URLAUB IN POLEN

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Tourismusportal für computerisierten, avangardistischen Gitarrenrock

Mit „Urlaub in Polen„ verbinde ich und ihr bestimmt was anderes als Musik. Mir fallen da so nette Geschichten wie die vom Janosch ein: Selber Pole und mit ganzem Herzen immer noch tief in diesem Land verwurzelt, fährt er mit seinem neuen, natürlich gebraucht gekauften Mercedes auf Heimaturlaub. Was passiert? Klaro, seine Landsleute haben nichts besseres zu tuen, als ihm das Auto unter’m Arsch wegzuklauen... Mit solchen Geschichten wollen wir uns jetzt aber nicht weiter beschäftigen, denn hinter URLAUB IN POLEN verbirgt sich das beste Postrock-Duo Deutschlands. Was Gregor Brenner (Gitarren & Analoge Elektronik) und Phillip Janzen (Schlagwerk & Sampling) auf ihrem aktuellen Album „Parsec„ , erschienen auf Raketemusik, produziert haben, hat mich schlicht gesagt vollkommen umgehauen. Und deshalb dieses Interview.

Wie kommt man auf einen bekloppten Bandnamen wie „Urlaub in Polen„?


Gut, dann nochmal die Geschichte. Den Namen haben wir uns nicht selber gegeben, sondern ein Bekannter, der zufällig vorbeikam, als wir die ersten Sessions gespielt haben. Der kam damals tatsächlich aus dem Urlaub, aus Polen und wartete bis wir eine Pause machten, um uns von seinen Urlaubserlebnissen zu erzählen. Er meinte, dass sein Urlaub sehr surreal gewesen sein und unser Lärm, den wir geade produziert hätten sich anhören würde wie Urlaub in Polen... Das war nur ein Gag und wir hatten auch damals nie vor, eine Band zu gründen. Wenn wir nun Musik machen wollten, sagten wir: ‚Ach komm, lass uns mal wieder Urlaub in Polen machen!’ Das war der Running-Gag bei uns, der Name ist einfach hängengeblieben! Als dann klar wurde, dass sich Musikstücke entwickelten und sich ernsthaft eine Band zu formieren begann, waren wir zu faul, uns einen schicken, englischen Bandnamen auszudenken worauf alle stehen. Für uns bedeutet ‚Urlaub in Polen’ Musik zu mache. Uns ging es nie um einen Namen, sondern immer nur um die Musik.

Wie würdet ihr euren Stil bezeichnen?


Es war klar, dass du so etwas fragen würdest, aber darauf können wir als Musiker nur sehr schwer antworten. Wir haben uns jetzt nicht zusammengetan, weil wir zusammen auf diese oder jene bestimmte Musikgruppe stehen, den selben Klamottenstil bevorzugen und uns vorgenommen haben, einen bestimmten Sound zu machen. Wir machen die Musik. die wir hören wollen. und welcher Stil das nun ist, ist uns egal.

Die Fachpresse packt sowas in die Schublade „Postrock„...

Es ist ja toll, wenn sie eine Schublade gefunden haben und mit dieser können wir auch gut leben. Aber das Ganze, was am Postrock dranhängt, dieses kopflastige Kunst-Understatement, steckt bei uns nicht mit drin! Da sind wir wesentlich straighter und handeln eher intuitiv. Wir machen uns nicht die Arbeit und denken uns irgendwelche komplizierten Riffs aus, wir nehmen dann lieber die reduzierte Version, die dann auch wesentlich direkter Druck macht.

„Parsec„ ist so dicht und fließend, das ist schon fastbeängstigend. Die letzte Platte, die mich so beeindruckt hat, war „Futureworld„ von TRANS AM. Das war auch so eine Platte, die man einfach durchhören musste, weil sie einen nicht mehr losließ. Wie bekommt man so etwas hin?

Wir haben die Platte komplett am Stück aufgenommen und Guido Lucas, der sie produziert hat, hat die Stücke unheimlich komprimiert. Danach haben wir uns hingesetzt und versucht, die Stücke in eine, die einzig richtige Reihenfolge für uns zu bringen. Wir haben diesen berühmten ‚Roten Faden’ gesucht, so dass die Stücke sich ergänzen und von einem zum anderen weiterleiten. Deshalb kann man die Platte auch durchhören.

