WARLOCKS

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The „less is more“ theory

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „Phoenix“ einen Bericht in einem kleinen englischen Magazin gelesen habe, in dem man dem Werdegang von Frontmann Bobby Hecksher eine ganze Seite widmete. Ich mochte das von Mute Records vertriebene Album, dieses Zusammenspiel von Melodien, die in einer hinreißenden Form an VELVET UNDERGROUND erinnern, gekoppelt mit den tanzbaren, kontemporären Rhythmen des Rock’n’Roll. Die WARLOCKS gibt es in der Konstellation zwar noch nicht lange, aber in der kurzen Zeit haben sie ihren ganz eigenen Stil kreiert und sich, wie es auch bei dem Interview rauszuhören ist, weiterentwickelt. „Surgery“ ist nun seit gut einem halben Jahr auf dem Markt, immer noch der WARLOCKS-Sound, nur anders. Bis dato wusste ich nicht, dass bei der siebenköpfigen Band gleich zwei Drummer am Werk sind, und wie die Band an sich überhaupt funktionierte bei dieser außergewöhnlichen Zusammenstellung. Im Herbst letzten Jahres hat sich Drummer Jason Anchondo dann nach einem gelungenem Konzert darüber ausgelassen.

Ihr seid zu siebt und habt ein Line-up mit zwei Drummern, wie funktioniert das alles bei euch?


Mit dem Line-up hat es bis jetzt noch nie Probleme gegeben. Ich würde eher sagen, dass es mehr Vorteile hat. Was die zwei Drummer angeht, ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, in einer Band nur mit einem Drummer zu spielen, auch wenn wir beide exakt denselben Part runterklopfen. Es erzeugt in erster Linie mehr Krach, und das ist gut. Wenn man genauer drüber nachdenkt gibt es eine Menge Bands, die zwei Drummer haben. Die DIRTBOMBS, THE GRATEFUL DEAD und PINK FLOYD hatten eine Zeit lang ebenfalls zwei. Das führt natürlich optisch zu einem etwas unvertrauten Bild, aber sonst ... Und hey, wir haben sogar schon mal zu dritt an den Drums gesessen, mit dem Schlagzeuger von INTERPOL. Mit den drei Gitarristen läuft es ähnlich. Das Wichtigste wird dargeboten, damit der Song Anfang und Ende hat, aber alles, was unnötig ist, wird rausgelassen – weniger ist mehr. In einer Gruppe von sieben Leuten musst du sehr gut einstecken können, auf alle Kompromisse eingehen. Es geht vor allem darum, irgendwie eine Balance zu finden, in der man mehr oder weniger vernünftig arbeiten kann. Du hast sechs verschiedene Charaktere um dich rum, das ist natürlich eine Herausforderung. Bis jetzt hat es aber ganz gut geklappt. Wenn du dir überlegst, dass man eigentlich einfach nur Musik zusammenmachen könnte, weil man davon ausgeht, unheimlich talentiert zu sein, aber nicht den blassesten Schimmer hat, wie der andere tickt, vergiss es. So was klappt nicht. Dazu ist das Leben, das man auf Tour führt, viel zu dynamisch, es passieren eine Menge Sachen, die ziemlich seltsam sind. Zum Glück verstehen wir uns alle, wir kennen uns schon mehrere Jahre, aus Plattenläden oder von Partys, wo man sich über andere Freunde kennen gelernt hat. Das bewirkt von vornherein einen stärkeren Zusammenhalt – die Geschmäcker sind zwar teilweise verschieden, der eine hört vielleicht lieber Punk, der andere meinetwegen auch Hip-Hop –, aber es existiert schon so eine Art Basis, auf der man aufbauen kann.

Gibt es eine bestimmte Linie, die ihr musikalisch verfolgt?

