UPRIGHT CITIZENS waren eine der deutschen Hardcore-Punk-Bands der Achtziger Jahre. 1979 in Bottrop gegründet, spielten sie Anfang 1982 ihr Debüt „Bombs Of Peace“ ein. Im Sommer 1983 folgte das „Make The Future Mine And Yours“-Album. 1985 gingen UPRIGHT CITIZENS als erste deutsche Punkband auf große USA-Tour. Viele Gigs und weitere Veröffentlichungen folgen, bis sich die Band 2003 auflöste. Wir sprachen mit Sänger Anton vor allem über die Anfänge der Band, wie über ihren Gig mit den DEAD KENNEDYS, ihre US-Tour und das Für und Wider einer möglichen Reunion.
Anton, wie bist du damals auf Punk aufmerksam geworden und wann hat dich der Virus selbst erfasst?
Das war im Frühjahr 1977 durch die Bravo, die einen ersten größeren Bericht über „Punk in London“ mit vielen Fotos brachte. Mit knapp 14 war ich aber erst mal „geschockt“ vom Aussehen der Bands und den Punks mit ihren abgerissenen Klamotten, den kurzen Stachelhaaren und den überall angebrachten Sicherheitsnadeln. Meine bis dahin geliebten Glamrock-Bands waren ja outfitmäßig auch weit vorn, aber das, was da in London gerade aufkam, war noch mal ein anderes Kaliber. Aber es war irgendwie interessant. Deshalb wurde ich auch sofort hellhörig, als kurze Zeit später eine zweiteilige Radio-Doku über Punk angekündigt wurde. Es brauchte dann noch genau zwei Minuten mit den damaligen Hits der SEX PISTOLS, CLASH, RAMONES und ... bang! Diese neue Musik hatte bei mir voll eingeschlagen. Ich wusste sofort, das ist meine Mucke! Und ich sollte bis heute recht behalten. Meine erste Punk-Scheibe war dann das Debüt der STRANGLERS, „IV (Rattus Norvegicus)“. Aber eigentlich nur, weil ich mich aufgrund des „verwegenen“ Looks der RAMONES auf dem Cover ihres Debüts nicht traute, dieses Album zu kaufen. Heute kaum nachvollziehbar und eine schöne Anekdote, aber anno 1977 war der Punkrock-Look echt noch „gefährlich“ und als pubertierender Teenager hatte man noch Respekt vor möglichen Reaktionen der Eltern auf diverse Albumcover. Das war mir aber nach gefühlten zwei Wochen alles egal und es wurde gekauft, was auch immer an neuen Punkrock-Perlen veröffentlicht wurde, egal wie die Protagonisten aussahen. Die weitere musikalische Sozialisation hat in den folgenden Jahren dann wie bei so vielen die Radiosendung von John Peel übernommen, die so ziemlich die einzige Quelle war, bei der man neue Bands des Genres entdecken konnte.
Was bedeutete Punk damals für dich – und wie ist das heute?
In allererster Linie war und ist Punk für mich Musik, Musik und nochmals Musik! Irgendwas hat mich an diesem „Drei-Akkorde-Krach“ von Anfang an extrem fasziniert und angesprochen. Ganz besonders in den Siebzigern, wobei der Sound der damaligen Bands eigentlich ziemlich unterschiedlich war, aber eben diesen gemeinsamen Punk-Spirit hatte. Der Soundtrack meiner Teenagerzeit begleitet mich bis heute, wie auch immer man das deuten mag. Außer der Musik war es aber dann trotz des oben erwähnten ersten Schocks über das ungewohnte Outfit dann auch die Optik, und im Alter von 14, 15 war da natürlich zudem eine gewisse Rebellion, wobei ich das hier nicht zu hoch hängen würde. Aber irgendwie anders als die „Normalos“ zu sein und dies optisch zu unterstreichen, war schon cool und auch ein kleines Statement. Die DIY-Philosophie, die im Punk recht ausgeprägt war, hat mich ebenfalls angesprochen. Damals habe ich mir noch bei allen Scheiben immer intensiv die Texte durchgelesen und versucht zu verstehen, über was meine neuen „Helden“ da so sangen. Und da gab es doch immer wieder Stücke, bei denen nicht nur die Musik geil war, sondern es „on top“ noch einen echt klasse Text gab. So was war und ist dann natürlich das Nonplusultra. Geile Mucke, geiler Text. Und die haben natürlich auch gewisse Spuren in meiner Einstellung hinterlassen. Aber ich gehöre trotzdem nicht zu den Leuten beziehungsweise den Musikern, für die Musik und Text bei einem Stück gleich wichtig sind. Ich höre keine Musik, bloß weil der Text so gut ist. Und in vielen meiner Lieblingsbands spielen keine Literatur-Nobelpreisträger. Es ist für mich absolut legitim, seine Musik völlig unpolitisch zu präsentieren und nur den Fun-Faktor hochzuhalten. Hauptsache, man hat auch abseits der Bühne was im Hirn.
