Da sitzen sie. Interviewer und Gesprächsgast am Ufer der Spree. Unweit der Brücke, die Friedrichshain und Kreuzberg miteinander verbindet, in Sichtweite der O2-Arena und dem Hauptquartier von Universal-Records. Der eine nippt an seiner Cola, der andere hält das Diktiergerät in den Händen. Zusammen schauen sie auf den Fluss und bewundern den Fake-Raddampfer, der den Touristen vorgaukelt, dass er wirklich noch mit Kohle fährt. Da kommen WELTRAUMSCHROTT aus Berlin mit ihrer Single „Asphaltcowboy“ etwas ehrlicher rüber. Und sind dabei als Band glücklicherweise so weit von Majorvertrag und Eventarena-Gig entfernt, wie ein Trümmersatellit von seiner vorgesehenen Umlaufbahn.
Chrischan, die neue WELTRAUMSCHROTT-Single ist raus. Die letzte 7“ ist vor drei Jahren erschienen, wieso hat das so lang gedauert?
Wir hatten ja ein Jahr lang keinen Schlagzeuger, dann war unser Gitarrist ein halbes Jahr in Spanien und deshalb sind die Aufnahmen schon recht alt. Da spielt noch unser vorletzter Schlagzeuger. Unser neuer Trommler spielt das halt so nach, aber die Songs verändern sich ja eh beim live spielen, mal eine Pause mehr, mal eine weniger.
Die Single hat so eine starke Cowboy-Thematik. Es gibt Cowboys auf dem Cover, Titel wie „40 Wagen westwärts“ und „Asphaltcowboy“. Was steckt hinter der Western-Geschichte?
Gar nix. Das hat sich zufällig so ergeben, dass die beiden Songs was mit Cowboys zu tun haben. Wir hatten ja noch einen dritten Song, der ist aber runtergefallen von der Platte. Es bot da sich halt an, einen Cowboy aufs Cover zu packen.
Ich finde die Vergleiche in den Kritiken ganz interessant. Da tauchen als Referenz immer LEATHERFACE, DACKELBLUT und TURBOSTAAT auf. Was hältst du davon?
Allein daran sieht man ja, wie unqualifiziert das alles ist. Allein LEATHERFACE und TURBOSTAAT, da liegen ja Welten zwischen. Die klingen ja total unterschiedlich. Ich wüsste gar nicht, was diese Bands gemein hätten außer zwei Gitarren. So melancholisch wie LEATHERFACE sind wir nun auch nicht, wir sind aber auch nicht so die Partyband, zu der man eine Kiste Bier wegtrinkt.
Wieso waren sieben Labels an der Veröffentlichung beteiligt?
Das Ding muss man ja finanzieren. Das sind aber alles Leute, die ich persönlich kenne, abgesehen von Falk von Matula Records, den ich aber dann kurz darauf persönlich kennen gelernt habe. Das war alles so Freundesklüngel und Bekanntenkreis. Mit sieben Labels ist das schon gut so. Die machen den Vertrieb, weil ich auch nicht wüsste, wie man das sonst machen sollte.
Wie wichtig ist dabei die Idee vom D.I.Y., wenn du alle beteiligten „Labelbosse“ eh schon persönlich kennst?
Das ist schon wichtig. Das macht ja auch Spaß. Ich will ja nicht nur in den Proberaum gehen, einen Song schreiben, und wenn der fertig ist, dann kümmern sich da andere drum. Ich finde es schon wichtig, dass ich mir selbst überlege, was für ein Cover ich haben möchte, welche Farbe das Vinyl hat, welche Songs draufkommen und welche runterfliegen. Es gehört dazu, solche Sachen selbst zu machen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum die Single, so wie wir sie jetzt rausgebracht haben, eine ganz gute Sache war. Das alles selbstbestimmt und selbstgemacht ist. Den Vertrieb kann ich halt nicht selber machen, davon habe ich keine Ahnung, aber was ich machen kann, mache ich halt selbst.
Habt ihr auch bei den Aufnahmen alles selbst gemacht?
Da sind wir ins Studio gegangen, aber nur weil keiner von uns das so machen kann, dass wir damit zufrieden gewesen wären.
Bist du mit den Aufnahmen jetzt zufrieden? Was würdest du besser oder anders machen?
Na ja, richtig zufrieden ist man ja nie. Es sind halt so Kleinigkeiten, die einem im Nachhinein einfallen. Wo man besser hätte spielen, etwas mehr oder weniger schreien oder anders singen können. Ich bin ja nie zufrieden mit dem, was ich mache. Ich glaube, es gab noch nie etwas, mit dem ich komplett 100% zufrieden war, aber zu 80% reicht doch.
Informationen zu bekommen über WELTRAUMSCHROTT ist ja eher schwer. Würdest du sagen, dass ihr gar nicht so viel über die Band preisgeben wollt?
Es gibt ja nicht so viel zu erzählen. Wir haben uns vor vier Jahren gegründet und ich wollte eigentlich mehr so Pubrock machen, aber das war dann recht schnell klar, dass es kein Pubrock wird. Dann haben wir nach zwei Monaten das erste Konzert gespielt und nach einem Jahr haben wir gemerkt: das macht ja richtig Spaß. Lass uns doch mal nicht nur einmal die Woche saufen und drei Akkorde runterspielen, lass uns mal richtige Songs schreiben. Dann haben wir die ersten Aufnahmen gemacht, erste Single, ganz normaler Werdegang, wie das halt so ist, ganz normal aus einer Partylaune heraus.
Okay, und was kommt nach der Single?
