WAS SOLL DAS? SCHALLPLATTEN

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Schnellkurs für alle, die schon immer ihre Lieblingsmusik auf Schallplatte hören wollten

Warum gründet jemand ein überhaupt ein Label? Warum tut sich jemand diesen ganzen Stress an, Musikern tagelang hinterher zu telefonieren, verschollene Aufnahmen auf billigen Kassetten auszugraben und sich dann auch noch mit professionellen Presswerken herum zu ärgern? Die Antwort ist bei Franck Herges vom WSDP-Label sehr einfach zu beantworten: Er liebt die Musik! Er lebt diese Musik! Er macht es, weil er es machen will und es auch sonst niemand machen würde. WSDP ist ein absolut unkommerzielles D.I.Y.-Label, das sich total der NDW und der frühen, internationalen Minimal-Szene verschrieben hat. Hier werden unglaubliche und absolut hörenswerte "Schätze" aus längst eingestaubten Kartons und persönlichen Archiven der Musiker der Vergangenheit und dem Vergessen entrissen. Hier schlägt es noch, das Herz eines konsequenten Musikliebhabers, der bereit ist, für seine Liebe zu dieser Musik wirklich alles zu tun.


Um den obligatorischen Einstiegsfragenblock kommen wir beide wohl auch diesmal nicht herum. Wer also versteckt sich hinter WSDP, wann wurde WSDP gegründet und sowieso, warum macht man überhaupt Schallplatten?

Hinter WSDP stecke einzig und alleine ich. WSDP wurde 2002 ins Leben gerufen und war eigentlich nie als richtiges Label geplant. Es ergab sich so: Jörg von Kernkrach, mit dem ich seit Jahren zuvor Platten tauschte, sprach mich irgendwann mal darauf an, wie man denn eigentlich eine Schallplatte produziert. Und die Antwort lautete: "Ganz einfach! Du musst es nur tun." Da Jörg extrem auf die "alte" Neue Welle abfuhr und bei mir zu Hause etliche Tapes ungenutzt seit Jahren in einer Kiste schlummerten, habe ich einfach mal meine damaligen Favoriten zusammengestellt und ihm vorgeschlagen, dies gemeinsam als Vinyl zu veröffentlichen. Er fand die Idee klasse und so kamen wir zusammen. Allerdings schon nach dem ersten Release merkte ich, dass es sinniger ist, alles alleine weiterzumachen. Und so entstand auch schon gleich das zweite Label: Kernkrach.

"Was soll das?" ist ja auch ein Song von Herbert Grönemeyer. Diente Hörbert wirklich zur Inspiration oder was verbirgt sich wirklich dahinter?

Auf "Was Soll Das?" kam ich eigentlich nur, weil mir zu der Zeit, als ich mich mit all den Kassetten beschäftigt habe, diese Frage unheimlich oft gestellt wurde. Ganz egal, mit welchem Hintergedanken, viele meiner Bekannten verstanden das einfach nicht und daher die häufig gestellte Frage und dann auch der Name für das Label.

Was machst du denn im richtigen Leben?

Im richtigen Leben bin ich verheiratet, erwarte bald mein erstes Kind und arbeite als Verkaufsleiter in einem Autohaus. Ist zwar absolut unpunkig, aber das sind die meisten Berufe. Ich sehe diese Arbeit als notwendiges Übel, um mich und meine Familie finanziell über Wasser zu halten.

Deine "Veröffentlichungswut", wenn ich es mal so ausdrücken darf, hat ja in letzter Zeit rapide abgenommen. In den Anfangstagen kam ja fast jeden Monat ein neues Paket heraus.

