USELESS ID aus Haifa, Israel, sind seit dreißig Jahren aktiv, wurden aber nur einmal (1999!) in einem Interview im Ox vorgestellt. Über das D-COMPOSERS-Projekt um Fat Mike und Yotam Ben Horin haben wir 2021 berichtet. Höchste Zeit also, mit USELESS ID-Sänger Yotam Ben Horin zu sprechen, den ich im Frühjahr auf seiner Solo-Tour in Münster getroffen habe.
Yotam, du bist gerade solo auf Tour – wo hast du den Rest von USELESS ID gelassen?
Guy lebt dauerhaft in Costa Rica, Ishay und Corey leben in Israel. Ich bin im Moment eigentlich nur auf Reisen, also wohne ich im Moment nirgendwo wirklich. Als ich geheiratet habe, lief gerade mein US-Arbeitsvisum aus. Also dachte ich, es wäre eine gute Idee, eine Green Card zu beantragen. Hätte ich gewusst, was damit alles verbunden ist, vor allem die Wartezeit, hätte ich es wahrscheinlich gelassen. Jetzt pendle ich zwischen den USA und Italien, wo meine Frau herkommt. Ich gehe immer noch regelmäßig auf Tour, also klappt es im Moment ganz gut.
Das Leben eines Troubadours!
Ja, ich nenne das den „True Traveller“. Seit 2015 gehe ich auf Solo-Touren. Ich bin mit Joey Cape von LAGWAGON und mit den LEMONHEADS durch Europa gereist und habe auch Shows mit Joe McMahon gespielt. Mit der Band ist es schwer, alle zusammen zu bekommen, um etwas zu machen. Es ist immer mit einer Menge Planung verbunden. Die Band ruht sich sozusagen im Moment aus, jeder hat sein eigenes Leben und seine eigenen musikalischen Projekte. Es ist nicht so, dass die anderen herumsitzen und auf die nächste Tour warten. Wir machen das jetzt schon seit dreißig Jahren, da ist es okay, ab und zu mal zu entspannen.
Was sind die aktuellen Pläne für deine Solo-Karriere?
Ich habe gerade die Aufnahmen für ein neues Album abgeschlossen, das jetzt abgemischt wird. Es wird wahrscheinlich später in diesem Jahr erscheinen. Ich habe auch Fortschritte bei meinem Buch gemacht, an dem ich seit sieben Jahren arbeite. Ich habe gerade heute einen Anruf von meinem Verleger erhalten, dass das Buch endlich bereit für die nächsten Schritte vor der Veröffentlichung ist.
Du bist ein vielbeschäftigter Mann. Deine Reisen haben dich kürzlich nach Japan geführt.
Ja, ich hatte eine Menge Spaß mit den BOMBPOPS! Am Anfang ging es darum, nur etwas auszuhelfen, da die Gitarristin sie verlassen hat. Die Band bekam ein Angebot für einige der letzten NOFX-Shows, dann kamen ein paar Shows mit den DESCENDENTS dazu, also klang alles erst einmal nach Spaß. Aber dann kam ein weiteres Angebot, und sie bekamen die Chance, zum ersten Mal in Japan zu spielen, weil ich den Kontakt mit unserem dortigen Tourbooker vermittelt hatte. Es ist nicht so, dass wir uns hingesetzt haben und sie mich als neues Mitglied in der Band willkommen geheißen haben. Ich reite immer noch auf der Welle mit und helfe einigen Freunden aus, die ich wirklich mag und für die ich ein Album produziert habe. Ich mag ihre Songs wirklich, also fühle ich mich nicht wie ein Söldner, der nur eine freie Stelle füllt.
Deine Arbeit hat dich auch im Winter in die Tschechische Republik geführt, wo du das neue KRANG-Album „Listens To Krang Once“ produziert hast. Ist das die zweite Zusammenarbeit mit KRANG?
Ja, das Album davor habe ich während der Pandemie produziert, also war ich nicht bei der Band und habe versucht, es über Zoom zu regeln und ihnen Sprachnachrichten zu schicken. Aber bei diesem Projekt gab es die Möglichkeit, mit ihnen im Studio zu sein. Das erwies sich als sehr gut, denn es gab ein paar Unklarheiten, die wir nur im Studio beseitigen konnten. Es fehlte ein Song, also schrieben wir einen direkt vor Ort. Der ganze Prozess war sehr kreativ.
Der Opener „Brand new leader“ unterscheidet sich meiner Meinung nach ziemlich von dem, was sie bisher veröffentlicht haben. Hören wir da deinen Einfluss heraus?
Ja, er ist langsamer, ein bisschen mehr im Stil von GREEN DAY. Henny, der Schlagzeuger, hat den Song eigentlich geschrieben, aber er hatte nur die Melodie und keinen Text. Das war ungefähr zu der Zeit, als im Nahen Osten eine Menge passiert ist. Ich habe das Gefühl, dass im Moment alle unter dem leiden, was ihre Führer tun, und jeder scheint sich für eine Seite entscheiden zu müssen, obwohl es so viele Seiten einer Geschichte gibt. Aber es läuft immer darauf hinaus, was die politischen Führer für ein Land entscheiden. Wir haben die Texte zusammen geschrieben, und vieles hat sich einfach so ergeben.
