VENTIL VERLAG

Foto

20 Jahre punkaffine Popkultur

1991 besuchten Uschi und ich in einem idyllisch an den Weinbergen gelegenen Einfamilienhaus nahe Mainz einen bebrillten 21-Jährigen, der aus seinem Elternhaus heraus einen Fanzine-Mailorder betrieb und damals schon ein alter Hase im Fanzine-Geschäft war. Mit seiner Band DRAMA war er damals auf der 7“ zu Ox Nr. 10 zu hören, es gab eine Art Release-Party. Jens Neumann, so sein Name, verkaufte das Ox, so wie er Jahre zuvor Uschis Fanzine verkauft hatte, wir hatten immer Kontakt – und als er uns 1996 vorschlug, unsere vegetarische Ox-Rezeptsammlung als Buch zu veröffentlichen, war damit einer der Grundsteine gelegt für das, was 1999 als Ventil Verlag das Licht der Welt erblickte, sich in den folgenden zwei Jahrzehnten zu einem der profiliertesten punkaffinen Popkulturverlage entwickelte und 2019 den 20. Geburtstag feierte. Ehrensache, dass ich mit Jens Vergangenheit und Gegenwart diskutierte. Ergänzend wurde Ventil-Teilhaber Jonas Engelmann von Salvador Oberhaus interviewt.

Ventil hat jüngst 20. Geburtstag gefeiert, doch du hast eine weit länger zurückreichende Vergangenheit, schon Mitte der Achtziger hast du dich in der Fanzine-Szene bewegt.


Punk ging bei mir mit 14 los, und mit 16 dann, 1986, fing das mit den Fanzines an. Damals gab es eine Aktion namens „Pogo 86“, und die hat mich und einen Freund animiert, auch aktiv zu werden. Zudem hatte mein älterer Bruder Endie schon ein Fanzine gemacht, da musste ich natürlich auch eines machen. Trümmerhaufen hieß das Fanzine. Eine Band musste man dann natürlich auch machen, und so fing ich an, in dem Heft Song- und Gedichttexte zu veröffentlichen, was ganz gut ankam. Und so habe ich dann begonnen, ein Literatur-Fanzine zu machen, das hieß Ikarus. Das entwickelte sich dann, es gab Beiträge von Comiczeichnern und Illustrationen – das eine kam zum anderen, der kannte den, und so weiter. Ich begann dann nach dem Zivildienst und während meines Studiums in einem Copyshop zu arbeiten, konnte da natürlich viel für mich selbst machen, lernte Bücher zu binden. Und so veröffentlichte ich dann ein paar Gedicht- und Kurzgeschichtenbände. Der Verlag dazu hieß Ikarus Verlag.

Und dann gab es noch den DLR-Vertrieb – DLR, stand für „Die letzte Rettung“.

Genau, und das hatte auch was mit Konkurrenz unter Brüdern zu tun. Mein Bruder hatte und hat den Platten-Mailorder Suppenkazper, und ich machte dann eben einen Fanzine-Vertrieb, stellte mich mit einer Fanzine-Kiste auf Konzerte. Das wurden dann immer mehr, man kam mit anderen Fanzinern ins Gespräch, und so lernte ich dann auch Uschi kennen.

Uschi Herzer, meine Frau, die lange vor dem Ox schon das Fanzine „Sie trägt rote Pyjamas“ machte.

Ja, ich glaube, das war in Taunusstein oder Mannheim oder Ludwigshafen, wo ich sie erstmals traf. Sobald der erste von uns den Führerschein hatte, fuhren wir ja überall in der Region auf Konzerte. Und die eigene Band kam ja auch noch dazu – und das alles auf der Do-it-yourself-Schiene.

Das klingt eher nach Bildungsbürger-Punk als nach Bierflaschen zerschmeißendem Fußgängerzonen-Punk.

Ich war eher der von EA80-Martin besungene kleine Punk mit Brille.

Du bist im Speckgürtel von Mainz aufgewachsen, und da war Ende der Achtziger durchaus was geboten. In Nieder-Olm gab es ein Jugendzentrum, in dem alle wichtigen tourenden Bands spielten, Martin Büsser wuchs in der Gegend auf, und mit Your Choice von Toby Holzinger gab es ein Label, das coole Live-Platten veröffentlichte.