Der Rückgang meiner Veröffentlichungen hat mehrere Gründe. Ein ganz wichtiger Faktor ist dabei die Zeit. Denn alleine mit der Idee ist eine Produktion noch lange nicht abgeschlossen. Da braucht es endlose Telefonate, und vor allem der Versand der Scheiben nimmt auch wieder sehr viel Zeit in Anspruch. Das alles ist nach einem normalen 11-Stunden-Arbeitstag dann irgendwann nicht mehr zu schaffen. Aber wozu auch Eile? Die Sachen, die ich rausbringe, liegen eh schon über 20 Jahre unveröffentlicht rum und da kommt es auf einen Tag mehr oder weniger dann auch nicht mehr an. Zudem gibt es ja auch mittlerweile mehrere Labels, die sich der gleichen Sache verschworen haben, und da ist es dann so schon schwer für den Käufer mitzuhalten.

Was für eine Veröffentlichungsstrategie/Konzept hast du?

Ich denke das Wort "Minimalismus" beschreibt es sehr gut. Ich betreibe einen minimalen Aufwand und versuche damit maximale Befriedigung zu erreichen. In erster Linie sollen die Bands und ich unseren Spaß daran haben. Mir kommt es absolut nicht darauf an, ob sich die Sachen verkaufen, oder nicht. WSDP ist finanziell unabhängig und bezahlt sich von alleine. Was für ein Risiko hat man schon mit solch geringen Auflagen?

Macht es sich bemerkbar, dass du viel von den alten Tommi Eckart-Produktionen veröffentlichst? Zieht der 2RAUMWOHNUNG-Werbe-Bonus oder interessiert das niemanden?

Namen sind Schall und Rauch, und die von Tommi Eckart oder Christoph Schlingensief sind keine Verkaufsgaranten und stehen schon gar nicht im Vordergrund bei einer Produktion. Dann müsste ich ja solche Aufkleber machen, "Featuring Blablabla" und so weiter, aber was hätte ich davon? 200 Leute mehr, die die Platte kaufen würden und dann enttäuscht wären, anstelle der erwarteten 2RAUMWOHNUNG-Harmonien industrielle Klangcollagen von DER KOHLENKLAU serviert zu bekommen. Nein, mich juckt das alles nicht, wie erfolgreich heute jemand ist oder nicht. Ich bewege mich labelspezifisch komplett in der Vergangenheit und da gab es keine 2RAUMWOHNUNG und keine "Chance 2000".

Wie suchst du die Musik aus, die du veröffentlichst?

Da die Sachen ja alle schon seit Jahren mehr oder weniger bei mir auf Kassetten rumliegen, muss ich ja nicht lange suchen. Mir fällt dann beim Durchwühlen wieder irgendein Song ein, der mir mal wichtig war, ich krame ihn raus, mache den Künstler ausfindig, trete mit ihm in Kontakt und die Sache läuft dann oder nicht. Ab und an bekomme ich auch Sachen zugeschickt, aber das Meiste ist davon leider nicht für mich verwertbar.

Die WSDP-Produktionen sind ja extrem limitiert, schwer zu bekommen und werden absolut nicht beworben. Steckt dahinter die totale Ablehnung oder eine bewusste Verweigerungshaltung?

Oh ja, Ablehnung ist das richtige Wort. Ich muss nichts verkaufen und muss mich auch nicht anbiedern. Und wenn die Scheiben bei mir im Keller vergammeln, drauf geschissen! Lieber nur 300 Exemplare herstellen und 500 verkaufen können als umgekehrt. Ich hätte absolut keinen Bock, meine Scheiben jemanden aufschwatzen zu müssen, nur weil die Dinger weg müssen und damit ich wieder an mein Geld komme. Und Werbung ist absolut unnütz, denn das hätte im besten Fall zur Folge, dass mehr Menschen danach fragen und diesen Aufwand könnte ich dann gar nicht mehr bewältigen. Ich mache das wie gehabt alles alleine und will diesbezüglich von nichts und niemanden abhängig sein. Und was die Verfügbarkeit meiner Platten betrifft, so braucht man sich nur auf meiner Seite umzuschauen und wird über zehn Vertriebe finden, die meine Scheiben in ihrem Sortiment führen. So ist der Kunde dazu gezwungen, die dort zu ordern und unterstützt somit wieder einen kleinen Mikrokosmos im musikalischen Untergrund, in dem er meist noch eine andere Platte von jemand anderem mitbestellt und somit nicht nur mich am Leben erhält. Ich sehe das als Multiplikator der "guten Sache". Oder ist das etwa die Antwort auf die Frage nach der Verkaufsstrategie gewesen? Ich weiß es nicht. Und was das "limitiert" betrifft, so ist das nicht ganz richtig. Ich gebe lediglich an, wie viele Exemplare ich von den einzelnen Veröffentlichungen gemacht habe, in 80 Prozent der Fälle sieht es so aus, dass sich bei einer größeren Auflage nicht mehr Menschen finden würden, die die Musik kaufen würden. Dazu ist sie zu masseninkompatibel, Randgruppen-Pop eben.

