WEEGS

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Minimalist no-wave dissonance

Die aus San Francisco stammenden WEEGS haben zwei eigenwillige Alben raus, die irgendwo zwischen No Wave und Death-Rock einen ganz eigenen Weg gehen. Treibende Beats treffen auf mal zuckende, mal flächige Orgel- und Synthie-Sounds, und Hungry Eye, ihr ebenfalls vorzügliches Label, redet von "some freak-beat psyche band gone horribly wrong". Das schrie nach einem Interview.

Euer Sound erinnert einerseits an ältere kalifornische Post-Punk-Bands à la MINIMAL MAN, FACTRIX oder frühe TUXEDOMOON, hat aber gleichzeitig eine modernere Noise-Ästhetik. Nichtsdestotrotz sind die WEEGS mehr oder weniger in die Deathrock-Szene hineingerutscht.
Neben der offensichtlichen Antwort, dass ein paar eurer Landsmänner wie THE VANISHING und THE PHANTOM LIMBS in dieser Szene Erfolge verbuchen konnten: Warum denkst du, dass euch dieses Publikum mag?


Mittlerweile sind wir der Bezeichnung "Deathrock" überdrüssig. Ich denke schon, dass unsere Musik düster ist, aber das ist wohl eher auf die Zustände in der Welt um uns herum zurückzuführen. Wenn wir in einer Welt leben würden, in der nicht die Idioten an der Macht wären, und wenn es um uns herum nur pure Freude an der Kreativität und Großzügigkeit gäbe, dann ginge unsere Musik wohl eher in Richtung POLYPHONIC SPREE. Die müssen auf ein paar echt guten Drogen sein, um den Tod um sie herum nicht zu bemerken. Es ist eben nicht alles schön in der Welt und so ist es auch unsere Musik nicht. Somit müssen wir uns wohl damit abfinden, "Deathrocker" zu sein ... Ich selbst sehe das nicht so. Die Bands, die du erwähnt hast, haben alle Musik zur Zeit von Reagan gemacht, was heißt, dass die Ähnlichkeit genauso durch den Einfluss kommen könnte, unter dem Reglement kleingeistiger Großmäuler leben zu müssen.

Es scheint eine große Szene in San Francisco zu existieren. Was genau geht da denn so ab und wie genau passt ihr in da hinein? Und wie seid ihr, wie auch viele andere SF-Bands, bei dem New Yorker Label Hungry Eye Records gelandet?

Die Szene hier in San Francisco scheint sich zu verändern. Ich denke, jene Bands, die in den letzten fünf Jahren bekannt geworden sind, haben unterschiedlichste Auftrittsorte ausprobiert und neue für sich entdeckt. Ich weiß von vielen, dass sie zahlreiche Nebenprojekte mit Musikern inner- und außerhalb dieser Szene gestartet haben, um zu versuchen, ihren Horizont zu erweitern. Wie das passiert ist, dass so viele der Bands bei Hungry Eye gelandet sind? Hmm, gute Frage. Danach solltest du vielleicht besser Dan oder Asim von Hungry Eye fragen. Aber Dan ist wohl ein Seelenverwandter vieler Leute aus der hiesigen Szene, und außer Hungry Eye gab es kein anderes Label, das sich für diese Bands interessierte. Es scheint so, als ob Dan und Asim dazu fähig waren, Bands wie zum Beispiel SIXTEENS, HOLY KISS oder BLACK ICE zu fördern und zu ermutigen, und dadurch haben sie es möglich gemacht, dass die Musik von einem größeren Publikum gehört werden konnte.

Die Kategorie Post-Punk ist die gebräuchlichste und am meisten genutzte, um die Musik von THE WEEGS zu beschreiben, und diese Kategorie hat sich heutzutage erheblich zum Mainstream hin entwickelt.