Das ist schwer zu sagen ... Nein, ich finde nicht dass wir uns über so was jemals Gedanken gemacht haben, der Sound entsteht einfach. Man entwirft unbewusst im Kopf vielleicht eine bestimmte Atmosphäre oder ein Gefühl, welches von dem Song ausgehen soll, aber da jeder etwas zu den Songs beisteuern kann, ist es immer ein großes Experiment, im Studio fällt das wahrscheinlich mehr auf als auf der Bühne, wo wir uns natürlich irgendwie aufeinander einspielen müssen. Auf jeden Fall würde ich sagen, dass unser Sound meistens leise anfängt und in einem feinen, höllisch lauten Szenario endet. That feels good! Hauptsache man klingt nicht wie eine dieser Four-Man-Bands, du weißt, wenn du deren Platten hörst, sofort, wo sie ihre Einflüsse her haben, deswegen werden sie auch mit einer großen Anzahl anderer Bands verglichen. Wenn man Musik hört und weiß, da ist zwar irgendein Einfluss, aber es kommt einem nicht in den Kopf, von welcher verdammten Band der kommt, dann hat man schon was erreicht. Ansonsten endet man wohl eingezwängt in irgendwelche merkwürdigen Klamotten und noch mit noch viel schlimmeren Haarschnitten. So was kann nicht lange durchhalten. Wahrscheinlich heißt man dann noch „Bleeding Robot“, das würde sehr gut zu einer dieser Emo-Combos passen ...

Hast du schon vor den WARLOCKS Musik gemacht?

Ja, ich war in ein paar Bands, meistens haben wir Sachen gecovert – von den BUZZCOCKS oder den KINKS. Wir waren ein Haufen junger Typen, die Spaß daran hatten, ein bisschen rumzuspielen. Als wir bei unserem ersten Hinterhof-Label einen Vertrag bekamen, waren wir echt stolz. Wow, mein Name steht auf einem Plattencover – das war das Größte zu diesem Zeitpunkt. Dann habe ich in ein paar Rock’n’Roll-Bands gespielt und irgendwann ein Jahr Pause gemacht, um mich nur aufs Schlagzeugspielen zu konzentrieren.

Inwiefern ist eure Show improvisiert?

Das ist jedes Mal anders. Das Set, das Bobby aufstellt, ändert sich von Tag zu Tag. Bei den längeren Songs, die über sieben Minuten gehen, improvisieren wir wohl am meisten, je nachdem, wie die Leute dazu abgehen und ob es gelingt, die passende Atmosphäre zwischen uns und dem Publikum zu schaffen. Es fällt einem selber aber kaum auf, wenn man Lieder schon hundertmal gespielt hat. Ich glaube, früher haben wir uns um so etwas mehr Gedanken gemacht, aber im Grunde genommen lassen wir die Songs ineinander fließen und es ist gut zu sehen, wenn sich ein Lied in eine komplett andere Richtung entwickelt, während wir es spielen.

Ihr kommt ja aus Los Angeles und habt dort angefangen, Konzerte zu geben. Hat sich in der Szene seitdem was verändert?


Es gab eine Szene mit einer Menge Künstler, aber es war nie so, dass man ständig zusammen Zeit verbrachte. Das hat sich erst vor kurzem entwickelt. Viele Musiker, die in L.A. wohnen und dort angefangen haben, Musik zu machen, sind untereinander befreundet. BRMC zum Beispiel, die wir auch auf ihrer Europatour begleitet haben. Wir haben beide eine ähnliche Fanbase, spielen beide lieber außerhalb, in Orange County zum Beispiel, wo wir wissen, dass die Leute total drauf abfahren und man eine gute Party schmeißen kann. Shows in einem kleinen Kreis sind sehr viel ausgelassener, in L.A. und in den anderen großen Städten ist der Hype viel zu groß und eine Szene kann sich nur im Untergrund richtig gut entwickeln. In New York oder Chicago stellen die Leute viele Ansprüche, die man gar nicht erfüllen möchte, weil man sich, ohne es zu wollen, in eine dieser Klischee-Bands verwandeln würde. Ich finde, dass sich vor allem die Einstellung der Kids verändert hat. Früher kamen die Kids aus dem Grund auf die Konzerte, um einen netten Abend mit Rock’n’Roll und ein paar Freunden zu haben – jetzt interessiert nur noch, was die Band für Klamotten trägt. Wie cool, das kauf ich mir auch und mach Musik. Fuckin’ little idiot kids, die haben keine Ahnung.