Bei Tobys Mutter im Keller haben wir mit unserer Band geprobt und hingen da rum, im Juhubu-Haus in Nieder-Olm konnten wir Konzerte machen. Ich war kürzlich noch mal dort und konnte nicht glauben, wie klein das ist, dass wir da mit so vielen Leuten drin waren – 150, 200 Leute waren das! Toby machte da viele Shows, ich stand auch mal an der Kasse, man half, ich baute da meine Fanzine-Kiste auf. Es war eine Kultur da bei uns auf dem Land, die uns viel Sicherheit gegeben hat und die Möglichkeit, selbst was zu tun. Es war eine Szene, aus der viel entstanden ist. Wir hatten Kontakte eher nach Bingen als nach Mainz, da gab es für uns damals nicht viel. Wir waren selbst der Mittelpunkt unserer Welt und fuhren durch die Gegend. Rückblickend war die Szene der Achtziger und Neunziger eher dörflich und kleinstädtisch als großstädtisch. Konzerte waren in Taunusstein bei Wiesbaden und nicht in Wiesbaden, zum Beispiel.

Was hat dich am Gedruckten, am Verlegen gereizt, als das mit den Möglichkeiten im Copyshop dann mehr wurde?

Das Schöne war, dass man es einfach selber machen konnte. So wie man Musik selbst veröffentlichte und vertrieb, machte ich das dann eben mit Büchern, nur dass es das bis dahin kaum gegeben hatte in der Szene. Martin Büsser hatte zu jener Zeit schon testcard gegründet, stand mit seinem „If the kids are united“-Buch da, und ich sagte dann, lass uns das doch einfach selbst machen – 300 Stück im Copyshop, das war der Anfang, 1995. Das lief dann über die gleichen Kanäle wie die Fanzines. Davor hatte ich mit den Lyrikveröffentlichungen im Ikarus Verlag schon gelernt, wie das mit den ISBN-Nummern funktioniert, damit die Bücher bestellbar und erhältlich sind. Kontakte und Wissen hatten wir also schon und waren dann ganz erstaunt, dass wir tatsächlich Bestellungen von Buchläden bekamen. Nachts sprang dann immer das Faxgerät an ... Ich musste lernen, Rechnungen zu schreiben und all so was! Ja, und dann kam ja auch bald euer Buch ...

Das erste Ox-Kochbuch, genau. Das kam 1997.

In der Zeit kam dann auch das erste Buch von Lee Hollis, „Driving in a Dead Man’s Car“, den hatten wir gefragt, ob er nicht ein paar Geschichten schreiben und vorlesen wolle. Wir luden ihn nach Mainz ein, wo er im Vorprogramm von Lydia Lunch las. Das war seine erste Lesung überhaupt, die Texte hatte er in den Nächten davor geschrieben. Das Buch war auf Englisch, wir machten uns keine Gedanken um Konventionen, ob sich etwas verkaufen kann. Wir fanden es gut, also haben wir es veröffentlicht. Die nötigen Kontakte hatte ich durch die ganze Fanzine-Sache – zur Hochzeit des Vertriebs hatte ich tausend verschiedene Fanzines im Angebot. Martin und Lee waren damals zusammen auf Lesetour, in den gleichen Läden, wo sonst Konzerte stattfanden – das gab es davor auch nicht. Und dann eben das Ox-Kochbuch – einfach weil wir Lust hatten und es konnten. Lees und Martins Buch und das Ox-Kochbuch, die sind die Keimzelle des Ventil Verlags, der damals ja noch Verlag Jens Neumann beziehungsweise Dreick Verlag hieß.

Bald kamen dann weitere Leute hinzu, das neue Ding wurde Ventil genannt. Wer kam dazu, wie kam es dazu?