Man könnte dir ja auch vorwerfen, du produzierst für eine "Elite" und die Platten verschwinden direkt vom Presswerk in dunkle Sammlerarchive.

Diesen Vorwurf habe ich schon öfters gehört, aber es tut mir keinesfalls Leid, dass meine Sachen nicht im Media Markt zu bekommen sind. Man muss schon eine klein wenig Energie und Enthusiasmus mitbringen, um an die Scheibchen zu kommen, aber wenn sich dann jemand dafür entscheidet, dann nicht aus einer Laune heraus, sondern eher bewusst.

Was sind das für Menschen, die sich für eine Musik interessieren, die über 20 Jahre alt ist?

Ich denke, es gibt grundsätzlich zwei Kategorien. Die erste ist die, die damals selbst aktiv war und sich heute freut, dass es die Sachen endlich auf Vinyl gibt, und sie die alten Bänder jetzt in die Tonne kloppen kann. Quasi die Nostalgiker-Fraktion. Und eben die zweite, die aus den Menschen besteht, die zu spät darauf aufmerksam wurden, weil sie entweder a) noch gar nicht auf der Welt waren oder b) zu der Zeit lieber AC/DC oder KISS gehört und erst später entdeckt haben, was sie verpasst haben. Zuspätkommer eben.

Die meisten Cover sind ja im Siebdruckverfahren handgefertigt. Wie wichtig ist diese Covergestaltung für dich und für die Musik? Wer ist für die WSDP-Covergestaltung/-umsetzung verantwortlich?

Die Cover spielen bei mir nur eine untergeordnete Rolle und sind Mittel zum Zweck. Ich orientiere mich entweder an den Vorlagen der damaligen Kassetten-Produktion und übernehme diese, oder es geht das in Druck, was die Band mir zuschickt. Ich rede keinem meiner Künstler da rein, und wenn das Cover eben nur schwarz/weiß mit Schrift ist, dann ist eben so, weil die Band es so wollte. Ich denke, ein Hochglanzcover mit 10.000.000 Pixeln würde zu einer Kassetten-Wiederveröffentlichung aus den frühen 80ern einfach nicht passen. Damals gab es Kopierer und aus. Da war nix mit Photoshop und Quark-Express. Würde ich wert auf künstlerische Gestaltung legen, würde ich keine Tonträger produzieren. Bei Tonträgern steht nämlich der Ton zuerst und dann der Träger.

Haben Musiker oder Bands schon mal eine Wiederveröffentlichung von dir abgelehnt und was waren ihre Argumente?

Auch das kam vor. Im Einzelnen war das so, zum Beispiel bei Holger Kielgas, den ich nach monatelangen Recherchen endlich aufgetrieben hatte und der mich am Telefon ganz kurz und knapp abserviert hat. So von wegen: "Haste nicht Lust, den alten Kram wieder zu veröffentlichen?" und er dann: "Kein Bock, lass mich in Ruhe mit dem Scheiß!" und Hörer aufgeknallt. Oder der KÜNFTIGE MUSIKANT, der nur CDs machen wollte - hat er ja jetzt dann auch -, weil CD das Medium der Jetztzeit sei und so ein Käse.

