Eigentlich bedarf die Band aus Sacramento wenig einleitender Worte, schließlich genießt ihr Revelation-Debüt "El Diabolo" so etwas wie Kultstatus. Mit Chino Moreno von den DEFTONES hat das Postcore-Quartett zudem auch noch einen berühmten Fan, der dafür sorgte, dass WILL HAVEN des Öfteren als Opener für seine eigene Band in Aktion traten. Trotz des Erfolges und euphorischer Kritiken legte man die Gruppe knapp eine halbe Dekade auf Eis, um jetzt mit einem neuen Sänger wieder aus der Versenkung aufzutauchen. Das aktuelle Release "Hierophant" klingt wie die Vertonung von Freitag dem 13. und wird selbst mögliche Skeptiker in seinen Bann ziehen.
Viele Leute haben von euch erwartet, dass ihr ein zweites "El Diabolo" aufnehmt, und letztlich ist es euch sogar gelungen, ein Album zu schreiben, welches mindestens so gut ist wie euer Klassiker. Waren es die hohen Erwartungen an WILL HAVEN, die zur längeren Auszeit geführt haben?
Danke, wir sind auch sehr zufrieden damit, wie das Album geworden ist. Es fängt die Stimmung, die wir erzeugen wollen, genau so ein, wie wir uns das vorgestellt haben. Druck gab es keinen. Uns allen war klar, dass wir ein tolles Album aufnehmen wollten, welches die Messlatte auch für uns als Musiker höher legen würde. Die Gründe für die Auszeit waren persönlicher Natur und sind auch innerhalb der Band zu finden. Grady brauchte, als seine erste Tochter zur Welt kam, etwas Abstand von der Band und beim zweiten Kind stieg er dann aus, um sich voll und ganz seiner Familie zu widmen. Wir hätten am liebsten gar keine Auszeit genommen, aber bei vier Musikern in einer Band passiert immer viel Persönliches und manchmal wird das eben wichtiger als die Gruppe.
Jeff Jaworski, bekannt von RED TAPE, kam in die Band und hat euren früheren Sänger Grady Avenell ersetzt. Wie seid ihr auf Jeff gekommen, hatte er schon Input und weshalb hat er die Lyrics noch zusammen mit Grady geschrieben?
Jeff Jaworski gehört seit rund 14 Jahren zu meinem engsten Freundeskreis. Wir hatten beide keine Band, als wir uns trafen, mochten aber ähnliche Combos. Ich hätte vielleicht schon vor ewigen Zeiten eine Band mit ihm gegründet, aber er zog dann weg, und als er wieder herzog, begann er gleich mit RED TAPE. WILL HAVEN war damals schon eine recht etablierte Band und so konnten wir RED TAPE mit auf Tour nehmen. Als Grady ausstieg, war Jeff nicht bereit mitzumachen, weil er RED TAPE nicht ruhen lassen wollte. Also fragten wir ihn noch mal letztes Jahr und er war damit einverstanden, bei uns einzusteigen. Mit Grady haben wir noch drei Demosongs aufgenommen, bevor das mit der Platte aktuell wurde. Daher stammen einige der Lyrics von Grady. Mit Gradys Ausstieg war es an Jeff, den Rest der Texte zu schreiben und sie dann alle zu singen. Jeff hat klasse Arbeit geleistet, denn als er Mitglied von WILL HAVEN wurde, hatte er nur noch einen Monat, um seinen Teil zum Album beizusteuern. Wenn man bedenkt, wie wenig Zeit er hatte, ist sein Beitrag enorm ausgefallen.
"Hierophant" klingt sehr dicht, die Breaks unterbrechen den Song nicht mehr, sondern schaffen eher Raum für andere Elemente, die bis zur Pause unterschwellig rumoren. Habt ihr bewusst an solchen Makeln gearbeitet?
