Man kann über diese Ossis sagen, was man will, aber Metal können sie. WALKING DEAD ON BROADWAY haben gerade eine turbulente Zeit hinter sich – neuer Sänger, neues Album, neues Label. Wir haben uns mit Neuzugang Nils und Gitarrist Micha über die Neuerungen in der Band unterhalten.
Ihr habt euch vor nicht allzu langer Zeit Nils als neuen Sänger ins Boot geholt. Was war der Grund dafür?
Micha: Da gab es einige Gründe. Den Details werden wir uns nicht widmen, aber um es auf den Punkt zu bringen: Es hat musikalisch einfach nicht mehr so wirklich zusammengepasst. Man hat sich dadurch auch innerhalb der Band mehr und mehr voneinander entfernt, so dass dann beidseitig der Entschluss gefasst wurde, dass wir keinen Weg mehr gemeinsam gehen werden. Und da kam Nils ins Spiel, der mit uns gleich am neuen Album gearbeitet hat.
Nils, welchen musikalischen Hintergrund hast du? Warst du schon vorher mit den Jungs befreundet?
Nils: Ich habe noch eine zweite Band namens BEYOND THE SETTING SUN, die eher aus der Djent-Ecke kommt. Ich mache da viel Cleangesang und habe mich tatsächlich auch viel mit klassischer Musik beschäftigt. Die Jungs von WALKING DEAD ON BROADWAY habe ich damals bei einem gemeinsamen Gig kennen gelernt. Die Vocals zum ersten Album von BEYOND THE SETTING SUN haben wir bei Max, dem anderen Gitarristen von WALKING DEAD ON BROADWAY, aufgenommen und so hat sich das Ganze dann eben angebahnt.
Micha: Du hattest ja mit Max auch mal eine Zeit lang eine WG.
Nils: Genau, wir haben ein Jahr zusammengewohnt und in der Zeit auch das besagte Album aufgenommen. Mit Max habe ich auch ab und an Songs gecovert und musikalisch ein wenig experimentiert.
Euer kommendes Album heißt „Dead Era“. Ist der Titel in gewisser Weise politisch motiviert?
Nils: Der Titel stand schon, als ich eingestiegen bin, und der Reim, den ich mir darauf gemacht habe, war, dass man das Ganze schon politisch deuten kann. „Dead Era“ ist zwar kein Konzeptalbum, aber thematisch bezieht es sich auf das Ende der Geschichte. Man hat mittlerweile das Gefühl, sich in einem geschichtsleeren Raum zu bewegen, in dem Dinge einfach nur so passieren und kein narratives Integral oder Systemlogik mehr vorhanden zu sein scheint. Trotzdem hat die bisherige Geschichte ein paar Leichen im Keller hinterlassen und damit beschäftigt sich das Album.
Micha: Für uns steht der Titel zum einen für das, was mit Robert war. Wir haben uns voreinander getrennt und alles Bisherige hinter uns gelassen. Außerdem bewegen wir uns mit dem Album das erste Mal vom Deathcore weg, worauf man den Titel „Dead Era“ ebenfalls münzen kann. Wir machen zwar immer noch harte Musik, aber nicht mehr so wie am Anfang. Bei unserer Gründung ging es nur darum, Deathcore zu machen und wenn uns jemand als Metalcore-Band betitelt hat – das ging ja gar nicht. Das ist uns jetzt komplett egal. Wir machen einfach nur Metal und dafür steht der Titel auch. Aber wer weiß, das Kapitel Deathcore ist noch nicht komplett geschlossen.
Wo kommt dieser neue Stil her? Gab’s bei euch neue Einflüsse, eventuell durch Nils?
Micha: Ich denke, wir haben schon immer das gemacht, worauf wir Bock hatten. Bei „Aeshma“ war zum Beispiel das allererste Mal ein Instrumental drauf. Auf „Slaves“ haben wir das noch erweitert mit Songs wie „Pitchblack“, wo wir den ersten melodischen Refrain hatten. Mit „Dead Era“ sind wir noch einen Schritt weitergegangen. Wir haben alle verschiedene Einflüsse, von klassischer Musik und Filmmusik bis hin zu HipHop und Rock. Das Album ist ein Produkt des No-Border-Denkens – einfach machen, worauf man Lust hat. Wir haben nichts aussortiert, weil es nicht hart genug ist. Es hat sich einfach richtig angefühlt und wir haben uns gesund dorthin entwickelt.
Vor kurzem wurdet ihr von Long Branch Records unter Vertrag genommen. Was ändert das für euch?
Micha: Dazu kann ich aktuell noch relativ wenig sagen. Wir haben bei Nuclear Blast für eine Option unterschrieben, haben dann aber parallel noch von Long Branch ein Offer bekommen und das war einfach super. Dann wurde hier und da etwas koordiniert und letztendlich sind wir dann zu Long Branch Records gegangen. Ich kann nur sagen, dass das Team voll hinter uns steht und uns so viele Türen öffnet wie nur möglich. Genaueres wird sich aber natürlich erst in Zukunft zeigen.
Ihr startet Ende des Jahres eine Tour in Japan. Was erhofft ihr euch davon?
Micha: Wir waren als Band noch nie auf einem anderen Kontinent und besonders Japan ist da eine sehr ... weite Geschichte. Wir haben einfach ein Angebot bekommen, weil die Promoterin wohl ein sehr großer Fan von uns ist und uns unbedingt mal in Japan haben wollte. Das passt natürlich optimal mit dem neuen Release. Wir erhoffen uns davon natürlich genauso gute Shows wie hier und dass wir ein paar neue Fans dazugewinnen können.
Nils: Ich bin vor allem gespannt darauf, wie die Leute allgemein auf unsere Musik reagieren und wie die Dynamik bei den Shows sein wird. Ich war auch noch nie dort und kenne mich mit der japanischen Metal-Szene absolut nicht aus. Vielleicht lernen wir dabei ja auch etwas über uns selbst.
Apropos Fans: Ihr wart dieses Jahr auf Wacken und habt bestimmt auch euren neuen Song „Hostage to the empire“ gespielt, oder? Wie war die Resonanz der Fans?
Micha: Ja, den haben wir gespielt und außerdem noch „Gospel of the kingdom“ und „Song of courage“.
Nils: Ich hatte das Gefühl, dass die Fans das sehr wohlwollend aufgenommen haben. Einige Parts haben mehr Reaktionen ausgelöst, manche weniger, aber ich glaube, die meisten fanden es echt gut.
Micha: Generell ist die neue Musik in meinen Augen gut angekommen – sei es auf Facebook, Instagram oder live. Ich war ehrlich gesagt auch überrascht, dass so viele Leute zu unserem Auftritt gekommen sind.
Abschließende Frage: Wenn ihr „Dead Era“ mit einem Film vergleichen würdet, welche wäre es und warum?
Micha: Das ist so ’ne Frage, wo mir erstmal nur Müll in den Kopf kommt. Der Film „2012“ wäre definitiv zu flach.
Nils: Vielleicht irgendwas, das mit unaufgearbeiteten Erinnerungen zu tun hat. Eventuell wäre „Blade Runner 2049“ eine Möglichkeit. Das passt, denke ich, ganz gut von der Grundstimmung her.
Micha: Ich habe ihn noch nicht gesehen, aber wenn Nils das sagt, vertraue ich ihm mal.
© by Fuze - Ausgabe #72 Oktober/November 2018 und Philip Zimmermann
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