Welche Platten/Bands/Musiker liegen dir noch besonders am Herzen und wann werden sie veröffentlicht?

Da gibt es eigentlich niemanden Spezielles. Ich möchte noch einen Saarland-Sampler machen, um dem musikalischen Untergrund meiner Heimat Tribut zu zollen. Hier gab es in den frühen 80ern eine Menge Bands, Projekte, von denen kaum jemand Notiz nahm. Nicht nur Synthie-Zeux, auch viel Punk und ein bisschen Wave. Untergrund eben, bunt gemixt, lass dich überraschen.

Bei Re-Releases fallen ja auch GEMA-Kosten an, von denen die kleinen Musiker so gut wie nichts haben und Phil Collins sich jedes Jahr eine neue Yacht kaufen kann. Wie stehst du dazu und wie gehst du mit dieser typisch deutschen Behörde um?

Bei der GEMA fallen ja auch nur dann Kosten an, sofern der Künstler überhaupt bei der GEMA gemeldet ist. Und dann bekommt er ja auch wieder sein Geld, zumindest einen Teil davon. Die GEMA ist eben ein Muss bei jeder Produktion und da gibt es auch keine Alternative. Ohne GEMA-Freigabe keine Produktion. Und ob ich mit den GEMA-Gebühren nun Phil Collins' neue Yacht bezahle oder mit meinen Steuern irgendeinen anderen Scheiß finanzieren muss ... Wie sangen die australischen CIVIL DISSIDENT so schön: "The system you hate is the system you support."

Ist es eine rein philosophische Frage, Vinyl zu produzieren?

Nein, ich bin Vinyl-Junkie und habe gemerkt, dass der andere Stoff nicht so reingeht. Platten sind eben viel geiler, runder, sexyer eben. Nicht so ein kleiner Silberling, der mir nichts, dir nichts in einer kleinen Abspielschublade verschwindet.

Wäre von der Handhabung, der Spieldauer und Verbreitungsmöglichkeit her eine CD nicht viel besser für Re-Releases geeignet?

Vielleicht, CDs sind aber weniger gefragt, was erst kürzlich die Kollegen von NLW feststellen mussten. Die haben echt tolle Sachen produziert, aber keine Abnehmer dafür gefunden. Was bei CDs natürlich von Vorteil ist, ist der sehr geringe Platz, den die Biester beanspruchen. Ein ganz klarer Pluspunkt, aber was soll das? Und was die Spieldauer betrifft, so wäre es quatsch, eine CD mit "Füllern" zuzuballern, nur damit man auch ja jede freie Speicherminute ausnützen kann. Wenn die Band nur Material für zehn Minuten hat, ist eben auch bei CD nicht mehr drin.

Warum gibt es so wenig Zusatzinformationen wie Linernotes zu den einzelnen Veröffentlichungen?

Weil die Künstler es so wollen und mir die Zeit dazu fehlt, mir jedes Mal 'ne irre Story aus den Fingern zu saugen, die ich erstmal irgendwo recherchieren muss oder sonst was. Wer mehr wissen will, soll sich einfach mit den Künstlern oder mir in Verbindung setzen, denn ginge es mir um Texte und Information würde ich ein Fanzine machen oder ein Buch schreiben.

Wie siehst du die weitere Entwicklung deutschsprachiger Musik? Es findet ja zu Zeit ein regelrechter Boom statt und wie "damals" wird alles veröffentlicht, was deutsch singt und eine Frontfrau hat.

Ja, klar, das ist die perfekte Welle. Die Geschichte wiederholt sich eben sehr gerne. Grundsätzlich finde ich es gut, dass wieder mehr deutsch gesungen wird. Eigentlich gab es das ja auch schon immer, nur jetzt ist es wieder an der Zeit, dass man damit richtig Geld verdienen kann. Was die Entwicklung betrifft, so ist heute vieles angesagt, was zuvor schon Jahre lang so im Untergrund praktiziert und erprobt wurde.

Wie groß ist der Einfluss der NDW auf die heutige Musik noch?