Dies alles geschah auf eine sehr natürliche Weise. Ich habe in meinem Kopf oft eine genaue Vorstellung davon, wie ein Song klingen soll. Dann setze ich die Fragmente wie bei einem Puzzle zusammen. Mein Ziel bei diesem Album war es, alles flüssig klingen zu lassen, sogar die Übergänge der Lieder. Wenn also ein Break kommt, ist trotzdem etwas vorhanden, um diesen Fluss zu gewährleisten, da stimme ich dir zu. Generell war es mir aber auch wichtig, eine düstere Platte aufzunehmen.
Wofür steht der Titel "Hierophant" überhaupt und welchen Zusammenhang gibt es zu dem spirituell inspirierten Artwork?
Wir hatten schon spirituelle Dinge im Sinn, als wir mit der Arbeit an "Hierophant" begannen. Der Gesamtklang hat auch spirituelle Untertöne, wie ich finde. Zu Anfang des Entstehungsprozesses sahen wir uns Tarotkarten an. Wir stehen ziemlich auf okkultes Zeug und so entschlossen wir uns für die Hierophant-Karte, denn sie symbolisiert einen weisen Menschen, einen Lehrer. Diesen Ansatz verbanden wir mit anderen Gedanken, die wir zum Thema Spiritualität hatten, und bauten sie in unser Artwork ein. Umgesetzt hat diese Ideen unser Freund Jared und mir gefällt, wie alles aussieht.
Das aktuelle Album klingt noch düsterer als die Vorgänger und ein Song wie "A day without speaking" ist schwer zu verdauen - weshalb überhaupt der Fokus auf die negativen Aspekte des Lebens?
Haha, ich weiß auch nicht so recht, denn wenn man uns trifft, sind wir ziemlich glückliche Menschen. Wir fühlen uns aber irgendwie magisch von diesen düsteren, mysteriösen und bösen Klängen angezogen. Ich bin auch ein großer Fan von den Soundtracks zu Horrorfilmen und das beeinflusst mich natürlich auch. In unserer Musik geht es um Emotionen, um das Gefühl ängstlich zu sein oder sich unwohl zu fühlen. Das sind äußerst starke Regungen, und da wir sie in unsere Musik einbauen, klingen wir so, wie wir eben klingen. Das Negative steht dabei nicht im Vordergrund, es ist eher der Versuch, eine Emotion zu erzeugen, wenn man sich die Songs anhört. Und wir wollen starke Gefühle erzeugen.
Die DEFTONES hatten euch in den Neunzigern auf ihre Touren in den USA und in Europa eingeladen. Jetzt hat Chino Moreno zusammen mit Shaun Lopez euer Album produziert. Hättet ihr euch ohne Chinos Anstrengungen überhaupt reformiert, oder wird seine Rolle von den Medien überbewertet?
Chino ist ein sehr guter Freund von uns, wir kennen ihn schon lange und er hatte immer viel mit WILL HAVEN zu tun. Angefangen bei seinem Einfluss auf uns bis hin zu seinem Rat und seiner Freundschaft. Wir haben hart gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo wir jetzt sind, aber Chino hat unendlich viel für uns getan. Wir wüssten nicht, wo wir jetzt ohne ihn wären, oder ohne Shaun. Er hat zwar keine tragende Rolle bei der Reunion gespielt, aber als er hörte, dass wir wieder zusammen spielen, wollte er etwas dazu betragen. Ich schickte ihm meine Demos und er fand die Sachen spitze, also lud er mich in sein Haus in Los Angeles ein und zusammen mit Shaun arbeiteten wir an ein paar Liedern. Es war genial, so mit einigen meiner besten Freunde im Studio zu arbeiten, die ich seit meiner Jugend schon wegen ihres musikalischen Talents und auch als Menschen bewundere.
Es gibt etliche Bands, die von den Kritikern geliebt werden, aber bei den Fans einen schweren Stand haben; oft auch, weil sie ihrer Zeit voraus sind. Trifft das irgendwie auch auf WILL HAVEN zu?
