Das Markenzeichen von WINDS OF PROMISE, die auf Unity Worldwide Records ihre zweite LP veröffentlicht haben, ist die perfekte Mischung aus Orange County- und D.C-Hardcore im Stil der mittleren bis späten Achtziger Jahre. Mit Joe Foster, der mit dem Leipziger „Billy“ Sven Günther auch genanntes Label betreibt und Gitarrist bei IGNITE war, Pat Longrie, ehemals bei UNIFORM CHOICE, sowie Mike Kenyon und Joe Nelson, einem ehemaligen Sänger von IGNITE, kann man WINDS OF PROMISE womöglich als Supergoup bezeichnen, wenn man das möchte. Die alten Haudegen haben gerade ihre zweite LP „Cut. Heal. Scar.“ veröffentlicht. Das Interview führe ich mit Joe Nelson per Skype, der sich zu Hause in Kalifornien gerade im Lockdown befindet.
Ich erwische dich an einem Montagvormittag zu Hause. Was macht das Arbeitsleben bei euch in Kalifornien?
Wir haben hier seit drei Monaten einen Lockdown, ich arbeite allerdings von zu Hause aus.
Was arbeitest du?
Ich betreibe mit Matt Pincus, dem Bassisten von JUDGE, ein Label namens Trust Records. Die erste Veröffentlichung im Herbst wird eine Neuauflage des CIRCLE JERKS-Klassikers „Group Sex“sein. Wir werden dann weitere alte Platten wiederveröffentlichen, von 7 SECONDS zum Beispiel.
Ist die gegenwärtige Krise für euch als Band ein Problem?
Nicht wirklich. Wir haben ja alle ein Leben neben der Band, wir machen das ja nicht hauptberuflich, sondern einfach zum Spaß. Schade ist natürlich, dass unsere Europatour im Herbst flachfallen wird. Ich hoffe, wir können sie im Frühling nachholen.
Wie sind WINDS OF PROMISE entstanden?
Joe Foster und ich kennen uns durch unsere gemeinsame Zeit bei IGNITE. Wir hatten danach mal mehr und mal weniger Kontakt. Mike Kenyon kennen wir von einer DAG NASTY-Show und unseren Drummer Pat Longrie, der bei UNIFORM CHOICE gespielt hat, kenne ich schon seit ich 13 war. Joe rief mich irgendwann an und fragte, ob ich noch mal mit ihm in einer Band spielen will. Was ich zunächst nicht wollte. Ich hatte einen recht erfolgreichen Job im Music-Merchandising und war ja schon recht alt. Heute ist übrigens mein fünfzigster Geburtstag ...
... oh, Happy Birthday!
Danke, haha. Joe meinte, er hätte bereits einen Haufen an Songs geschrieben, und ich sagte nein, auch wenn wir gute Freunde sind. Ich wusste nicht, was ich im Hardcore noch zu geben imstande war. Punk und Hardcore sind nichts, was man so nebenbei betreiben sollte, und am Ende kommt dabei nur ein Fake heraus. Dann habe ich die Songs von Joe gehört und sie waren super! Ich habe beschlossen, es einfach mal zu probieren, schließlich waren wir alle lange befreundet – und es hat mich einfach weggeblasen! Es machte Spaß, ich habe fest an die Songs geglaubt, wir brachten die LP raus und fuhren nach Europa, um zu spielen. Es war einfach schön, so viele neue Leute zu treffen und kennen zu lernen, und eine gute Entscheidung, die Band zu gründen.
Aaron Bedard von BANE hatte bei deren Auflösung auch gesagt, dass er zu alt für Hardcore sei. Jahre später hatte allerdings auch er mit ANTAGONIZE eine neue Band am Start und veröffentlichte letztes Jahr eine LP.
Ich verstehe das Argument, wenn man alt ist, besser aufzuhören, natürlich sehr gut. Ich war bei IGNITE, als ich 23 Jahre alt war, und habe aufgehört, weil ich dachte, für diese Art der Hardcore-Musik bereits zu alt zu sein. Ich ging damals ja schon seit zehn Jahren auf Konzerte und so kam ich auf diesen Gedanken. Und irgendwann im Laufe meines Lebens kam ich zur Erkenntnis, dass das ja wirklich Quatsch ist und man nicht einfach zu alt ist für Hardcore, egal, ob man jetzt fünfzig oder hundert ist.
Mit „Cut. Heal. Scar.“ erscheint nun Ende August eure zweite LP. Der Song „What’s on the inside“ hat leider eine erschreckende Aktualität, auch wenn er Monate vor dem rassistischen Polizistenmord an George Floyd entstanden ist. Er drückt für mich das absolute Unverständnis gegenüber Rassismus aus, du singst, dass alle Menschen gleich sind: „We all love the same, we all dream the same, we all bleed the same“. Vor kurzem habe ich mit Stacey Dee von BAD COP/ BAD COP gesprochen, sie meinte, dass es einen Unterschied macht, wie und wo du in den USA aufgewachsen bist – an den Küsten ist man eher offen und tolerant und im Landesinnern hat man ganz andere Werte, wodurch der Rassismus viel stärker ausgeprägt ist.