Ich denke, musikalisch gesehen, außer der Sprachwahl, nur wenig. Marketingstrategisch jedoch enorm, denn es wird genau nach den alten Schemen verfahren, nur noch schneller als damals in den 80ern. Heute geht es schneller aufwärts und auch deutlich schneller wieder abwärts. Die Quote der One-Hit-Wonder ist Beleg genug dafür, wie rasend schnell das gehen kann. Es geht nicht mehr um Beständigkeit und Innovation, sondern nur noch um Marketing, Erfolg und Geld - für viele zumindest.

Wie hast du die damalige NDW-Zeit erlebt? Gibt es von dir auch noch Tondokumente, die lieber im Keller vergraben bleiben sollten?

Ich habe diese Zeit damals bewusst erlebt und auch genossen. Ich habe mich gefreut, wenn im Rockpalast Bands wie IDEAL oder TRIO zu sehen waren. Zwar waren das nicht gerade meine Favoriten, aber alleine, weil es nur drei Fernsehprogramme gab, war mehr schon nicht möglich. Irgendwann war dann ja auch zum Glück alles wieder vorbei. Ich muss gestehen, ich habe zur Hochzeit der NDW mehr Punk gehört als den Wellen-Dreck, der damals im Radio zu hören war. Bands wie RAZZIA, TOXOPLASMA oder VKJ gaben mir einfach mehr als JAWOLL, Hubert Kah oder Frl. Menke. Tondokumente von mir aus dieser Zeit gibt es nicht, ich habe mich mehr auf das Hören konzentriert und fand, dass andere das Musikmachen viel besser umsetzen konnten, als ich es jemals hätte tun können.

Demnächst wird ja die erste ausländische Veröffentlichung, PSEUDO CODE aus Belgien, auf WSDP geben. Warum dieser "Stilbruch"?

PSEUDO CODE ist bereits die zweite ausländische WSDP-Produktion
und hat sich aus der tollen Zusammenarbeit mit Alain von BENE GESSERIT entwickelt. Er hatte Lust, die Aufnahmen als Vinyl zu sehen, und ich fand die Idee gut. So kam's, mehr braucht es oft nicht dazu. Gute Musik ist international und wer hat gesagt, dass Abwechslung nicht manchmal auch sinnvoll ist. Andere Mütter haben eben auch schöne Töchter, oder?

Auffallend ist ja auch, dass sich auch die anderen so genannten "NDW-Labels" umorientieren. Denkst du, die treuen Käufer werden das auch nachvollziehen können und vor allem auch mitmachen?

Es gibt nach wie vor nur ganz wenige Labels, die von damals noch übrig sind und ihrem Stil irgendwie treu geblieben sind. Außer AtaTak und ZickZack fallen mir dazu auch gar nicht mehr ein. Und dass eine Umorientierung stattgefunden hat, liegt wohl auch daran, dass man nicht ständig auf dem Retro-Trend rumreiten kann. Denn wie sagte doch einst dieser komische Greenpeace-Indianer: Erst wenn das letzte Fanzine kopiert, die letzte Kassette releast und auch die letzte Rille wieder veröffentlicht wurde, werdet ihr merken, dass die 80er längst vorbei sind.

Ein Beispiel dazu: Frank Maier von V.O.D. bringt ja 2006 viel alten Industrial von jetzt etablierten und relativ bekannten Künstlern aus den frühen Kassettentagen heraus, mit der Begründung, dass die NDW abgearbeitet sei und es verkaufstechnisch nicht möglich sei, mit "kleinen und unbekannten" Bands zu überleben. Ich allerdings finde, dass es noch Massen an interessanten Bands gibt, die es sich lohnen würde wieder zu veröffentlichen, und die Labels eigentlich auch die "Pflicht" hätten, gute und interessante Musik dem geneigten Hörer näher zu bringen.