Gab es von deiner Seite aus von Anfang an die Idee, Musik zu machen?
Oh ja! Die Idee, selbst eine Band auf die Beine zu stellen war schon früh da, zumal ich so um 1976/77 herum einen erneuten Versuch unternahm, Gitarre zu lernen. Und das tat ich gerne ausgiebig zu vielem, was damals so an Punk rauskam. Einige Klassiker sind doch recht einfach zu begleiten und man konnte sich gleich wie ein weiteres Bandmitglied fühlen. Und so war der Traum einer eigenen Band mit eigenen Songs nicht mehr illusorisch, sondern der konsequente nächste Schritt, getreu dem Motto: Was die können ... Wie gut, dass es da in meiner Klasse mit Crocker schon einen Gleichgesinnten gab, der Gitarre spielen konnte. Das Vorhaben und die Basis gab es also recht früh, aber erst Ende 1979 haben wir mit Mario einen Drummer gefunden, um endlich als richtige Band loszulegen.
Nachdem ihr vorher schon einige Namen hattet, wer kam dann auf UPRIGHT CITIZENS? Und was bedeutet der Name für dich?
Wir starteten 1979/80 als DEAD RABBITS, spielten aber unseren allerersten Gig Mitte 1980 noch als Trio – Mario an den Drums, Crocker am Bass und ich, Gitarre und Gesang – unter dem Namen TOTALLY USELESS. Kurz danach kam dann Uli als zweiter Gitarrist hinzu und komplettierte die UPRIGHT CITIZENS-Originalbesetzung. Zur selben Zeit schlug ein Freund UPRIGHT CITIZENS als neuen Bandnamen vor. „Upright citizen“ ist der Titel eines Songs von CRASS, und obwohl das Stück selbst nicht wirklich eines ihrer besten ist, gefiel uns zum einen einfach der Klang des Namens, zum anderen dieser vermeintliche Widerspruch von Punkband und aufrechten Bürgern. Wir hatten wohl auch gehofft, wir würden vermeintlich „aufrechte Bürger“ damit ärgern, was aber leider aufgrund des fehlenden Bekanntheitsgrades nie wirklich klappte.
Welche Einflüsse hattet ihr?
Als wir mit den UPRIGHT CITIZENS Anfang der Achtziger starteten, war auch gerade die UK-Punk/Hardcore-Welle mit Bands wie EXPLOITED, GBH, ONE WAY SYSTEM und so weiter so richtig im Gange und wurde auch von uns viel und gern gehört. Gleichzeitig entstanden die ersten eigenen Songs, die dann später auf der „Bombs Of Peace“-12“ und der „Make The Future Mine And Yours“-LP zu hören waren. Ich denke, man kann hier sicherlich die eine oder andere Anleihe heraushören. Später waren es dann mehr die US-Bands, die das Songwriting und unseren Sound beeinflussten. Ich kann da jetzt nicht mal konkrete Bands nennen, es gab eben eine generelle Tendenz bei den US-Bands, etwas schneller, etwas thrashiger als die UK-Bands zu sein, und das gefiel uns zu dem Zeitpunkt offensichtlich so gut, dass es sich auch bei uns im Stil niederschlug, ohne sie direkt und bewusst kopieren zu wollen. Es bleibt einfach nicht aus, dass Sachen von anderen Bands mit einfließen, die man gerade intensiver hört.
Wo habt ihr geprobt – und wie oft?