Ja, die meisten Bands, die ich bewundere, nennen wir "Musikerbands". Gruppen, die so talentiert sind, dass sie von anderen Musikern respektiert, zugleich aber von Nicht-Musikern nicht unbedingt immer verstanden werden. WILL HAVEN passt schon in diese Kategorie. Einige der größten Bands nahmen uns mit auf Tour, einfach nur, weil ihnen unsere Musik gefällt. Auch die Kritiker haben uns immer sehr unterstützt, aber trotzdem sind wir noch eine Underground-Band. Manche Gruppen würde das frustrieren, aber wir wollen diese Tatsache um nichts in der Welt ändern. Ich finde es toll, dass wir eine Art Kultstatus erreicht haben, und deshalb sind wir auch noch mit dabei. Auf eine gewisse Art und Weise haben wir mehr für aggressive Musik getan, als so manche andere Band, die Millionen an Alben verkauft hat. Dieses Gefühl ist sehr erhebend. Vergiss das Geld und den Ruhm!
Früher habt ihr bei Revelation veröffentlicht, jetzt bei Bieler Bros. Records. Was für ein Label ist Bieler Bros. und weshalb gab es überhaupt einen Wechsel?
Bieler Bros. sind unglaublich und sie waren genau das Label, welches wir gesucht haben, als wir uns wieder zusammentaten. Wir hatten mehrere Angebote, aber wir wollten auch jemanden, der uns versteht und uns zugleich einem größeren Publikum zugänglich machen kann. Seit dem Tag, an dem wir bei Bieler Bros. unterschrieben haben, stehen sie hinter uns und haben uns in allen unseren Entscheidungen bestärkt. Die Musikindustrie ist derzeit so verkommen, dass es schön ist, ein Label zu sehen, welches sich wirklich um seine Bands kümmert und ihnen auch den Freiraum gibt, das zu tun, was getan werden muss. Ich wünsche ihnen viel Erfolg mit dem Label, vielleicht können sie dazu beitragen, dass im Musikgeschäft allgemein wieder freundlicher mit Bands umgegangen wird. Der Grund, weshalb wir Revelation verlassen haben, war, dass unserer Vertrag nach "Carpe Diem" auslief. Revelation ist ein tolles Label und wir fühlen uns geehrt, dass wir ein Teil davon sein konnten, zugleich bestand aber auch die Notwendigkeit ein Zuhause zu finden, welches uns auf die nächste Ebene bringen kann. Aber ich werde Revelation auch in Zukunft unterstützen und stets respektieren.
Die Musikszene hat sich seit eurer Gründung 1995 extrem verändert. Viele Bands von damals haben sich aufgelöst und eine neue Generation spielt inzwischen komplett andere Musik. Hat euch das eingeschüchtert?
Ehrlich gesagt, kümmern wir uns nicht so sehr darum, was momentan angesagt ist. Mir gefallen derzeit auch nicht besonders viele Gruppen, also war es einfach für uns, uns einzig und allein auf das zu konzentrieren, was wir erreichen wollten. Metal ist ja meistens ziemlich zeitlos und wir wussten eben, was wir machen wollten. Auch unsere Fans sind toll und haben sich zusammen mit uns entwickelt. Wir wollten auch, dass viele Leute etwas Neues hören können.
Was hältst du denn generell von Reunions?
Ich finde Reunions cool. Zum Beispiel finde ich es fantastisch, dass die BAD BRAINS wieder gemeinsam spielen, und hoffe, sie bald live zu sehen. Natürlich sind manche Reunions nicht unbedingt notwendig, aber wenn eine Lieblingsband wieder auftritt und man sie sehen und hören kann, dann ist das doch super. In unserem Fall ist es ja nicht so, dass wir zwanzig Jahre lang Pause gemacht hätten. Wir waren nur kurz im Urlaub und haben uns dann wieder zusammengerauft. WILL HAVEN gab es zwar nicht mehr, aber während des Splits spielten wir ja bei GHOSTRIDE und ABOMINABLE IRON SLOTH. Also waren wir trotz der Auszeit aktiv. Jedenfalls bin ich froh, dass auch WILL HAVEN wieder zurück sind. Diese Band ist einfach mein Leben.
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