Mag sein, dass das Verkaufen und der Absatz bei Frank Maier eine Rolle spielen, bei WSDP ist dem glücklicherweise nicht so. Ich muss meine Veröffentlichungen nicht verkaufen, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich mache das einzig und alleine aus Spaß an der Freude und mit dem Zweck, eine Kultur am Leben zu erhalten, die mir selbst schon einiges in meinem Leben gegeben hat. Für mich ist das Label nur eine Art Tribut an die Künstler, die bei mir veröffentlichen. Und was die Fülle an unbekannten Bands betrifft, gebe ich dir Recht, jedoch muss nicht wirklich alles wieder veröffentlicht werden, oder? Abgesehen davon ist WSDP ja auch noch lange nicht am Ende, und wem die eine oder andere Band noch einfällt, die sich lohnen würde, wieder ausgegraben zu werden, der soll sich doch gerne mit mir in Verbindung setzen. Oder noch besser, der soll einfach sein eigenes Label machen und die Scheibe rausbringen. Geht ganz einfach, kann jeder.

Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit V.O.D. und Kernkrach, die beiden Labels, die wir schon in den vorherigen Ausgaben vorgestellt haben. Gibt es da Konkurrenzdruck? Schnappt man sich die Sahneteilchen gegenseitig weg oder spricht man sich ab, so dass es nicht eventuell zu Doppelveröffentlichungen kommt?

Jörg von Kernkrach und ich sind seit Jahren sehr gute Freunde und
einen Konkurrenzdruck gab es nie. Ebenso verhält es sich mit Frank von V.O.D., wir telefonieren und tauschen Erfahrungen aus. Ich finde es toll, dass es mehr und mehr solcher Labels gibt, denn das war auch der Grundgedanke von WSDP: einfach zu zeigen, dass, wenn man etwas machen will, man es nur zu tun braucht. Sicherlich kam es schon vor, dass ich Sachen rausgebracht habe, die einer der beiden anderen gerne gemacht hätte, es war aber auch schon umgekehrt. Ich sehe das so, dass wir uns gegenseitig befruchten und ergänzen. Irgendwann ist eh damit Schluss, denn mehr Material als das, was es schon gibt, wird es nicht mehr geben. Da kommt kaum noch was dazu, was einem nicht schon mal über den Weg gelaufen wäre. Aber bis wir wirklich auf dem Trockenen sitzen, fällt uns schon wieder was Neues ein. Dann ist 2010 und vielleicht Zeit, die 90er aufzuarbeiten. Aber bitte dann ohne mich.

Was sagt denn deine Frau zu deinem Hobby? Schallplatten sammeln ist ja schon schlimm, aber dann auch noch den Schritt weiter zu gehen und Neue zu produzieren ...

Da habe ich Narrenfreiheit, ich bin diesbezüglich schon immer so gewesen, auch als wir uns noch nicht kannten. Es ist allerdings sehr schwer für sie nachzuvollziehen, wie man sich stundenlang solchen extremen Disharmonien aussetzen kann und daran auch noch Freude zu haben. Oftmals muss ich die Tür zumachen, wenn ich "Musik" höre, aber auch das kenne ich nicht anders. Es gab in all den Jahren selten Menschen aus meinen näheren Umfeld, die ich für die Musik begeistern konnte. Daher auch der damalige Labelname "Was Soll Das?". Was die Zeit betrifft, so teile ich mir das ganz klar ein, dass niemand zu kurz kommt, und so macht es auch weniger Stress. Es gibt oftmals Wichtigeres im Leben als Platten sammeln, Musik anhören und eMails beantworten. Zumindest wenn man mit einem weiteren Menschen zusammenlebt und diesen liebt. Es muss eben alles im Gleichgewicht sein, und solange ich das nicht übertreibe und noch genügend Zeit für die Familie habe, geht das. Zuerst kommt meine Familie und dann erst WSDP.

Welche ist die "wertvollste", rarste Platte, die du besitzt und die wahrscheinlich musikalisch so grausam ist, dass sie niemand braucht?