Schubladen wie Post-Punk sind doch nur einfache Möglichkeiten für faule Schreiberlinge, Musik irgendwo innerhalb des Rock'n'Rolls einzuordnen. Post-Punk - was zur Hölle soll das bedeuten? Ich nehme an, dass Bands wie FUGAZI, THE PIXIES und SLINT einige der ersten Bands waren, die darunter eingeordnet wurden. Soll das bedeuten, dass man nicht Drei-Akkord-Folgen, sondern irgendetwas anderes spielt, als das, was gemeinhin als Punk bezeichnet wird? Klar, ich schätze, wir sind Post-Punk, wenn das bedeutet, dass das, was wir machen, etwas ist, das nach Punk kam. Unsere Musik entsteht aus der Motivation, Dinge anders zu machen, als sie vorher waren. Wir sind davon gelangweilt, den einen Teil viermal zu spielen und dann einen anderen achtmal, also versuchen wir, die Sache für uns und hoffentlich auch für andere interessanter zu gestalten, indem wir alles ein wenig durchschütteln. Vor kurzem hab ich den Begriff "Avant-Pop" über unsere Musik gehört, der gefällt mir besser. So sehr ich es auch mögen würde, "Avantgarde" und experimenteller zu sein, aber mein musikalisches und technisches Wissen ist zu begrenzt, was mich in den farblosen Bereichen des Pop stranden lässt.

Ihr seid gerade erst von einer langen Europatour im Mai 2006 zurück. Eure Reiseroute war sehr ungewöhnlich für eine Band, die so einen weiten Weg von San Francisco gekommen ist, da ihr größtenteils in Osteuropa unterwegs wart. Gab es einen speziellen Beweggrund für?

Das war mehr eine persönliche Entscheidung von allen aus der Band ... Niemand von uns ist je durch Osteuropa gereist und wahrscheinlich haben wir uns ein bisschen nach einer weniger "verwestlichten" Erfahrung gesehnt. Ich meine, der Großteil vom europäischen Festland ähnelt schon Amerika. Das ist wahrscheinlich ein Resultat der Gründung der Europäischen Union. Für mich wirkt das oft wie die USA, nur mit älteren Gebäuden. Aber vielleicht ist das nur meine eingeschränkte Wahrnehmung, da ich nur das Innere von Bars und Nightclubs gesehen habe. Unsere Entscheidung, nach Osteuropa zu fahren, kam wegen des Wunsches zustande, mal an Orten zu spielen, die abseits der üblichen Tourrouten liegen und einmal einen Teil von Europa zu sehen, der ein bisschen weniger vom Coca-Cola-Monster geprägt wurde. Die Leute in Ländern wie Polen und Kroatien waren alle sehr enthusiastisch und die Erfahrung, dort zu spielen, hat unseren Glauben an die allumfassende Kraft der Musik und des Live-Spielens erneuert.

Wie waren eure Erfahrungen auf der Tour? Wie war es für eine amerikanische Band, Shows überall in Europa zu spielen, zu einem Zeitpunkt, wo Amerika international so stark kritisiert wird?