Unsere allererste Probe als Trio fand Ende 1979 tatsächlich im Keller einer Kirche statt ... Danach nutzten wir Gartenhäuschen, Klassenzimmer, Bunker, Pfarrheime, Schulkeller als Proberaum. Unsere ersten fünf bis sechs Jahre waren eine Odyssee auf der Suche nach einem festen Proberaum, was uns aber nicht davon abhielt, trotzdem regelmäßig irgendwo ein bis zweimal Mal die Woche zu proben. Da war viel Initiative notwendig, denn wir mussten für eine Probe oft unsere ganzen Klamotten erst mal dorthin karren und auf- und wieder abbauen. Außerdem hatten wir besonders in den Gartenhäuschen regelmäßig eine Polizeistreife wegen Ruhestörung zu Besuch. Aber wir zogen das durch, und gerade in der ersten Hälfte der Achtziger haben wir trotz der widrigen Proberaumumstände ordentlich was auf die Reihe gekriegt. Nach unserer US-Tour im Sommer 1985 konnten wir dann endlich unseren ersten festen Proberaum in einem Bunker beziehen.
Wie sah die Punk-Szene in deiner Heimatstadt aus? Gab es ein autonomes Zentrum, die Möglichkeit, selbst Konzerte zu organisieren?
Na ja, 1977 bis ’79 war da erst mal nix. Ich kann mich nicht erinnern, dass es außer uns paar Schul-Punks noch weitere Gleichgesinnte in Bottrop gegeben hätte, zumindest niemanden, der sich auch optisch zum Punk bekannte. Unsere ersten Konzerte in Bottrop waren dann auch in Kneipen und Schulen, teilweise selbst organisiert. Erst so ab Mitte der Achtziger gab es mit dem Haus der Jugend einen Ort in Bottrop, in dem regelmäßig Konzerte veranstaltet wurden, und auch weitere Punkbands in BOT, wie zum Beispiel die PILS ANGELS, PLEASE oder die auch heute noch aktiven SO WHAT.
Exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum, gab es den bei euch oder in eurer Szene?
Nicht unbekannt, manchmal ein „kleineres“ Problem, manchmal ein größeres, einige haben es irgendwann in den Griff bekommen, andere weniger ... In der Band gab’s diesbezüglich einen gewissen Straight-Edge-Anteil, was aber natürlich gut für die anderen war, weil man nach einem Gig sicher sein konnte, dass jemand den Überblick bewahrt, die Dinge regelt und im besten Fall auch gleich die Fahrerfrage geklärt war ...
Welche Aktionen, Peinlichkeiten, Konzerte sind dir in besonderer Erinnerung geblieben?
Die wenigen Peinlichkeiten bleiben besser im Giftschrank, dafür zwei Konzerterinnerungen aus unserer Frühphase. Herbst 1982. DEAD KENNEDYS auf Deutschlandtour. Das Telefon klingelt. „Hier der Scheißladen in Berlin. Bei uns im Laden ist Jello Biafra und hört gerade eure Scheibe ‚Bombs Of Peace‘ und ist völligst begeistert. Der möchte euch unbedingt bei ’nem Gig auf der Tour als Support dabei haben. Deren Manager meldet sich später noch mal ...“ – „Äh, wie, was? Echt? Okay!“ Managermeldung kommt natürlich nicht. Aber Jello hat doch gesagt ... Also DK-Tourplan gecheckt. Nächstgelegenes Konzert im Osnabrücker Hyde Park. 150 Kilometer. Gitarren und Drumsticks eingepackt und ab geht’s. Früh am Hyde Park angekommen und um Einlass begehrt. „Was wollt ihr denn?“ – „Wir sind die Band, die Jello Biafra als Vorband will!“.– „Ah ja, denn!“ DEAD KENNEDYS trudeln ein, TOXOPLASMA als Toursupport dabei. Jello B: „You’re UPRIGHT CITIZENS? Great! Please do the opener tonight!“ Machen wir doch gerne, Jello! Es war ein geniales Konzert und das Zustandekommen fast noch genialer und bleibt definitiv in Erinnerung. Ebenso unser „Osterhasen-Ausflug“ am Samstag, den 10. April 1982. An diesem Tag sollten wir im Bremer Schlachthof spielen. Außer uns noch ARAM UND DIE SCHAFFNER sowie eine unbekannte Band aus einer dem Ruhrpott angrenzenden Modestadt, die an diesem Abend ihren allerersten Auftritt spielten und fälschlicherweise auch zuerst als „DIE TOTEN HASEN“ – DEAD RABBITS eben – angekündigt wurden. Nach dem Soundcheck hing man gemeinsam ab und