Ja, da hat sie recht. Dazu kommt, dass es in den Großstädten viel diverser zugeht und die Intoleranz geringer ist – ganz egal, in welchem Land übrigens. Die Red States, also so etwas wie die „rechten Staaten“ der USA, haben eine Bevölkerung, die nicht sehr gebildet ist und mehr an die Bibel glaubt. Ich würde mir wünschen, dass diese Menschen etwas offener wären und mit anderen Leuten reden. Kaum glaubt man, der Rassismus in den USA, genauso wie in Europa, habe nachgelassen, kommt wieder eine Welle. Es ist eine verdammte Achterbahnfahrt. Und die USA sind auf dem Fundament der Sklaverei und Knechtschaft gegründet. Wie gesagt habe ich mit Hardcore-Musik angefangen, bevor ich 23 war, dieses Problem ist mir seitdem sehr bewusst und begleitet mich ständig. Nimm allein die Songs aus den Achtzigern wie „Degredation“ von GORILLA BISCUITS oder „Colorblind“ von 7 SECONDS. Ich komme aus Los Angeles und kenne die Polizeigewalt, 1992 hatten wir die Krawalle aufgrund des Freispruchs für die Polizisten, die Rodney King misshandelt hatten. Jetzt gerade ist der Mord an George Floyd passiert und es gab ja unzählige Vorfälle dazwischen. In den vergangenen Jahren war die Reaktion verständlicherweise meist Frust, Wut und Aggression. Dieses Mal habe ich aber das Gefühl, dass hieraus etwas erwachsen kann, es sieht zielorientierter aus und es sind mehr gesellschaftliche Schichten unterwegs, und vor allem so viele junge Menschen. Und das über die ganze Welt verteilt – in der Zeit, in der du alles posten kannst, geht es viel einfacher. 1982 hat Joe Strummer gesungen: „You have the right not to be killed / Murder is a crime! / Unless it was done by a policeman or aristocrat / Know your rights“. Wir haben das Recht, nicht umgebracht zu werden. Das Thema Rassismus beschäftigte mich schon als Kind – den Text zu „What’s on the inside“ habe ich Ende letzten Jahres geschrieben, was bedeutet, dass das Problem immer noch da ist. Es ist doch verrückt, wir haben 2020, wir sind noch immer nicht gleich und es kommt auf die Farbe unserer Haut an! Dennoch denke ich, dass wir irgendwann alle gleich sein werden.
Was lässt dich daran glauben?
Für mich ist das Glas eher halb voll. Auch wenn wir wirklich schlimme Zeiten haben, die Armut, die Ungleichheit oder jetzt COVID-19, das uns in den USA zur Zeit sehr zu schaffen macht. Positives Denken ist doch eigentlich eine ganz einfache und logische Sache. Wenn du es wirklich praktizierst und ein hoffnungsvoller Mensch bist, ist dein Leben besser und du bist zu den anderen Menschen um dich herum auch besser.
Musikalisch bietet ihr eine Mischung aus Oldschool-Orange-County- und D.C.-Hardcore. Eure selbstbetitelte erste LP kam mir nach den ersten Tönen wie eine verschollene Aufnahme von FUGAZI vor. „Cut. Heal. Scar.“ hat für mich etwas weniger „D.C.-Anteil“.
Ich finde, manche Songs der LP klingen nach FUGAZI, manche nach UNIFORM CHOICE und manche nach IGNITE. Auf unserer neuen LP haben die Songs aus meiner Sicht einen in sich konsistenteren Sound. Sie sind diesmal sehr catchy und insgesamt etwas softer. Ich weiß nicht, ob das besser oder schlechter ist. Das müssen andere beurteilen. Mir gefällt das sehr gut. Und lass mich dir etwas zu Hardcore sagen – es ist viel einfacher, eine erste Platte zu schreiben. Da steckst du einfach alle Ideen rein, die du bis dahin hast, alles ist quasi richtig frisch. Auf der zweiten Scheibe willst du dich nicht wiederholen, es aber auch nicht komplett anders machen. Gerade im Punk und Hardcore ist es extrem schwer, eine etwas andere Richtung einzuschlagen. Wir haben innerhalb eines Jahres elf Songs geschrieben, zehn sind auf der LP. WINDS OF PROMISE haben die Philosophie, halb Orange County- und halb Dischord-D.C.-Hardcore zu machen. D.C. hat bei uns diesen Emo-Style, auch in den Lyrics. Die Orange County-Seite ist sehr von den ADOLESCENTS beeinflusst, im Vergleich zu D.C. ist es quasi der BEACH BOYS-Style, haha.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Roman Eisner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Roman Eisner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #141 Dezember/Januar 2018 und Roman Eisner