WATERSLIDE RECORDS

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Japans Top-Adresse in Sachen Pop-Punk

Poppiger RAMONES-Punkrock steht in Japan nach wie vor hoch im Kurs, auch wenn dort wie in Europa die Anzahl der entsprechenden Musikliebhaber rückläufig ist. Dass die Fahne in Fernost weiter hochgehalten wird, dafür sorgt auch Waterslide Records. Das nach einem Hit der DICKIES benannte Label hat seinen Sitz in Tokio und kommt bisher auf beeindruckende 190 Releases. Insbesondere junge japanische Pop-Punk-Bands finden hier eine wichtige Plattform, die auch eine internationale Verbreitung gewährleistet. Wir sprechen mit Labelboss Kazu über die Freuden und Leiden, Tonträger zu produzieren und zu vertreiben.

Wo liegen die Ursprünge des Labels?


Zusammen mit einem Freund habe ich das Label 1996 gegründet, betreibe es heute aber alleine. Ganz so einfach wie gedacht war es dann leider doch nicht, es gibt in Japan nur ein Presswerk und das ist auch noch viel zu teuer. Freunde von anderen Labels halfen uns in der Startphase, ein passendes Presswerk in den USA zu finden, und auch beim Vertrieb.

Neben dem Label gibt es auch noch den Waterslide-Mailorder.

Ja, ein Freund betreibt den Mailorder. Dort haben wir ca. 20.000 verschiedene Titel gelistet, Tendenz weiter steigend. Da die Versandgebühren in Japan noch akzeptabel sind, schicken wir unsere Platten rund um die Welt, insbesondere, seitdem in den USA die Portokosten so stark angestiegen sind. Jeden Monat versenden wir über 100 Päckchen, darüber hinaus sind wir auch Großhändler für einige Plattenläden in Japan.

Was waren die größten Erfolge und Misserfolge bisher?

Für mich ist jeder Release ein Erfolg, ich genieße jede Veröffentlichung, auch diejenigen, mit denen ich herbe Verluste einfahre. Erfolg sollte hier nicht über den finanziellen Ertrag definiert werden.

Kannst du von dem Label leben oder ist es eher ein Hobby?

Es ist unmöglich, von dem Label zu leben. Bei meinen Releases fokussiere ich mich hauptsächlich auf junge, unbekannte Bands, mit denen ich befreundet bin. Damit kannst du kein Geld verdienen. Ich stecke aber so viel Zeit und Energie in das Label, da wäre es auch unpassend, von einem Hobby zu sprechen. Ich würde es eher als Lebenswerk bezeichnen.

Pop-Punk scheint in Japan immer noch sehr populär zu sein. Woran liegt das?

In den Neunziger Jahren war Pop-Punk in Japan richtig groß. Die heutige Pop-Punk-Szene ist leider deutlich geschrumpft. Aber in der kleinen Szene ist eine große Verbundenheit zu spüren. Auf den Konzerten fließt viel Alkohol und die eingängigen Mitsing-Nummern sorgen eigentlich immer für eine großartige, ausgelassene Stimmung. Viele Japaner verstehen kein Englisch, aber gute Melodien mit eingängigen Harmonien, die einen zum Tanzen und Lächeln bringen, funktionieren trotz Sprachbarriere blendend.

Bands, die weltweit touren, berichten davon, dass Japan das einzige Land ist, in dem nach Konzerten noch mehr CDs als Vinyl verkauft werden.

Die CD ist tatsächlich noch das populärste Tonträgerformat. Japaner lieben den physischen Tonträger. Dass die CD dem Vinyl vorgezogen wird, hat auch mit der Wohnsituation in Japan zu tun. In den Städten wohnt man sehr beengt, die Häuser sind klein und wer alleine wohnt, lebt zumeist in Ein-Zimmer-Apartments, die eher an Karnickelställe erinnern. Da gibt es eigentlich keinen Platz für umfangreiche Plattensammlungen. Hinzu kommt natürlich auch noch, dass CDs deutlich preiswerter sind als Vinyl-Produktionen. Im Punkrock-Bereich bekommt man für den Preis eines Vinyl-Albums oft zwei CDs.

Du hast auf deinem Label einige CDs, die lediglich in Plastikhülle mit Papiereinleger geliefert werden. Sehr hochwertig wirkt das nicht. Steht hier rein der Preis im Vordergrund?

Nicht täuschen lassen. Meine Cardbox-Releases sind in der Produktion teurer als die Jewel-Case-CDs. Aber dafür sind die Portokosten unschlagbar. Solch einen Tonträger kann ich für 2 Euro Versandgebühren nach Deutschland schicken. Und platzsparend lagern kann man die CDs auch.

In Japan gibt es weitere Labels, die sich ebenfalls dem Pop-Punk verschrieben haben, wie Dumb, K.O.G.A. oder SP.records. Kennt ihr euch untereinander?