spielte Fußball, eben echt Punkrock. Am selben Tag fand allerdings auch ein Punkrock-Festival im Herner Bunker statt, bei dem wir ebenfalls spielen sollten. Also machten wir in Bremen den Opener, packten nach unserem Gig gleich die Klamotten zusammen und fuhren Richtung Herner Bunker, so dass wir uns tatsächlich schon vor der eigentlichen Geburt von DIE TOTEN HOSEN vom Acker machten und diese nicht mehr live miterlebten. Das ist tragisch, aber wäre ja noch zu verkraften, wenn wir denn wenigstens unser geplantes Doppelkonzert gespielt hätten. Ist aber leider nicht der Fall, denn wir begegneten während unserer Fahrt einem heimtückischen Hasen, der sich plötzlich in den abendlichen Lichtkegel stellte, wodurch Uli, der an diesem Tag Fahrer war und gerade mal zwei Monate seinen Führerschein hatte, so erschreckt war, dass er ausweichen wollte, dabei aber die Kontrolle über den Wagen verlor und wir mehrfach gegen die Planken dengelten, um irgendwann auf der linken Spur in Gegenrichtung zum Stehen zu kommen. Wir hatten sehr großes Glück, außer viel Schrott ist uns nichts passiert und wir hatten eine Anekdote auf Lebenszeit. Und das alles passierte während diese Düsseldorfer Combo Party ohne Ende machte ... Wir hätten wohl besser in Bremen bleiben sollen.
Ihr wart die erste deutsche Punkband, die in den USA getourt ist, und ihr wart auch zweimal in Schweden. Wie wurden die Konzerte in einer Zeit ohne Internet organisiert?
Buschtrommeln waren damals gerade aus, so blieben uns nur Post und Telefon, Festnetz! Das Organisieren von Konzerten war tatsächlich schon deutlich aufwendiger und dauerte in der Regel länger als heutzutage mit den modernen Kommunikationsmitteln. Mit den Vorbereitungen der US-Tour zum Beispiel starteten wir irgendwann so Mitte 1984 und schalteten einfach mal eine kleine Anzeige im US-Fanzine Maximumrocknroll von wegen „Wir wollen kommen, wer kann mit Auftritten helfen?“ Es meldeten sich auch ein paar Leute mit Angeboten, aber erst da merkten wir, wie naiv wir an dieses Projekt US-Tour herangegangen sind. Wie sollten wir das von hier überhaupt organisieren, geschweige denn koordinieren? So was ging einfach nicht mehr DIY. Glücklicherweise gab es parallel zu dieser ernüchternden Erkenntnis den ersten Kontakt zur Better Youth Organization, und, um es ein wenig abzukürzen, nachdem feststand, es wird auf BYO eine Platte geben, kam dann auch gleich von denen das Angebot, eine Tour zu organisieren. Aber die Kommunikation geschah auch hier in erster Linie schriftlich per Post und seltener per Telefon, da Telefongespräche ins Ausland und insbesondere nach Übersee damals noch extrem teuer waren. Um es auf den Punkt zu bringen: Telefon- und Portokosten und auch der Zeitaufwand, etwas zu organisieren, waren damals noch erheblich größer.
Hast du das Gefühl, dass eure Texte immer noch aktuell sind?
Ja, ich denke, viele Themen unserer Texte aus den Achtzigern sind heute tatsächlich immer noch genau so relevant und aktuell wie damals. Die Kriegsorte haben sich gegebenenfalls geändert und die Namen der Kriegstreiber, rechtes Gedankengut in Deutschland ist eben nicht mehr nur NPD, sondern hat sich leider in der AfD „etabliert“. International sieht es in vielen Ländern sogar noch düsterer aus. Diskriminierung, Fake News und Lügen ohne Ende, Kirche, Religion etc. etc. Ich denke, diese Themen ziehen sich einfach in der einen oder anderen Form durch die Menschheitsgeschichte. Also, keine neuen Inhalte, aber wir erlebten sie in der damals aktuellen Form zum ersten Mal und da lag es natürlich nah, über sie zu schreiben und zu singen. Textlich war das dann meist pessimistisch, wir wollten aber trotzdem eine Zukunft und man machte sich dann Mut mit Songtexten wie bei „Stand up“, „What are we gonna do now?“ oder „Future dreams“.