Die LP. Wir haben jetzt schon wieder zwei Monate lang nicht geprobt, das ist schon fatal so zwei Monate nach der Release-Party. Jetzt müssen wir uns die ganzen Songs mit dem neuen Schlagzeuger in fünf Monaten wieder neu draufschaffen. Man vergisst das ja auch schnell wieder. Wir haben einen neuen Proberaum gleich bei mir um die Ecke. Der hat auch einen kleinen Garten hinten dran und einen Pizzaofen mit Bierbänken. Da kann man fein sitzen und neue Songs schreiben. Zwei bis drei neue Stücke haben wir schon, die sind zwar schon ein Jahr alt, aber für uns ist das schon neu. Jetzt müssen wir noch mal so sieben bis acht Songs machen und und uns dann ein Studio suchen. Es gibt auch Überlegungen, ob wir diesmal in Hamburg aufnehmen. Ich weiß aber auch nicht, ob das so eine gute Idee ist, in Hamburg aufzunehmen, ist ja total weit weg. Bei den letzten Aufnahmen waren wir mit dem Studio ganz zufrieden. Da kann ich nach den Aufnahmen nach Hause fahren und im eigenen Bettchen schlafen. Abgemischt und gemastert hat es dann Micha von KARMACOPTER. Der wusste halt schon, wie das klingen soll, weil die schon live mit uns gespielt haben und dem musste ich auch gar nicht viel erzählen. Ich hab ihm nur gesagt: Mach es mal so, wie du das live gehört hast. Die Gitarren schön laut, den Gesang ganz leise und dann hat er das super hingebügelt. Die LP muss er auch auf jeden Fall machen. Ich hoffe, dass die LP Anfang nächsten Jahres dann fertig ist und als richtige Punkband löst man sich dann auf.
Seid ihr eine Band, die viel live spielt und ausgiebig auf Tour geht?
Nee, eigentlich gar nicht.
Aber magst du es, Konzerte spielen?
Manchmal sehr gern. Das letzte Konzert, das wir gespielt haben, war auf heimischem Boden, das war richtig super. Weil ich mir da auch ausgesucht habe, wer mitspielt. Da war der D.I.Y.-Gedanke schon wichtig, das war toll und da waren natürlich auch haufenweise Leute, die man lange nicht mehr gesehen hat, es war dann wie ein Klassentreffen. Ansonsten können wir nur am Wochenende spielen, weil wir einen arbeitenden Menschen in der Band haben. Was sollen wir auch eine Woche durch die Gegend gurken? Früher fand ich das voll wichtig. Da dachte ich, man müsste so ein Minimum von 30 bis 40 Konzerten im Jahr spielen, mittlerweile glaube ich, dass das totaler Humbug ist. Wenn man sich die Konzerte richtig aussucht und so zehn bis 15 richtig tolle Konzerte gemacht hat, ist das okay. Warum soll man da einen Aufwand betreiben, wenn beim Konzert 30 Leute vor der Bühne mit ihren Kötern rumlungern und keiner eine Platte kauft?
Was macht für dich ein richtig gutes Konzert aus?
Richtig super ist es natürlich, wenn du mit einer Band zusammen spielst, bei der man die Leute persönlich kennt oder mag. Oder wenn es ein Veranstalter ist, der sich auch Mühe gibt und dir nicht nur einen Pott Nudeln und einen Kasten Oettinger hinstellt. Ich habe schon Verständnis, wenn sich jemand nicht viel leisten kann, aber ich mache auch Konzerte und habe selbst nicht viel Geld. Da finde ich es gut, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt und ein gemütliches Ambiente schafft. Und dann natürlich, wenn Leute hinkommen, die sich halt begeistern lassen und nicht nur in Kleinkleckersdorf zum Konzert gehen, weil nun mal ein Konzert ist und ihnen langweilig ist. Es macht wenig Spaß, vor solchen Leuten zu spielen. Und es ist natürlich auch schön, wenn es irgendwo ist, wo man vielleicht noch nicht war. Ich war zum Beispiel in Berga/Elster, das ist ein ganz kleines Dorf in Thüringen, das fand ich toll. Das war so ein ganz kleiner Laden mit einem Ofen drin und da waren auch ein Haufen Leute, die noch nie von uns gehört hatten. Die waren nicht total voll und hatten trotzdem Bock auf das Konzert. Die Veranstalter waren spitzenmäßig und das ist so was, was man in so einem kleinen Kaff nicht erwartet. Es gab genug zu trinken, der Schlafplatz hinter der Bühne war auch spitzenmäßig, und wenn man mit so geringen Erwartungen in die Pampa fährt und dann so was erlebt, ist das schon super.
Was ist das absolut Geilste für dich an der WELTRAUMSCHROTT-Single?
Dass wir vom Presswerk ganz andere Farben bekommen haben, als wir haben wollten. Ich glaube ja, dass es nie eine WELTRAUMSCHROTT-CD geben wird. Wenn du ein Album kaufst, dann sollte das schon Vinyl sein. CD ist einfach nicht schön, also entweder Platte oder Tape, und wenn du die dann hörst, dann hast du noch was Schönes zum Gucken, und online kannst du dir eh alles runterladen. Ich finde das auch nicht schlimm, wenn Leute das machen. Aber da muss ich mir ja keinen Kopf machen, ich arbeite ja nicht in der Musikindustrie, mir kann das ja scheißegal sein.
Im Gegensatz zu den Universal-Typen, die da drüben sitzen. Ich glaube, die haben ein sehr unentspanntes Leben.
Das haben sie sich ja aber auch selbst eingebrockt. Mit denen habe ich genauso viel Mitleid wie mit irgendwelchen Bankern.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #98 Oktober/November 2011 und Gary Flanell
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #97 August/September 2011 und Florian Feldmann