Dass Namen aus dem Garage/Protopunk-Kosmos in Rankings der „greatest guitarists of all times“ geraten, ist nicht alltäglich. Dem Detroiter Musiker Wayne Stanley Kambes (der sich später in Kramer umbenannte) wurde diese Ehre im US-Magazin Rolling Stone mehrfach zuteil. Zusammen mit seinem Tandempartner Fred „Sonic“ Smith schuf er in den späten Sechzigern kraftvolle Gitarrentexturen. In der Kombination von Chuck Berry-Riffs und Motown-Groove lag die Essenz des frühen Motor-City-Hardrock, dessen unbestreitbare Gründerväter die MOTOR CITY FIVE, kurz MC5 waren. Deren mächtiges Riffing, die sich duellierenden Gitarrensalven von Kramer und Smith – sie spielten beinahe schlafwandlerisch perfekt synkopierte Rhythmusgitarren und ebenso stimmige simultane Gittarensoli – schufen Soundstrukturen, die erst mit den ersten Heavy-Metal-Bands der 1970er Anerkennung erfuhren und damit das Genre begründeten. Wenige der 1977er Punkbands kamen ohne Verweis auf MC5 aus und es ist unstrittig, dass ohne die „großen Drei“ (VELVET UNDERGROUND, STOOGES und MC5) Punk, wie wir ihn heute definieren, nicht stattgefunden hätte.
Wayne Kramer gründete MC5 mit Fred Smith 1963, sie spielten zunächst Fratrock und bluesiges Material mit British Invasion-Färbung. Sie wären womöglich denselben Weg ins Nichts gegangen wie unzählige ihrer Garage-Punk-Kollegen, hätten sie nicht die Bekanntschaft von John Sinclair gemacht, dem linksextremen Autor, Aktivisten und Gründer der anarchisch angelegten White Panter-Partei. Deren Motto „Dope, Rock’n’Roll and fucking in the streets“ lebten die MC5 nach allen Regeln der Kunst aus, während sie als Hausband im Detroiter Grande Ballroom ihren Stil als protopunkige Haudrauf-Hardrocker fanden und mit Rückgriffen auf Freejazz und Sun Ra-Gewaber verfeinerten. Dort entstand das 1969er Album „Kick Out The Jams“ mit dem legendären „Motherfuckers“ in der Ansage. Die Power erreichten sie auf keiner der späteren Aufnahmen mehr, die Band blieb bis 1972 aktiv, allerdings wirkte sich die Abwesenheit des mittlerweile inhaftierten Sinclair aus, so dass die fünf das Handtuch warfen.
Kramer kam darauf nicht gut klar, strafbare Delikte im BTM-Bereich brachten ihn in Haft. In den späten Siebzigern startete er allerlei Bandprojekte (glorios gescheitert mit Johnny Thunders als GANG WAR), in den Neunzigern erschien dann ein Soloalben bei Epitaph. Mit den überlebenden MC5-Mitgliedern gab es zum 50. Jubiläum von „Kick Out The Jams“ eine Reunion-Tour mit illustren Gästen. Er arbeitete zudem als Produzent, aber auch als Schreiner, Soundtrack-Komponist und vor allem auch als Aktivist. Benannt nach einem CLASH-Song kümmert sich die Organisation um Strafgefangene, fördert sie mit Musikinstrumenten und koordiniert Freiwilligen-Programme. Wayne Kramer ist am 2. Februar 2024 an Krebs verstorben.
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