Erst mal ging das ja noch etwas weiter, ich machte das von meiner Zweier-WG aus, und als mein Mietmieter dann auszog, nutzte ich das Zimmer als Büro und Lager. Zuerst half mir dann Gunther Weinell, bald kam Martin Büsser hinzu, dessen testcard-Reihe wir dann vertrieben. Das waren die ersten Schritte zur Zusammenlegung, das Nutzen von Synergieeffekten. Zu der Zeit war Oli Schmitt gerade mit der Uni fertig als grafischer Gestalter, layoutete seine ersten Bücher, und der hatte einen ähnlichen Hintergrund wie wir, also Haus Mainusch in Mainz und so. Da kam dann die Frage auf, ob wir das nicht alles mal zusammen machen sollten, offiziell angemeldet und so. Das waren ja mittlerweile auch ein paar Bücher mehr, die wir verkauften, das ging nicht mehr von meiner Wohnung aus. Es gab dann ja auch noch das Literaturfanzine Ventile von Markus Weber, und von dem kam der Name. Ventil gefiel uns gut, der Verlag ist eben unser Ventil für alles, was wir wichtig finden. Zu all dem gibt es eine Menge Nebenstränge, etwa die Mainzer Minipressen-Messe in den Neunzigern. Später kam dann noch Theo Bender dazu mit seinen filmwissenschaftlichen Büchern. Auch ein Mainzer, und der Einzige von uns, der das mit den Büchern mal gelernt hatte als ausgebildeter Buchhändler. Damit waren wir dann erst mal komplett, hatten in einem Hinterhof in der Mainzer Altstadt unsere Räume und ließen sich das so entwickeln. Was wir nie gemacht haben: einen Plan. Wir haben nie ein Manifest geschrieben, hatten nie die Illusion, wir wollen jetzt davon leben und nehmen einen Bankkredit auf, das muss jetzt klappen, das wird das nächste große Ding. Unausgesprochen war allen klar, dass wir mit dem Verlag nie ins Risiko gehen wollen. Vor allem den Stress, dann von einer Veröffentlichung bestimmte Mengen verkaufen zu müssen, wollte keiner. Stattdessen sind wir stolz, dass sich das Ganze nach und nach immer mehr getragen hat. Und jeder hat eben auch ein bisschen davon profitiert, Oli etwa, dass er dann im Verlag sein Büro hatte. Durch den Verlag wurde eine gewisse Infrastruktur geschaffen, die jeder für sich nutzen kann, um seine Existenz zu bestreiten – der eine mehr, der andere weniger.

Irgendwann waren dann Jonas Engelmann und Ingo Rüdiger mit an Bord.

Ingo hat das beste Gedächtnis aller Zeiten, der würde wissen, wann und wie und was – irgendwas hatte das mit dem Literaturbüro zu tun, darüber kam der Kontakt zu ihm, und Jonas trat da mal als Jungautor auf und geriet später wieder an uns. Es gibt da zig unterschiedliche Stränge, die diesen Verlag ermöglicht haben.

Bis zu seinem Tod 2010 war Martin Büsser eine tragende Kraft des Verlages.

Eigentlich ist Martin immer noch dabei, weil er mit seinem Anspruch viele Maßstäbe gesetzt hat: was wir veröffentlichen, warum wir etwas veröffentlichen. Seine Art Kritik zu üben, öffentlich, aber auch intern, war sehr wichtig. Und er ist immer noch im Alltag präsent für uns bei Entscheidungen, also wir haben, jeder für sich, im Hinterkopf, was er zu etwas sagen würde. Bis heute bringt er, also durch seine Veröffentlichungen, Leute zu uns – die wollen als Autor zu Ventil, weil Martin da veröffentlicht hat.

In Deutschland gibt es zwar einige Verlage, die popkulturelle Bücher veröffentlichen, aber in der Gesamtheit und dem Gesamtbild gibt es wohl keinen anderen Verlag dieser Art, mit solchen Punk-Wurzeln und in der Szene verankert.