Ich denke, ganz oben stehen da einige Hardcore-Scheiben wie die KORO-7" oder so was wie die GENETIC CONTROL-7", beide sind aber auch richtig geil. Ansonsten trenne ich mich sehr schnell wieder von Platten, die mir nicht gefallen. Was Schrott ist, muss raus, ganz egal wie rar oder teuer.

Du sammelst also nur das, was du auch hörst und liebst. Also verstecken sich keine NENA-Platten in deinem Regal, um die NDW komplett zu haben?

Touché! Okay, ich gebe es ja zu, ich habe eine NENA-Platte in meiner Sammlung, außer den STRIPES-Scheiben, nämlich die "Nur geträumt"-7". Mehr muss ich aber davon wirklich nicht haben, und die NDW komplett zu haben, war auch nie mein Anspruch. Dann müsste ich ja all den unsäglichen kommerziellen Schrott besitzen, den ich in den 80ern schon zum Gähnen fand.

Wie bist du zu dieser Art von Musik gekommen?

Ich wurde als Elfjähriger auf die Menschen mit den bunten Haaren aufmerksam und habe sofort Kontakt gesucht und gefunden, von da an gab es kein Zurück mehr. Und über diese Menschen eben dann auch zur Musik. Schneller, lauter, härter eben. Und Sammler war ich irgendwie auch schon immer: zuerst Fußballsammelbildchen und dann eben Punkschallplatten.

Und was war die erste Platte, die du dir selber von deinem Taschengeld gekauft hast?

ABBA, die "Super Trooper"-7", wohl wegen der beiden Damen, die mir als Kind sehr gut gefallen haben.

Die Frage, auf die unsere lieben Punker schon so sehnsüchtig warten: Was hat es mit der Veröffentlichung der WSDP Numero 25 und dem 25-jährigen Bandjubiläum von EA 80 auf sich? Rausreden gilt nicht!
Also einmal die nüchternen Tatsachen auf den Tisch und dann ist gut ...


Also WSDP 25 war eine lustige Nummer. Die Elektrofreaks haben sich geärgert, weil zuviel Gitarre dabei ist, und die Punker haben sich geärgert, weil sie nix von der Platte wussten. Ich habe anfangs das Teil den Leuten aufschwatzen müssen, weil niemand das Risiko eingehen wollte, sich eine Platte zu kaufen, über die er keine Information hat oder bekommen konnte. So musste man sich entscheiden, kaufen oder eben nicht. Der Band und mir ging es nicht darum, eine Rarität zu schaffen, es war vielmehr der Versuch, etwas zu verkaufen, was keinen Namen und keine Information hatte. Lediglich Musik auf einer schwarzen Plastikscheibe in einer pechschwarzen Hülle. Wir haben die Platte bewusst am Zielpublikum vorbeiproduziert. Es war ein Spaß. Viele Leute haben sich auch beschwert, nichts von der Platte erfahren zu haben, dabei konnte man bereits Monate zuvor auf meiner Seite die Info dazu bekommen. EA 80 kenne und schätze ich sehr lange und sie waren 1985 auch auf meinem zweiten Kassetten- Sampler vertreten. Ein grausamer D-Punk-Sampler mit bekannten Größen der damaligen Szene. Der Kontakt riss irgendwie nie so recht ab und so kreuzen sich manchmal Wege und Ereignisse, mal mehr, mal weniger intensiv.

Ist die NDW zur Kunst geworden und gehört sie deshalb gleich ins Museum?

Die reine ursprüngliche NDW um Bands wie MANIA D, DAF, DER PLAN und so weiter war sicherlich eng mit der Kunst verknüpft und wäre ohne diesen Bezug auch teilweise nicht so möglich gewesen, wie es sich dann später auch ereignet hat. Ins Museum wird so was sicherlich auch irgendwann mal kommen, aber an was wird man sich mehr erinnern? An Markus, NENA und die gestreiften Hosen, oder an die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN, PALAIS SCHAUMBURG und die Fahrt mit dem Mofa durch das Wohnzimmer und wieder zurück? Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass Labels wie Kernkrach, V.O.D., WSDP, und wie sie alle heißen mögen, dem Trend des Vergessens etwas entgegensetzen, indem sie diese Art der Verknüpfung von Kunst und Musik sozusagen künstlich beatmen und durch ihre Veröffentlichungen am Leben erhalten.