Im Allgemeinen war es eine gute Tour ... Wir hatten eine paar sehr, sehr großartige Shows, zum Beispiel in Warschau und Prag, und welche, die ziemlich mies waren, wie zum Beispiel in Berlin. Warschau war definitiv der Höhepunkt der Tour. Mit Tomek, der die "Old Skull"-Partys veranstaltet, haben wir viel Spaß gehabt - und einen guten Freund dazu gewonnen. Auch Allesandro und Francesco aus Tarcento in Italien, Marco und Rafaelle aus Salerno, Alice aus Cervo, Marco aus Bologna, David von Cuba Nova in Münster, Kim und Bodo in Neu-Ulm, die Club Kulturpalast-Kids in Hannover, ihr wisst, wer ihr seid und habt unsere Erlebnisse in Europa zu etwas Besonderem gemacht. Ich fühle mich wirklich so, als ob wir Freunde gefunden hätten, anstatt nur mit gesichtslosen Bookern zu tun gehabt zu haben. Und es ist wahr, man behandelt Musiker gut in Europa, ungeachtet, wie groß deine Band ist. Wir haben auch noch mit so großartigen Bands wie KINETIC CRASH COOPERATION und MAN VS. NATURE aus Deutschland gespielt, SCRAPS OF TAPE aus Schweden, OVERMARS und BINAIRE aus Frankreich. Wir haben eine Woche mit Harry Merry aus Rotterdam getourt, der auf Tocado Records ist. Er ist in Karinburg in Slowenien zu uns gestoßen und hat uns zweieinhalb Wochen begleitet, und das war sehr erfrischend, jemand anderen mit im Bus zu haben. Sein einzigartiger Humor hat dabei geholfen, einige lange Autofahrten zu überstehen. Insgesamt gab es zuviel Freibier, viel gutes Essen und viele übel riechende Füße von Mia und Jason - das normale Tour-Zeug halt. Zum Thema, wie wir als Botschafter des Imperium des Bösen aufgenommen wurden: Wir hatten viele Gespräche mit Leuten, deren politische Ansichten mit unseren übereinstimmten. Größtenteils glaube ich, dass die meisten Leute, die wir getroffen haben, erkannt haben, dass wir die Vertreter eines anderen Amerikas sind, nicht die des bösen.

Eure Songs sind nicht offen politisch, aber ihr seid ziemlich direkt, wenn ihr nach euren politischen Ansichten gefragt werdet. In welcher Art kann eine Band heutzutage politisch sein?

Du hast das richtig erkannt, unsere Texte sind nicht offen politisch, auch wenn manche es auf eine abstrakte, indirekte Art sind. Aber bei einigen neuen Aufnahmen neigen sie dazu, ein bisschen offensichtlicher politisch zu werden. Der Zustand der Welt erfordert transparentere Nachrichten, um die Wortverdreher zu meiden, die mit gespaltener Zunge über den Äther gehen ... Wie ich vorhin bereits erwähnte, wollen wir einfach nur Vertreter des guten Willens sein. Während die US-Regierung samt der apathischen breiten Masse immer mehr zu einem autoritären Staat verkommt, haben wir das Gefühl, dass es in Europa für unsre Interaktion dort wichtig wäre, uns einer Gruppe Gleichgesinnter anzuschließen. Das ist die "Gemeinschaft der Guten, die unzufrieden mit dem aktuellen Zustand ist und auf ihrem Versuch beharrt, durch all die Scheiße dieser Welt zu waten, um etwas Besseres ans Licht zu bringen." Jeder ist im Club willkommen - tritt einfach bei!

"The Million Sounds Of Black", eure neueste Platte, hat viele extreme Reaktionen hervorgerufen, positive wie negative. Was braucht man als Hörer, um die WEEGS schätzen zu können?

Unvoreingenommenheit? Drogen? Eine kaputte Kindheit? Geschmack am Absurden? Das sind schon ein paar gute Ansätze.

Wenn man die Ursprünge der Musik berücksichtigt, die ich mit dir und ein paar anderen Bands, die ich anfangs genannt habe, assoziiere, gibt es bei deren Arbeit und Auftritten immer eine starke Einbeziehung multimedialer Elemente.

Wir haben ja schon ein paar Shows mit Videoprojektionen absolviert. Da gibt es generell eine Menge Einflüsse aus dem Bereich Film und Video, die im Blutkreislauf der WEEGS zirkulieren Ein paar von uns sind auch auf der Filmhochschule gewesen. Tatsächlich arbeiten zwei von uns momentan an Filmprojekten, aber keiner der Filme hat etwas mit der Band zu tun. Das auf eine andere, interaktive Ebene zu bringen, ist immer noch etwas, was ich anstrebe, aber es ist schwer zu sagen, ob so was seinen Weg in die Musik der WEEGS finden wird. Aber es ist auf jeden Fall ein Wunschtraum von mir, das zu verwirklichen.

Was hält die Zukunft für THE WEEGS bereit?

Unvoreingenommenheit? Drogen? Eine kaputte Kindheit? Geschmack am Absurden ...