Der Zustand der Welt ist in der Tat besorgniserregend, insbesondere im Nahen Osten. Wie schwer wird es für dich sein, nach dem 7. Oktober „There’s never been a better time to fight the hate“ aus „How to dismantle an atom bomb“ zu singen?
Ich habe diesen Song seitdem nicht gesungen, da ich mich in meinen Solo-Sachen nicht mit Politik beschäftige. Es gibt genug Dinge in meinem persönlichen Leben, Beziehungskram, einfach das Leben im Allgemeinen, also ist es das, was in den Songs passiert. Um deine Frage zu beantworten – es ist schwer, ich habe das Gefühl, dass alles völlig außer Kontrolle gerät. Alle drehen überall durch und ich weiß nicht mehr, was ich tun oder sagen soll. Ich war einfach sehr schockiert über das, was am 7. Oktober passiert ist, genau wie viele andere Menschen auf der Welt auch.
Du wurdest an einigen Stellen im Internet ziemlich angegangen.
Ja, es gab Leute, die meine Haltung dazu falsch verstanden oder falsch interpretiert haben. Letztendlich bin ich für den Frieden, Mann. Ich will, dass die Menschen miteinander auskommen, ich will nicht, dass die Menschheit gespalten ist, deshalb habe ich überhaupt erst mit dem Punkrock angefangen. Es war ein Zuhause für alle, ein Zuhause für die Verrückten. Ich war auch einer dieser Außenseiter – ich zog mit 14 Jahren von den USA nach Israel und hatte nur wenige Freunde. Als ich anfing, in Bands zu spielen, hatten wir einen Schlagzeuger in der Szene, der Palästinenser war, und wir waren alle befreundet. Es ist mir scheißegal, woher jemand kommt, und ich habe in der Vergangenheit an vielen Benefizveranstaltungen für das Westjordanland teilgenommen. Aber wenn etwas so Brutales wie der 7. Oktober passieren kann, geht es nicht mehr darum. Es geht um die Menschheit, also wohin zum Teufel gehen wir? Ich muss alles berücksichtigen, was passiert, und kann nicht sagen, ich bin auf der einen Seite und scheiß auf die anderen, das kann ich nicht tun. Ich bin ein Mensch und ich weiß, dass jeder im Moment unter diesen unfassbaren Ereignissen leidet und es ist schwer, ein Ende zu sehen.
Auch die Punk-Szene an sich scheint im Moment gespalten zu sein. Man merkt, dass ein Riss durch die Szene geht und viele Leute Partei ergreifen. Ist das für dich als Musiker schwierig, weil du aus dieser Szene kommst?
Es ist schwierig für mich, und ich werde dir sagen, warum. Da ich aus Israel komme, werde ich sofort als die Opposition abgestempelt. Als jemand, der nicht auf der richtigen Seite steht, und niemand macht sich die Mühe, Fragen zu stellen. Einige Leute aus Punkbands und auch sehr bekannten Bands haben mir geschrieben und mich gefragt, wie es meiner Familie geht. Ich weiß das zu schätzen. Es ist, als hätte jeder seine vorgefertigte Meinung, und man kann mit niemandem reden, man kann mit niemandem seine Seite der Geschichte teilen. Jeder hat seine eigene Version der Geschichte, und davon, woran er glaubt. Ich entscheide mich nicht für eine Seite, ich entscheide mich für die Seite der Menschheit.
Hast du eine Ahnung, wie sich die Punk-Szene in Israel angesichts der Angriffe entwickelt?
Ehrlich gesagt, habe ich darauf keine Antwort. Da ich nicht mehr dort lebe und auch nicht zu den Konzerten gehe, kann ich dir nicht sagen, wie die Szene im Moment darauf reagiert. Soweit ich weiß, finden die Shows weiter statt und die Leute gehen hin, und das ist eine tolle Sache. Ich halte es für ein Muss, dass das Leben so normal wie möglich weitergeht, was die Punk-Shows angeht.
Du hast den Holocaust mit „B-273“ thematisiert, einem Song über deinen Großvater, der schwer anzuhören ist, vor allem wenn man aus Deutschland kommt.
Der Song war schwierig zu schreiben. Fat Mike kam auf die Idee, nachdem ich ihm die Geschichte meines Großvaters erzählt hatte. Er ermutigte mich, einen Song darüber zu schreiben, und ich hatte keine Ahnung, wie ich überhaupt anfangen sollte. Glücklicherweise hatte mein Cousin meinen Großvater auf Video interviewt, und das habe ich als Ausgangspunkt genommen. Um ehrlich zu sein, bin ich einfach nur froh, wieder auf Tour zu sein, denn es ist keine leichte Zeit, auf Tour zu sein. Die Welt ist ein verrückter Ort, aber da finde ich meinen inneren Frieden, wenn ich auf einer Bühne stehe und mit Menschen in Kontakt komme.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #176 Oktober/November 2024 und Thomas Engels
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #140 Oktober/November 2018 und Nico Bensing