Wie sehen die Vertriebsstrukturen von WSDP aus?

WSDP wird über kleine Vertriebe gehandelt. Ich habe sehr viele Freunde in Japan, den USA und dem benachbarten Ausland, die mir regelmäßig meine Produkte abnehmen. So wird diese Art der Kultur auch in andere Länder transportiert, denn man soll es nicht glauben, aber die deutschsprachige Musik wird auch von Fans im Ausland gerne gehört. Ich würde nur zu gerne mal dabei sein, wenn Menschen in Japan versuchen, bei den Songs mitzusingen. Karaoke und so. Vielleicht gibt es das ja auch schon ... Auf jeden Fall sind meine Veröffentlichungen fast alle am Tag des Erscheinen verpackt und verteilt und auch verkauft. Das hat sich im Laufe der Jahre so eingespielt, und wenn die Platte nicht allzu schwer verdaulich ist, klappt das auch immer.

Wie bereitest du die Musik für eine Veröffentlichung auf? Die meisten
Aufnahmen sind ja schon recht alt und auch die damalige Aufnahmequalität und das genutzte Equipment entsprechen ja nicht ganz den heutigen technischen Standards und Hörgewohnheiten.


Hier gibt es wieder zwei Möglichkeiten, entweder die Band liefert das neu gemasterte und aufbereitete Material oder ein Freund von mir bearbeitet es an seinem Rechner. Geld für Studio und anderen Schnickschnack ist nicht. Lieber gute Musik in schlechter Qualität als schlechte Musik in guter Qualität, oder?

Das sehe ich nicht so! Man sollte sich schon richtig Mühe geben, die Musik aufzuarbeiten, denn es ist und wird wahrscheinlich das letzte Mal sein, dass diese wieder veröffentlicht wird, und später ärgert man sich doch, wenn die Platte "bescheiden" klingt. Da tut man sich und dem Künstler doch keinen Gefallen mit, oder?

Ja, du hast Recht. Aber was soll ich tun, wenn selbst die Band nicht einmal mehr irgendwelche brauchbareren Aufnahmen besitzt? Sie noch mal nach 25 Jahren ins Studio zerren, um die Songs noch mal neu einzuspielen? Vergiss es. Und wenn es eben zu sehr rauscht und leiert, lass ich es bleiben, geht dann eben nicht. Halbwegs hörbar sollte es schon sein.

Wenn ich mich recht erinnere, produzierst du im Gegensatz zu deinen Kollegen ja keine Compilations mehr, obwohl es sich ja bei der Fülle an unbekannten Bands weiterhin anbieten würde. Wie kommt das?

Was Sampler betrifft, so ist damit meist eine Heidenarbeit verbunden, und dazu fehlt mir wie so oft die Zeit. Denn einen Sampler gänzlich ohne Infos rauszubringen, taugt nix. Daher lasse ich es lieber bleiben oder bereite mich ausgiebig darauf vor. Ich hatte mal die Idee einer Label-Compilation für all die Zuspätkommer, so richtig auf CD mit Booklet und so, aber warte es mal ab, vielleicht klappt das ja irgendwann mal. Ich bin ja noch jung und in nächster Zeit stehen erstmal wieder nette Platten von folgenden Künstlern vor der Tür, auf die ihr euch freuen dürft: DILEMMA, HESSEN GANZ GROSS, BODENPERSONAL, ZIMT und Max Goldt.

Deine ewigen Top Five für die berühmt-berüchtigte einsame Insel:

GRAUZONE"s/t" LP; V.A. "Cleanse The Bacteria" LP; MOSS ICON / SILVER BEARING Split-LP; STIFF LITTLE FINGERS "Inflammable Material" LP; PADELUUN "Keine Platte".