Eine außergewöhnliche, gar besondere Band machen vor allem zwei Dinge aus: Leidenschaft und der Mut, auf das zu scheißen, was gerade angesagt ist. Und wenn man dann noch ein Debüt veröffentlicht, das die Lücke zwischen den guten alten Alben von damals schließt, sollte das viele Leute glücklich machen. Schön zu sehen, dass VS.ROME mit der bisherigen Entwicklung ihrer Band verdammt glücklich sind. Wenn „The End Is Important In All Things“ auf Artic Rodeo als die neue Post-Hardcore/Mittneunziger Emo-Reminiszenz veröffentlicht wird, darf man auf einiges gespannt sein. Vor allem wird man aber begeistert sein.
Wenn Leute aus dem Musikgeschäft selbst eine Band gründen, kann das mehrere Gründe haben. Erstens: Sie haben gesehen, wie man es richtig macht, und wollen sich jetzt selbst versuchen. Zweitens: Sie wollen einer Band huldigen. Drittens: Musik ist ihre größte Leidenschaft und es gibt schließlich nichts Schöneres, als selbst so zu klingen, wie eine Band schon immer klingen sollte. Bei VS.ROME sind es vor allem Ersteres und Letzteres.
„Da wir fast alle auch beruflich mit Musik zu tun haben, haben wir uns sehr intensiv mit der Musik auseinander gesetzt, die wir jetzt machen – und das nicht erst seit einem Jahr“, erklärt Philipp Welsing, einer der beiden Gitarristen der Dortmunder Band. Man spürt Unverkrampftheit, dieses „Können, aber nicht müssen“, mit dem Sänger Benjamin Mirtschin, Bassist Menny, Schlagzeuger Eike Jamelle und die beiden Gitarristen Philipp und Arne Jamelle an ihre Musik herangehen. Jedoch musste sich auch VS.ROME erst finden: Nachdem die Musiker allesamt in anderen Bands musikalisch unterwegs waren (unter anderem ANDORRA ATKINS und SPEEDWAY 69) entstand die Idee, zusammen die Musik zu machen, die seit Jahren in ihnen steckte. Dann ging eigentlich alles recht schnell: Der musikalische Nenner war ja eh schon gefunden und menschlich lag man auch auf einer Wellenlänge. Also schrieb man Songs und nahm diese auf. Dass dabei Kurt Ebelhäuser helfend zur Seite stand, ist eine nette Randnotiz. Der erste einschneidende Wechsel stand da jedoch schon kurz bevor. Woran andere Bands scheitern, daran sind VS.ROME gewachsen: Sie mussten den Sänger auswechseln. Eine schwierige Aufgabe hatte nun vor allem Benny, der die klaffende Lücke schließen sollte: Er musste Situationen nachempfinden, in denen er nicht gesteckt hat. Philipp: „Die Songs auf unserem Debüt haben wir samt Texten mit unserem ehemaligen Sänger geschrieben. Für Benny ist das sicherlich nicht einfach.“
„Da ich immer eine relativ weite Anreise zum Proben habe, hörte ich mir die Songs der Jungs samt den Texten immer im Auto an. Dort hab ich dann versucht, hinter die Texte zu kommen und mich auf die Suche nach den Gefühlen gemacht. Ich habe mich wirklich intensiv in die Sache reingedacht, so dass ich irgendwann dachte, ich hätte das alles erlebt. Und vor allem habe ich viel hineininterpretiert. So dachte ich bei einem Song, dass da ein Mord beschrieben wird und es um die Verzweiflung hinter dieser Tat geht. Es hat sich herausgestellt, dass es jedoch als ein Liebeslied gedacht ist“, erklärt Benny. Die Interpretation der Songs und die Verbindung mit den eigenen Gefühlen ermöglicht es dem Sänger, auch auf der Bühne authentisch zu sein.
Schließlich ist VS. ROME keine Band aus der Retorte, in der es darum geht, anderen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Aus diesem Grund ist auch die Kombination zwischen VS.ROME und dem Plattenlabel Artic Rodeo so sympathisch. Neben Bands wir FAR, SOLEA, Walter Schreifels und nun auch den alten Emo-Helden JOSHUA passt die erste deutsche Band seit sehr langer Zeit auch perfekt ins Bild. „Für uns stimmt vor allem das Menschliche. Die Jungs von Artic Rodeo stecken sehr viel Herzblut in die Sache, sowie in die Bands. Und nebenbei sind sie noch verdammt super Typen. Obwohl Frederic sich von unserem letzten gemeinsamen Treffen ein paar Tage erholen musste“, lacht Arne. Und wieder spürt man die Leidenschaft und die Hingabe, die hinter dem stecken, was die fünf anfangen. „Es ist uns bewusst, dass wir nicht Millionen Alben verkaufen werden, aber wenn uns jemand anbietet, unsere Sachen auf Vinyl rauszubringen, bin ich hin und weg“, outet sich Philipp als Vinyl-Fan.
Lässt man sich auf VS.ROME ein, kann man eine gehörige Portion des guten alten Post-Hardcore erwarten. Schublade auf: Neben ... TRAIL OF DEAD muss SONIC YOUTH ein bisschen Platz machen, und POSION THE WELL werden in ihrer neuen „The Tropic Rot“-Heimat auch ein bisschen zusammenrücken müssen – genau wie THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY. Dumm nur, dass man die beiden Schubladen dann doch nicht wieder zubekommt. Nicht nur das technisch perfekt gespielte Schlagzeug von Eike machen es schwer zu sagen: „Ja, das klingt genau wie ...“. Auch die Gitarrenarbeit und natürlich der Gesang von Benny klingen wie selten gehört. Wie gut, dass hinter all dem eine Band steckt, die weiß, was sie tut, und auch mit „I’m thinking: no!“ einen Riesen-Hit am Start hat.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #96 Juni/Juli 2011 und Sebastian Wahle