Gibt es Texte beziehungsweise Songs, die du so heute nicht mehr schreiben oder auch spielen würdest?
Sicherlich würde ich heute einige so nicht mehr schreiben, aber ich bin nicht unglücklich darüber, dass es nicht einen einzigen gibt, der mir heute wirklich peinlich wäre oder von dem ich gar Abstand nehmen möchte und dies mit meiner damaligen jugendlichen Unwissenheit rechtfertigen müsste. Natürlich klingt einiges aus heutiger Sicht doch recht naiv und hier und da gibt es auch Textstellen, die vielleicht platt klingen, aber ich glaube, es war immer klar, was die Aussage sein sollte. Wie vorhin schon erwähnt, sind bei uns Musik und Text nie gleich wichtig gewesen, vielmehr waren die Texte eher ein notwendiges Übel, weil rein instrumental ging natürlich auch nicht. Aber ganz banal, ganz doof sollte das, was man da womöglich jahrelang singen muss, nun auch nicht sein, also gab ich mir damit doch meist Mühe.
Warum hattet ihr bis auf „Neo Nazis in der BRD“ und „Pseudo Punk“ nur englische Texte? Und warum sind diese Songs auf Deutsch?
Englisch ist für mich einfach die Gesangs- und Musiksprache schlechthin. Keine andere Sprache klingt auch nur annähernd so gut zu Musik wie Englisch ... nicht gerade wissenschaftlich zu belegen, aber es ist meine Meinung, und die zählt! Zumindest damals bei den Uprights ... Ich habe mich immer schon schwergetan mit deutsch singenden Bands und noch mehr mit „Exoten“ aus Japan, Skandinavien, Osteuropa etc., die in ihrer Muttersprache singen. Eigentlich schade, dass ich da so einen „Sprachfilter“ habe, denn natürlich ist es gut, wenn gewisse Botschaften auch direkt und besser in der Muttersprache mitgeteilt und verstanden werden. Aber wir waren nun mal eine Musikgruppe und der Gesamtklang eines Songs ist das wichtigste und von daher war mir dieser Aspekt egal. Ich glaube, in den Achtzigern war unsere Wahl, englisch zu singen auch des Öfteren von Vorteil, denn es erleichterte uns sicherlich, in den USA oder Skandinavien zu touren. Es gab aber auch diese wenigen Versuche mit deutschen Texten, unter anderem eben „Neo Nazis in der BRD“ und „Pseudo Punk“. Die waren okay. Ursprünglich gab es mal den Plan, auf jeder unserer Veröffentlichungen zumindest ein Stück auf Deutsch zu singen, um auch nicht unsere Herkunft zu „verleugnen“. Dieser Plan wurde dann aber doch schon nach der zweiten Veröffentlichung ad acta gelegt, da ich mich mit englischem Gesang einfach wohler fühlte.
Wie ist der Kontakt zu H’Art zustande gekommen? Wie hast du die Aufnahmen zu euren Platten in Erinnerung?
Am 24. April 1981 hatten wir unseren ersten Gig als UPRIGHT CITIZENS in einem Gelsenkirchener Jugendzentrum. Im Publikum war auch Thomas C., dem wir gefielen und der uns fragte, ob wir am nächsten Tag bei einer Demo in Herne spielen könnten. Konnten wir, auch wenn ich mich weder an die Demo noch an unseren Beitrag wirklich erinnern kann. Thomas hatte Kontakt zu Jens und Carola, die in Bochum einen coolen Plattenladen betrieben und gerade dabei waren, weitere Bands für ihr neues Label H’Art zu suchen, und leitete an sie unser erstes Tape „Live im Gartenhäuschen“ weiter. Eine positive Rückmeldung kam prompt und so entstand eine längere Partner- und Freundschaft mit Jens und Carola, während der wir die Alben „Bombs Of Peace“ und „Make The Future Mine And Yours“ bei H’Art veröffentlichten. Mitte/Ende 1984 waren wir durch diese beiden Platten bereits recht bekannt hier in Deutschland, aber auch im Ausland regte sich Interesse.