Es waren ja immer Duos, die besonders produktiv die musikalischen Grenzen sprengten. Beim hören von „Parsec“ schoss mir direkt der Vergleich mit NEU! durch den Kopf!

Gerade diese einfache Schlagzeug-Rhythmik bei NEU! ist ein Element, was sehr gut funktioniert und welches man perfekt einsetzen kann. Komischerweise haben diesen Groove so konsequent nur die Krautrocker und Postrockbands eingesetzt.

Wie sind die Reaktionen auf „Parsec“?

Komischerweise durchweg positiv. Wir dachten eigentlich nicht, dass ‚Parsec’ eine sogenannte Konsensplatte ist, denn dafür ist sie zu sperrig. Das Visions hat z.B. geschrieben, dass das eine Verbindung von Dub und Rock sei, was wir nicht ganz verstehen und uns nur damit erklären können, dass die mit Dub meinen, dass wir massiv Echogeräte eingesetzt haben. Reggae ist ein ganz anderes Lebensgefühl und Stilrichtung.

Wo liegen eure musikalischen Wurzeln?

Im Blues. Wir meinen nicht die Musikrichtung, sonders das Lebensgefühl. Sich den ganzen Scheiß von der Seele zu spielen, um das alles überhaupt irgendwie ertragen zu können.

Was habt ihr vor UIP gemacht? Gibt es Nebenprojekte, oder verheimlichte „Hauptbands„?

Vorher haben wir eigentlich alles gemacht. In Fußgängerzonen zur Akustikgitarre und Mundharmonika gesungen, Krach gemacht in obskursten Experimentalbands und in verschiedenen Hardcorebands gespielt, wovon WWK die bekannteste sein dürfte. Nebenher machen wir natürlich auch noch was und beschäftigen uns mit diversen elektronischen Projekten wie z.B. FLEXON.

Als ich euer erstes Album gehört habe, war ich ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht. Das wirkt alles noch sehr zerfahren, gebrochen und desorientiert. Kam durch den Schlagwerker-Wechsel die Weiterentwicklung?

Hahaha, auf gar keinen Fall! Klar, Musik entsteht immer daraus, wie man miteinander spielt und jetzt herrscht einfach eine ganz andere Chemie. Das Spannungsfeld zwischen mir und Phillip ist ganz anders, denn vom Verständnis und von der musikalischen Sozialisation kommen wir aus total unterschiedlichen Ecken. Der Umgang miteinander ist einfach anders. Oli, den ersten Schlagzeuger, kannte ich schon immer und da waren dann irgendwann bestimmte Sachen total festgefahren. Wie man miteinander umgeht usw., und jetzt ist alles so neu und frisch.

Von UIP kann man bestimmt nicht überleben, was macht ihr im richigen Leben?

Ich arbeite in der individuellen Behindertenbetreuung und Phillip in einem Plattenladen.

Berichtet mal von eurer „unglaublichen„ Live-Show...

Ein alter Freund von uns, der, wenn er mal wieder frei von seiner Familie bekommt, arbeitet mit verschiedenen Super-8-Projektoren, die er live bedient. Das Bildmaterial bearbeitet er dann direkt zur Musik. Er funktioniert praktisch wie ein dritter Musiker. Er lässt z.B. bestimmte Sequenzen im Rhythmus ablaufen und verändert diese manuell an den Projektoren. Es werden Bilder übereinandergelegt. Durch diese spontane Komunikation und Interaktion entsteht dann eine komplett neue Sinnebene.

Fühlt ihr euch in Köln wohl? Die dortige Musikszene ist ja eine ziemliche Cliquenwirtschaft.

Eigentlich kriegen wir davon nicht viel mit und haben auch kein weiteres Interesse daran. Aber ich finde daran nichts schlimmes, wenn die Leute gut und produktiv zusammenarbeiten. Das wird von anderen dann natürlich schnell als Clique dargestellt, aber das ist im Prinzip doch besser, als wenn jeder stur für sich sein eigenes Süppchen kochen würde.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Weiter gute Musik machen und vielleicht mal ’ne Doppel-10„ auf Raketemusik machen...