Im April ist das dritte YOUNG WIDOWS-Album bei Temporary Residence erschienen. Mit erfinderisch-verschrobener Gitarrenarbeit, einem kraftvoll hämmernden Bass-Schlagzeug-Konglomerat und dem monoton bellenden Gesang ist den Jungs aus Louisville, Kentucky mit „In And Out Of Youth And Lightness“ eine charakterstarke Anknüpfung an das 2008er Album „Old Wounds“ gelungen. Was es mit der Reduzierung der Krachigkeit vergangener Tage zugunsten einer nachdenklicheren und tiefgründigeren Grundstimmung, sowie der Vorliebe für ausgefallenes Equipment und dem abermaligen Austausch des Aufnahmeleiters auf sich hat, erzählt Gitarrist und Sänger Evan Patterson.
Da „In And Out Of Youth And Lightness“ nun veröffentlicht ist: seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis?
Ich bin überaus zufrieden und freue mich auf das, was nun auf uns zukommt! Dieses Album hat für mich als Songwriter mehr Türen geöffnet als jedes andere, an dem ich vorher beteiligt gewesen bin. Eine ganze Welt aus düsterer Rock-Musik hat sich mir da aufgetan. Textlich verarbeitet das Album meine Scheidung, und da ich diesen Teil meines Lebens auch dadurch hinter mir lassen konnte, bin ich nun wieder bereit, weiter zu wachsen. Als Konsequenz haben sich auch einige Beziehungen zu Familie und Freunden drastisch verändert.
Und inwiefern haben sich YOUNG WIDOWS mit dem Album musikalisch verändert?
Die Gesamtwirkung der Songs ist viel düsterer; sie besitzen viel deutlicher eine generelle Grundstimmung. Zudem habe ich die Idee aufgegeben, mit der Musik irgendeine Art von Karriere anzupeilen. Das hat Freiraum geschaffen für das Verlangen, solche Songs zu schreiben, die ich im Alltag gern hören würde. Einige der Stücke sind deutlich länger als frühere Songs – wir mussten sie einfach bis an die äußerste Grenze treiben. Wir haben auch mit der mehrmaligen Verwendung einzelner Gitarren- oder Bassparts herumexperimentiert, mit der Absicht, das Album dadurch zusammenhängender werden zu lassen. Es wurden viele Sachen ausprobiert, die ich vorher beim Songwriting noch nie versucht hatte.
Was ist der allgemeine Ansatz oder das Ziel von YOUNG WIDOWS beim Schreiben eines oder einer Reihe von neuen Songs für ein Album?
Wir setzen uns immer irgendwelche Ziele und dann jammen wir drauflos oder spielen mit einem bestimmten Part, bis es Klick macht. Ich will aber keine Songs schreiben, die komplett unterschiedlich sind, denn wir versuchen, mit unseren Songs so was wie eine Art Taumel oder Benommenheit zu erzeugen. Es geht darum, sich sich im Groove zu verlieren!
Was beeinflusst die Songtexte, wovon handeln sie?
Die Texte drehen sich in erster Linie um die Anstrengungen und das Ringen um die Liebe. Ich bin ein Romantiker.
Du sprichst ziemlich direkt von den unangenehmen Gefühlen, die eine verblassende Liebe oder Scheidung begleiten, und deren Einfluss auf die Grundstimmung eures neuen Albums. Denkst du, Künstler schaffen in mental schwierigen Zeiten ihr bestes Material?
Ja, aber wohl am eher aus dem Grund, weil sie dann weniger steuern, was sie schaffen, sondern ihre Kunst wesentlich leidenschaftlicher aus ihnen herausbricht.
Du hast eingangs von einer „ganzen Welt aus düsterer Rock Musik“ gesprochen. Welche musikalischen Einflüsse haben das Album klanglich geprägt?
Sachen wie Leonard Cohen, CAPTAIN BEEFHEART und PINK FLOYD, sowie eher moderner Experimental-Rock von NICK CAVE AND THE BAD SEEDS, GRINDERMAN, SWANS und Bill Callahan. Sogar die BEACH BOYS haben mir einige Türen geöffnet mit ihren Liebesliedern, die in der Regel so bitter wie böse sind. THE PRETTY THINGS und THE TROGGS sind Bands, die ich für mich entdeckt habe, außerdem höre ich derzeit oft „Rocka Rolla“ von JUDAS PRIEST, sowie alles, was von John Lee Hooker zu bekommen ist.
Euer erstes Album „Settle Down City“ hat LORDS-Frontman Chris Owens aufgenommen. Das zweite, „Old Wounds“, wurde eher experimentell in wechselnder Umgebung von Kurt Ballou produziert. Beide haben jeweils gute Arbeit geleistet. Beim aktuellen Album ist nun Kevin Ratterman für die Aufnahmen verantwortlich. Warum dieser häufige Wechsel, hat das etwas mit Unzufriedenheit zu tun?
Mit Unzufriedenheit und Frustration! Nicht dass ich Chris oder Kurt nicht mögen würde, aber ich wollte unsere neuen Songs irgendwie zu einer besseren Hörerfahrung werden lassen und deswegen nicht nur mit diesem Live-Ansatz à la Albini aufnehmen. Ich liebe zwar diesen Sound, aber mit der Band entwickeln sich eben auch unsere Vorstellungen bezüglich der Studioarbeit weiter. Kevin ist ein alter Freund von uns und die Arbeit mit ihm war bisher eine sehr angenehm. Er wird wahrscheinlich von jetzt an unser fester Tonmann bleiben. Wir bewegen uns einfach auf derselben geistigen Ebene, und er ist nicht aufdringlich oder arrogant mit seinen Ideen und Vorschlägen.
Ihr habt insgesamt 17 Songs eingespielt. Neun davon sind auf dem Album gelandet, ein weiterer ist die B-Seite der Single „Future Heart“ – was passiert mit den übrigen Stücken?
Sie zu veröffentlichen ist im Moment nicht geplant,. Die Songs haben es nicht umsonst nicht auf das Album geschafft. Irgendwann, irgendwo werden sie aber vielleicht doch noch Verwendung finden.
Ihr benutzt Musikequipment von einigen recht ausgefallenen Herstellern. Kann das als unbedingtes Streben nach einem individuellen, unverwechselbaren Sound aufgefasst werden?
Unser Equipment ist uns wichtig, für die Band stehen aber die Songs im Mittelpunkt und sonst nichts. Ich mochte schon immer Custom-Verstärker und eigenwillige Live-Setups. Das ist etwas, worauf sich Nerds freuen können! Meine Gitarre hat etwas an sich, das ich noch an keiner anderen Gitarre finden konnte, und auch Nicks Bass ist ziemlich unverwechselbar. Das sind schon Schlüsselelemente in der Dynamik unseres Songwriting-Prozesses.
Reicht euch Dreien YOUNG WIDOWS als kreatives Ventil aus oder gibt es Neben- oder Soloprojekte?
Nick spielt noch Bass bei BLACK GOD und ich habe gerade ein neues Projekt gestartet, mit Glen Wood, einem guten Freund und dem Lieblings-Countrysänger der Stadt.
Abschließende Frage: Welchen Wert hat Musik in deinem Leben? Und wie hat sich das über die Jahre verändert?
Jedwede Kunst ist Dokument eines bestimmten Zeitabschnitts und hat das Potenzial, für alle Ewigkeiten bestehen zu bleiben. Mein Interesse an Musik wächst nach wie vor. Da hat sich nichts verändert.
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