Und wie war das mit dem von den Stern-Brüdern von YOUTH BRIGADE betriebenen Label Better Youth Organization aus den USA, wo 1985 die LP „Open Eyes, Open Ears, Brains To Think & A Mouth To Speak“ erschienen ist?
Zu der Zeit kamen auch mehrere interessante Veröffentlichungen auf dem BYO-Label heraus. So schickte ich kurzerhand unsere beiden Platten dorthin. 1984 waren zudem YOUTH BRIGADE auf Europatour und sollten im AJZ Bielefeld spielen. Irgendwie ist aber deren Bulli in Polen verreckt und wir sprangen für YOUTH BRIGADE ein. Sollte wohl ein gutes Omen sein, denn Shawn Stern von BYO meldete sich und zeigte Interesse an einem UPRIGHT CITIZENS-US-Release. So nahmen wir für BYO das „Open Eyes ...“-Album auf, das dort im Juli 1985 veröffentlicht wurde, und wir promoteten es dann sechs Wochen und 35 Gigs lang kreuz und quer in den Staaten.
Mit „Open Eyes ...“ wurde euer Sound rockiger, wie ich finde. Wie waren die Reaktionen auf eure neuen Songs?
Neee! Die „Open Eyes ...“-LP ist doch nicht rockiger als die beiden vorherigen Scheiben. Das „Rock-Element“ kam bei uns erst einige Jahre später, vor allem in den Neunzigern. Ich finde, „Open Eyes“ klingt sogar hardcoriger als „Bombs Of Peace“ und „Make The Future Mine & Yours“, die noch mehr nach frühem Achtziger-UK-Punk klangen. Ab 1982/83 gab es in Deutschland einen absoluten US-Boom, viele Platten kamen raus, viele Bands kamen auf Tour. Es war ein echter – kleiner – US-Hype, bei dem man zeitweise das Gefühl hatte, alles andere wäre für die Leute nicht mehr wirklich interessant. Aber das US-„Bombardement“ wirkte sich auch auf uns aus und so wurden selbst ältere Stücke noch einen Tacken schneller und thrashiger gespielt. Wie schon erwähnt haben wir „Open Eyes ...“ ja auch extra für den US-Markt eingespielt und sie kam erst später als Euro-Release hier raus. Die Reaktionen waren damals durchweg positiv und das Album ist aufgrund der nationalen Veröffentlichung in den Staaten und auch Spanien unser erfolgreichstes.
Die Chaostage 1984 in Hannover waren für viele ein einschneidendes Erlebnis. Warst du selbst da und wie sind deine Erinnerungen?
Ich war selbst nie dabei und weiß gerade nicht mal, ob ich überhaupt jemanden kenne, der da war und aus erster Hand berichten kann. Nein, die Chaostage waren bei uns nicht wirklich ein Thema. Vielleicht habe ich da was verpasst, allerdings war und bin ich eh kein Fan von solchen Großveranstaltungen, auch wenn die Chaostage viele Gleichgesinnte zusammenbracht haben und der ursprüngliche Anlass ja eine Demo gegen die Einführung einer Punkerkartei der dortigen Polizei war. Allerdings war auch abzusehen, dass es Randale geben würde, und die hatten wir bei vielen Konzerten damals sowieso schon zur Genüge. Nichts, was ich in Hannover noch zusätzlich gesucht hätte, und ehrlich gesagt war ich bei einigen „Punks“ schon damals gespaltener Meinung über deren wirkliche Motivation für Krawall. Nicht so wirklich mein Ding.
Im Rückblick: Wie war es für dich, in den Achtzigern in einer Punkband gespielt zu haben?
