2010 jährt sich zum 20. Mal die deutsche Wiedervereinigung. Davon inspiriert, sah ich mich mal in der Gegend der „neuen Bundesländer“ nach Vertretern der Ska-Szene um. Den Dialog für diese Ausgabe führte ich mit Posaunist Thomas von YELLOW UMBRELLA, Sänger Kay von YELLOW CAP und Bassist Franz von den TORNADOS.
Last but not least YELLOW CAP aus Görlitz. Sie sind die jüngste Truppe dieser Ska-Pack-Ausgabe, „erst“ seit 1998 aktiv und haben 2010 ihr viertes Studioalbum „Like It Or Not“ auf Pork Pie veröffentlicht. YELLOW CAP sind eine dieser Ska-Bands, die sehr gekonnt moderne Einflüsse in den altgedienten Offbeat packen, so dass ich bei ihrem aktuellen Release positiv an meine ersten Eindrücke alter BUSTERS, BUTLERS und NO SPORTS erinnert wurde. Wie waren die doch erfrischend zu ihrer Zeit. Umso schöner, dass YELLOW CAP in diese Kerbe schlagen. Mehr als die Hälfte der neun Musiker, die bei der Bandgründung beteiligt waren, darunter auch Sänger Kay, sind auch heute noch dabei. Der letzte Besetzungswechsel am Bass liegt noch nicht lange zurück, aber insgesamt bewertet Kay eine Umbesetzung bei einer Ska-Band dieser Stärke anders, als dies bei einer vier- oder fünfköpfigen Rock-Band der Fall ist: „Ich denke, dass ein Besetzungswechsel in einer Rock-Band den Stil der Band eher grundlegend verändert. Durch die Größe einer Ska-Band und weil dadurch auch völlig andere Hierarchiestrukturen entstehen, fallen einzelne Umbesetzungen hier nicht so sehr ins Gewicht. Was sich wahrscheinlich immer ändern wird, ist der Sound, da doch jeder neue Musiker neue Einflüsse einbringt.“
Kay kann sich an die Ska-Szene der DDR nur sehr dunkel erinnern:„Ich war zur Wende gerade mal elf Jahre alt und habe damals heimlich AC/DC- oder SLAYER-Platten meines Bruders gehört. Aber das markante „Peace is wonder“ von MESSER BANZANI hat mich vom Punk zum Ska und Reggae gebracht. Und dann waren da noch MICHELE BARESI. Soweit ich weiß, sind Leute beider genannter Bands Gründungsmitglieder der FAR EAST BAND, welche heute die Backing-Band von Gentleman ist. Der Sänger von MESSER BANZANI ist mit Germaican Records in Leipzig ja immer noch sehr intensiv im Reggae-Bereich tätig.“
Und auch YELLOW CAP sind nicht nur musikalisch aktiv. Kay geht sogar so weit und spricht von Ska als seiner Passion, seinem Lebensstil, während Jobs eben gemacht werden müssen, um irgendwie die Rechnungen zu bezahlen. YELLOW CAP bedienen durch ihre modernen Einflüsse, die „in der traditionellen Skinhead-Kultur eher nicht so auf Begeisterung stoßen“, ein breiteres Publikum, deshalb sind Rude Boys und Skinheads eher in der Minderheit auf ihren Konzerten. Kay findet es trotzdem wichtig, den Leuten nahe zu bringen, wie und durch wen sich Ska von Jamaika über England in der Welt verbreitet hat. Aber trotz der unterschiedlichen Entwicklungen des Offbeats ist Kay bester Dinge, dass Ska auch in Zukunft mit Skinheads in Verbindung gebracht wird. „Dafür gibt es glücklicherweise noch genügend enthusiastische Skinheads, die die Besonderheiten des Ska zu schätzen wissen und alles dafür tun werden, den Kult am Leben zu erhalten.“ Und das auch, weil in jüngster Vergangenheit wieder kommerzielle Erfolge im Reggae und Dancehall verbucht werden konnten. Warum sollte, was Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Jahre möglich war, nicht beim Ska in der Zukunft wiederholt werden können? Sänger Kay sieht hier eine reelle Chance für die schnellere Variante des Offbeat. Fast visionär bemerkt er: „Ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, stelle ich bei unserer jährlichen Konzertreise durch die Großstädte in Osteuropa fest, dass eine neue Ska-Welle definitiv am Anrollen ist. Überall, wo Ska und Punk im Osten, speziell in Bulgarien und Kroatien gespielt wird, feiert man ausgelassen.“ Warum sollte dieses „Ska-Fieber“ nicht auch in Deutschland die Leute aufs Neue infizieren!?
Dagegen gibt es nun wirklich nichts einzuwenden, so lange die Voraussetzungen für ein gewisses Niveau gegeben sind. Neben den nicht abzustreitenden Vorteilen der neuen Medien kritisiert Kay eine Art Wegwerfmentalität und ein Immer-zur-Verfügung-Stehen von Musik als Grund für die rasant fallenden Zahlen bei Plattenverkäufen, die wiederum zu knappe finanzielle Mittel zur Folge haben, so dass man für eine gute Produktion in die eigene Tasche greifen muss. Dagegen hilft nur stetige Live-Präsenz!
Kay empfiehlt aus jeder Dekade folgende Platte:
1960er: Laurel Aitken – „Ska With Laurel“ | 1970er: Jimmy Cliff – „The Harder They Come“ | 1980er: MADNESS – „One Step Beyond“ | 1990er: EL BOSSO & DIE PING PONGS – „s/t“ | 2000er: DR. RING DING & THE SENIOR ALLSTARS – „Big Up“
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