Zwanzig Jahre Wilwarin Festival – zwei Jahrzehnte „ehrenamtliches Engagement“ und zwanzig Mal D.I.Y.-Festival-Flair in Norddeutschland. Dieses Jahr findet es am 02./03. Juni statt. Jan und Arnulf sind quasi seit Beginn an dabei und geben Auskunft über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Was könnt ihr zu den Anfängen und zur Geschichte des Wilwarin Festivals sagen?
Arnulf: Es war irgendwann Ende des letzten Jahrtausends, die Welt lechzte damals nach einem richtigen Hippie-Punk-Fest. Auf dem Hof meiner Eltern fing es an. Nach anfänglichen Namensfindungsschwierigkeiten – Riesenwiesensession oder XXXXL Festival – fand ich im Elbisch-Englisch-Dictionary den wohlklingenden Begriff für Schmetterling: Wilwarin. Die Frühgeschichte des Festivals endete abrupt mit dem Starkstromsteckerziehen meiner lieben Mutter um vier Uhr morgens: „Dieser laute Quatsch wird hier nicht mehr stattfinden!“ Der Schmetterling flatterte durch die Weltgeschichte und fand in Ellerdorf seine angestammte Heimat. Hier begann 1998 die offizielle Zeitrechnung.
Gibt es Anforderungen an das Festival, die sich im Verlauf der Zeit geändert haben? Was ist anders als vor zwanzig Jahren?
Jan: Je länger man dabei ist, desto mehr Ämter und Behörden werden aufmerksam – ohne die geht’s leider nicht. Das deutsche Finanz- und Unternehmensrecht sieht Veranstaltungen wie die unsere nicht vor. Die versuchen dann immer, uns in bestehenden bürokratischen Strukturen zu händeln – daher kämpft man an vielen Fronten.
Das Wilwarin hat ja einen recht guten Ruf im Norden. Was liegt euch beim Festivalmachen besonders am Herzen?
Arnulf: Das wirklich Besondere ist die Zeit auf dem Ellerground. Gemeinsam mit einem tollen Wilwarinians-Team erschaffen wir in drei Wochen etwas, von dem man vorher noch nicht weiß, wie es am Ende aussehen wird. Es ist eine Mischung aus Chaos, Farbe, Fichtenstämmen, Nägeln und Stunden am Lagerfeuer. Wahrscheinlich merken die Besucher, wie viel Arbeit und Liebe dahinterstecken. Außerdem wollen wir nicht einfach 08/15-mäßig Bühnen, Bands und Bauzaun hinklatschen. Hierbei kommen uns die natürlichen Gegebenheiten des Geländes zugute. Waldwege, Knicks und Erdwälle ... überall gibt es Ecken, an denen sich kreative Köpfe austoben können. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist es, und darin sind wir uns alle einig, never ever wird man auf dem Wilwarin Sponsoring-Quatsch finden. Davon gibt es in der Welt schon zu viel!
Jan: Und keine Headliner! Wir glauben fest daran, dass die beste Musik nicht von den vermeintlich großen und vom Musikbusiness gepushten Bands gespielt wird. Ach ja, und natürlich unsere Skateboard-Ecke ...
Wonach wählt ihr Bands aus? Wie kommt es letztlich zum Line-up?
Arnulf: Jan und ich teilen uns den größten Teil des Bookings. Gemeinsam mit unseren Kollegen Astrid und Olli beratschlagen wir dann die „vorgefilterten“ Bandvorschläge und Bewerbungen. Ein erheblicher Teil guter Ideen kommt aus unserem Umfeld, von den Helfern und unseren Freunden.
Jan: Mein musikalischer Horizont ist relativ beschränkt. Daher versuche ich, mich immer an meiner Plattensammlung zu orientieren, das ist sicheres Terrain. Häufig spricht man auch Bands direkt an, auf die man übers Jahr hinweg aufmerksam wird. Es kommt aber durchaus auch vor, dass sich gute Bands bewerben.
Gibt es vielleicht noch Anekdoten, die ihr unseren Lesern nicht vorenthalten möchtet?
Arnulf: Sprudelfreies Wasser für SICK OF IT ALL nachts in Nortorf organisieren? Ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Besoffski im Imbiss: „Schüttel einfach deine Wittenseer, die Amis können doch eh kein Deutsch!“ Oder Rob Wright von NOMEANSNO backstage auf einem Sofa am Lagerfeuer, ins Gespräch vertieft mit „Spucke“, einer lebensgroßen Strohpuppe, unserem Beauftragten für Public Relations.
Jan: Oder der NAPALM DEATH-Basser, der hektisch mit Papierrolle unterm Arm zum Klo spurtet, während der Rest der Jungs schon die Bühne betritt. Oder die LOKALMATADORE, die aus lauter Langeweile vorm Auftritt versuchen, die Musiker des Hauptacts – nicht deutschsprachig – besoffen zu machen.
Wie lange wird es das Wilwarin noch geben?
Jan: Frag mich im Juli oder August noch mal!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #132 Juni/Juli 2017 und Michael Schramm