Wir sind eben, wie wir sind – etwas eigenbrötlerisch. Und wir sind so, weil wir, wie vorhin schon erwähnt, nie diesen Schritt gemacht haben, unbedingt größer werden zu wollen. Den Bezug zu all den im Verlag präsenten Themen wollen wir ja auch bestehen lassen. Und dann eben diese personelle Situation, wo jeder für sich sein Ding machen kann, niemand wirklich vom Verlag lebt, sondern eher für den Verlag. Das Ganze ist bis heute ein sehr zeitintensives Hobby, früher war es das auch in finanzieller Hinsicht, zum Glück in letzter Zeit etwas weniger. Wir haben immer schon viele Bücher veröffentlicht, einfach weil wir sie schön fanden und auch mit 500 oder 1.000 verkauften Exemplaren zufrieden waren. Deshalb war wohl auch nie ein anderer Verlag daran interessiert, uns aufzukaufen und sich einzuverleiben. Überleben konnten wir nur, weil wir das immer als unser „Herzensinvestitionsprojekt“ angesehen haben. Wären wir einen anderen Weg gegangen, gäbe es uns mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr. Hätten wir Erfolg gehabt, hätte der Schritt ins volle finanzielle Risiko nicht geklappt, hätten wir uns längst zerstritten, wären wir verschuldet auseinandergegangen. Abgesehen davon sind wir auch nicht die Buddies, die sich jeden Tag sehen. Wir haben mal versucht zu beschreiben, was wir da eigentlich haben, und am ehesten kommt dem wohl so eine Art Kollektivgedanke nahe. Es ist so eine Art Plattform, und weil wir uns nicht jeden Tag sehen, können wir auch darüber hinwegsehen, dass dem einen eben manche Projekte besser gefallen als dem anderen. Aber es gab wenige Sachen, wo es hieß, dass wir das auf keinen Fall machen.

Das ist ja für mich auch immer wieder die spannende Sache, was passiert, wenn ich eine Buchidee vorschlage und dann eure Reaktion zu hören bekomme. Mal klappt es, mal nicht. Und niemand nimmt etwas persönlich.

So gibt es eben Buchprojekte, die wir machen, weil die vom Gefühl her einfach passen. Das Buch von Kent Nielsen, „Wie aus mir kein Tänzer wurde“, ist dafür ein gutes Beispiel, vielleicht können so was nur wir machen. Du hast den Kontakt, du schlägst es vor, wir finden es charmant, und dann machen wir das und es trägt sich auch noch, weil Kent viel unterwegs ist. Und wer das Buch kauft, freut sich, dass es so was gibt. Aber es gibt dahinter keinen Businessplan.

Wie schwer ist es, 2019 mit einem Kleinverlag zu überleben?

Wir haben einen überschaubaren Rahmen an laufenden Kosten. Und wir haben einen überschaubares Maß an Manpower. Diese beiden Dinge grenzen uns ziemlich gesund ein hinsichtlich der Größe des möglichen Programms, das wir in einem Jahr stemmen können. Das sind zehn, auch mal zwölf Bücher in einem Jahr. Keiner von uns hat ständig eine Excel-Tabelle offen, um zu checken, wo der Breakeven bei einem Buch liegt, aber so ungefähr wissen wir, was wir für Druck, Bürokosten etc. brauchen. Circa fünf Euro pro Buch müssen bei uns nach dem Abzug aller Kosten hängenbleiben, dann finanziert uns das die Existenz. Von da ausgehend legen wir den Preis eines Buches fest, wir können zudem gut mit Druckereien umgehen und gute Preise aushandeln – etwas, das ich beruflich teilweise gemacht habe. Wobei es uns wichtig ist, in Deutschland zu drucken und nicht in China oder sonst wo. Was auch hilfreich ist, wenn man wie wir die Druckdaten immer auf den letzten Drücker anliefert und es so gerade eben schafft, den Veröffentlichungstermin einzuhalten. Wenn es auf dieser Basis gut läuft, bleibt was übrig für die Menschen, die dafür im Büro sitzen, und wenn nicht, muss jemand Geld reinschießen. Wobei manche von uns auf das Geld aus dem Verlag angewiesen sind, andere nicht. Unser Geheimnis ist, dass wir hier und da unsere eigenen Mäzene sind. Das hat uns lange geholfen, lange wurde Geld reingesteckt, wobei es nie so war, dass jemand um seine Existenz bangen musste. Ohne die kreative Vorfinanzierung einer Druckrechnung für ein halbes Jahr ging es oft nicht. Sechs Leute sind wir im Kernteam, darum herum gibt es eine Art Unterstützerkreis, Leute wie du und Uschi, oder Chris Wilpert, Jan-Niklas Jäger, Sonja Vogel und viele andere. Die Familie wird so über die Jahre immer größer, mancher nimmt für seine Arbeit wie etwa eine Übersetzung nicht das Geld, das eigentlich genommen werden müsste, und so klappt das eben. Wir haben zudem den Vorteil, in Person von Oli die Grafik im Haus zu haben – er ist einer der besten Buchgestalter überhaupt, weshalb er auch für viele bekannte Autoren arbeitet. Ich wette, jeder hat schon mal ein Buch in der Hand gehabt, das von Oli gestaltet wurde, auch wenn er noch nie ein Ventil-Buch gelesen hat. Mit Jonas Engelmann haben wir einen absoluten Fachmann im popwissenschaftlichen Bereich, Ingo Rüdiger ist ein Multitalent für Presse, Vertrieb, Lektorat und zig anderes, und ich mache im Hintergrund die Finanzen. In der größten Krise, vor zwei Jahren, als die VG Wort von uns und anderen Verlagen Geld zurückforderte, merkten wir zum Glück, dass es viele Leute um uns herum gibt, die bereit waren, uns in einer solchen Situation zu unterstützen. Etwa unser Steuerberater, der uns mit viel Fantasie Möglichkeiten aufgezeigt hat, etwa die, dass wir stille Teilhaber dazugeholt haben – zum Beispiel Menschen, die schon etwas älter sind und einen Job haben, bei dem was übrig bleibt, und die sich sagen, dass das Geld bei Ventil besser aufgehoben ist als bei der Bank. So sind beispielsweise unsere Druckkosten abgesichert, ohne dass wir einen teuren Bankkredit aufnehmen müssen.