Bei den genannten Labels handelt es sich um Freunde von mir. Ich bin nicht mehr ganz so jung und kenne eine ganze Menge Leute, zumal die Szene ja durchaus überschaubar ist. Mit vielen Labels bin ich auch geschäftlich verbunden, weil ich ihre Tonträger in unserem Mailorder anbiete. Wir bringen auch Sachen gemeinsam raus, so werden wir in Kürze zusammen mit Dumb das grandiose neue Album von den brasilianischen FLANDERS 72 in Japan auf CD rausbringen. SP.records habe ich bei der Gründung in Fragen der Produktion und Vertrieb unterstützt.

Du hast jetzt die Chance, einige junge, aufstrebende Bands aus Japan zu empfehlen. Welche Acts haben große Chancen, demnächst groß rauszukommen?

Die japanische Pop-Punk-Szene wird zwar kleiner, aber es rücken immer wieder aussichtsreiche junge Bands nach, wobei einige Bands zwar noch neu sind, die Bandmitglieder aber nicht mehr unbedingt jung, haha. THE HUM HUMS sind unbedingt zu empfehlen, auch wenn sie schon relativ bekannt sein dürften. THE NERDY JUGHEADS waren schon gemeinsam mit JAGGER HOLLY auf Tour. Die SUSPENDED GIRLS sind zwar neu, das Durchschnittsalter liegt aber bei fast fünfzig, die werden also wahrscheinlich schon bald sterben, haha. Die SO-CHO PISTONS muss man mit ihrer fantastischen Show unbedingt live gesehen haben. Weiterhin empfehlenswert sind die TOY-POOH-DOLLS mit vier Girls und einem alten Sack sowie die GIRLFRIENDS. Weitere Empfehlungen sind FELIX!, THE CCS, WITCHCRAFT ACT, KILLERPASS, HAM HAM HAMBURGERS, PLUM CRAZYS, TRIPLE JUNK, THREE MINUTE MOVIE, LITTERS, HATEMAN, TRASHMIND, THE MSGS, THE CIMPTY’S und die SWEET CHILDREN. Die legendären WIMPY’S gibt es auch noch. Traurig ist hingegen, dass sich die großartigen PELOTAN, Japans beste RAMONES-BEACH BOYS-Kombination, aufgelöst haben. Eine ganz frische Band sind THE HATHAWAYS, deren großartiges Debütalbum bei Waterslide erscheinen wird, unbedingt antesten!

Bei Pop-Punk-Produktionen gibt es in letzter Zeit immer öfter internationale Kooperationen, bei denen Tonträger von Labels aus Europa, Nordamerika and Japan gemeinsam herausgebracht werden. Ist das aus wirtschaftlichen Gründen eine Notwendigkeit, um auf ausreichende Auflagen zu kommen?

Ich führe schon lange Kooperationen durch, schon seit den Anfängen des Labels. Es ist einfach großartig, sich die Arbeit mit anderen Labels zu teilen, die an den gleichen Bands interessiert sind. Mir geht es dabei aber nicht um meinen Profit. Sicherlich lässt sich über die Zusammenarbeit Geld sparen, es lassen sich Risiken minimieren und Promotionarbeiten bündeln, aber mir geht es in erster Linie um die Bands, und dass sie optimal betreut und gefördert werden. Wenn ich eine japanische Band zusammen mit Labels aus Europa oder Amerika promote, dann macht das die Musiker und mich einfach glücklich. Eine unserer neuesten Veröffentlichungen ist ein Album der indonesischen Band SATURDAY NIGHT KARAOKE. 2017 tourten sie durch Japan, sie waren total unbekannt. Ihr erstes Album erschien bei SP.records. Das aktuelle Album ist jetzt bei uns und bei Monster Zero rausgekommen, eine grandiose Entwicklung.

Europäische und amerikanische Bands, die durch Japan touren, sind immer ganz beeindruckt, wie minutiös geplant und perfekt organisiert dort alles abläuft.

Das ist auch notwendig. Die meisten Konzertbesucher reisen mit dem Zug an. Um dann nachts noch den letzten Zug zu erreichen, müssen sie die Clubs dann oft spätestens um 22:30 Uhr verlassen. Wenn dann die Band spät anfangen würde, könnten die Fans die Show nicht komplett verfolgen. Es macht aber auch großen Spaß, nach einem tollen Konzert gemeinsam mit dem Zug nach Hause zu fahren und sich noch über die Show sowie über Lieblingsplatten auszutauschen. In Japan ist Unpünktlichkeit ein schweres Vergehen, das lernt man bereits in der Schule. Wenn eine Band in Japan mit einer Stunde Verspätung auf die Bühne gehen würde, wäre keiner mehr da. Wenn ich als Tourmanager mit Bands unterwegs bin, gibt es für die Musiker exakte Zeitpläne, das beinhaltet sogar genaue Weckzeiten. Dann gilt es, sich daran zu halten und nicht den Rockstar raushängen zu lassen.