie Fasten für die Seele. Ich möchte hier auch nicht den Moralapostel spielen, oder mich als perfekt bezeichnen, als Mensch habe ich wie jeder andere auch meine schwachen Momente. Ich versuche einfach, gemäßigt durchs Leben zu gehen. Und um konkret auf deine Frage zurückzukommen: Ich liebe Bier, und trinke auch gerne mal was. Aber das kann niemals als Ausrede gelten, um am nächsten Tag nicht wieder mit meiner Band im Proberaum zu stehen.