Und was ist mit dem Thema Vertrieb – in Zeiten, da Amazon eine immer dominantere Stellung einnimmt, es viele gerade kleinere Städte gibt, in denen es keine klassische, inhabergeführte Buchhandlung mehr gibt?

Wir sind bis heute nicht viel in Buchhandlungen vertreten und werden da wohl auch nie richtig reinkommen. Dafür müssten wir investieren und wohl auch andere Bücher rausbringen. Ohne Digitalisierung würde es Ventil in der heutigen Größe nicht geben, und das hat auch etwas mit Amazon zu tun. Bei aller Kritik war Amazon die erste „Buchhandlung“, wo man unsere Bücher sehen konnte. Das hat uns geholfen, Bücher zu verkaufen. Viele Buchhändler sind offensichtlich sehr konservativ und eher nicht bereit, bei ihrem Sortiment Experimente einzugehen. Es gibt ein Vertreternetzwerk, innerhalb dessen wir eine kleine Nummer sind, und abgesehen davon hat eine Buchhandlung nur eine begrenzte Fläche, um Bücher anzubieten. Also stehen unsere Bücher nur in rund 100 Buchhandlungen, viele davon in Hamburg und Berlin. Und in Mainz mittlerweile auch. Oft entdecken uns auch junge Buchhändler*innen, die uns dann zu pushen versuchen, was manchmal sogar klappt. Eine immer wichtigere Rolle spielt unser eigener Webshop, der uns mittlerweile ganz gut absichert. Wir sind also nicht nur von einer Vertriebssäule abhängig, sind gesund aufgestellt – auch durch den Eigenverkauf der Autor*innen. Nicht zu vergessen, man kann all unsere Bücher in jeder Buchhandlung über Nacht bestellen. Und was mich besonders freut: Es gibt unsere Bücher auch bei einigen der traditionellen Musikmailorder.

Wie geht es weiter? Werden wir uns zum 30. und 40. Geburtstag des Verlages wieder unterhalten?

Nun, wir werden älter, und das Gute daran ist, dass viele von uns damit wieder mehr Zeit haben – die Familienphasen haben es zeitlich immer wieder sehr eng gemacht. Und wir haben den strategischen Vorteil, dass wir oft schon vor anderen Verlagen da sind: Als viele andere noch nichts von vegetarisch und vegan wissen wollten, waren wir längst da. Die Großverlage überholen uns dann zwar links und rechts, aber nach der großen Welle werden wir immer noch da sein und profitieren von der Credibility, die wir uns erarbeitet haben. Die Strategie, einfach dazubleiben und sich nicht um jeden Trend zu kümmern, hat uns geholfen, genau wie das sehr heterogene Programm. Wir bringen auch Sachen raus, die uns im Einzelfall auch mal gar nicht so gefallen, die aber einen Diskurs abbilden. Also, Ventil wird es weiter geben, und wir werden weiter wachsen. In zwanzig Jahren haben wir uns verzehnfacht, und wenn das so weitergeht, wird es sich stabil entwickeln – wenn wir nicht größenwahnsinnig werden.