Die Achtziger waren tatsächlich mit Abstand unser erfolgreichster Abschnitt als Band und wir waren ein mitwirkender Teil der gerade entstehenden deutschen Punk-Szene. Gab es in den Siebzigern gerade mal eine Handvoll deutscher Bands und so gut wie keine Punk-Konzerte, änderte sich das langsam aber stetig in den frühen Achtzigern. Der DIY-Faktor war immens groß und es entwickelte sich zwischen örtlichen, meist autonomen Veranstaltern und Bands auch ein gutes Netzwerk. Obwohl der Punk in UK angeblich bereits tot war, in Deutschland und in unser Region Ruhrpott fing er erst so richtig an, ohne auch nur annähernd die Ausmaße und den Zuspruch zu haben, den es im Verlauf der Neunziger mit all den Pop-Punk-Größen wie GREEN DAY und OFFSPRING gab. Von daher war es in den Achtzigern recht spannend, bei etwas Neuem, sich noch Entwickelndem aktiv mit dabei zu sein.
Welche Rereleases gibt es von UPRIGHT CITIZENS? Und wie sind die zustande gekommen?
Rereleases gab es so einige über die Jahrzehnte. Irgendwann denkt sich jemand, ach, diese Uprights-Scheibe gibt’s schon sooo lange nicht mehr, da müsste man doch was machen, und schreibt oder ruft uns einfach an. Dann sagen wir meistens: „Och, echt? Glaubst du wirklich, dass es da ausreichend Interesse gibt?“ Im besten Fall wird man dann irgendwie überzeugt, im schlechteren womöglich aber auch nur mit der Aussicht auf ein paar Euros überredet. Die letzten Rereleases gab es auf Colturschock, mit deren Aufmachung wir ziemlich zufrieden waren und die auch gut liefen. Momentan sind aber keine weiteren Rereleases geplant.
Käme eine Reunion für dich infrage?
Diese Frage taucht seit Jahren immer mal wieder auf. Und bislang antworte ich dann: „Besser nich“ ... Es ist kein wirkliches Geheimnis, dass die Bereitschaft für eine Reunion bei den anderen Ex-Uprights größer ist als bei mir und ich da bislang den Spielverderber gebe, aber ich war schon immer der Meinung, dass Rock’n’Roll, insbesondere die energiegeladeneren Stile wie Punk/Hardcore eigentlich richtig gut nur von Leuten in ihren Zwanzigern oder vielleicht noch Dreißigern präsentiert wird. Zumindest auf der Bühne. Natürlich gibt es immer wieder schöne Ausnahmen. Ich selbst gehe ja häufiger auf diese Oldie-Konzerte mit unterschiedlichen, regelmäßig aber auch positiven Erfahrungen. Die UPRIGHT CITIZENS möchte ich allerdings nicht mehr unbedingt auf der Bühne erleben. Vielleicht auch, weil wir gerade als Live-Band einen gewissen Ruf zu verlieren hätten. Da ist es womöglich besser, wenn der – verklärte – Mythos bewahrt werden kann, haha. Fürs Studio sieht es da womöglich schon anders aus. Da kann man gewisse „Defizite“ aufgrund des Alters besser kaschieren und ich glaube, wir würden sogar was Ordentliches aufs Band kriegen.
Wie sieht es mit deinen früheren Bandkollegen aus? Machen die noch Musik, habt ihr noch Kontakt?
Zu den Ex-Uprights der zwei festen Stammbesetzungen ,1981 bis 1986 und 1989 bis 2001, gibt es auf jeden Fall noch Kontakt, wenn auch teilweise doch sehr sporadisch. Ich selber mache nur „Hausmusik“, spiele für mich oder mal auf einer Party ein paar Akustiksachen, aber bandmäßig bin ich momentan raus. Von der Originalbesetzung hat momentan eigentlich nur unser Basser Crocker ein Projekt laufen, ANTISCUM mit Ex-HASS- und -OUT OF ORDER-Leuten. Mario, der seit Ende der Achtziger in San Francisco lebt, hat seine Drums nach einigen Versuchen mit dortigen Bands – unter anderem PROUDFLESH mit dem CRUCIFIX-Sänger Sothira – an den Nagel gehängt. Aus der zweiten Stammbesetzung ist unser Gitarrist Christian „Mütze“ ja seit etlichen Jahren bei EISENPIMMEL tätig und Schlagzeuger Alex versucht gerade ebenfalls wieder mit gleich mehreren Projekten musikalisch Fuß zu fassen.
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