Musik und Dialekt ist in in der Punk-affinen Subkultur eigentlich ein No-Go. Doch DIE TÜDELBAND aus Hamburg St. Pauli gelingt die Quadratur des Kreises, sie verbinden die Straight-Edge-Kultur mit niederdeutschen Texten.
Sängerin und Multi-Instrumentalistin Mire Buthmann ist auf drei der ersten fünf TÜDELBAND-CD-Cover noch mit langen Dreadlocks zu sehen, Drummer Malte Müller mit einem blonden Afro. Doch kommt es ja nicht darauf an, was man auf dem Kopf träg, sondern was man in ihm hat. Sowohl Mire als auch Malte leben vegan, engagieren sich mit TÜDELBAND für soziale Projekte, und sie begegnen anderen Menschen stets respektvoll, siehe #IkOok (#MeToo). Diese Einstellung findet sich in den Texten wieder, zum Beispiel in dem Song „Gliek“ („Gleich“) von der sechsten CD „Ganz goot“: „Vele Minschen hebbt wi dor drapen. All weren verscheden un all weren gliek“ („Viele Menschen haben wir da getroffen. Alle waren verschieden und alle waren gleich“). Schließlich atmen alle Menschen die gleiche Luft!
Bands wie MINOR THREAT und FUGAZI standen für die Straight-Edge-Bewegung in den USA. In welchem Kontext steht die vegane Lebensweise im Bezug zur Musik? Mire: „Wir stecken viel Herzblut und Energie in unsere Musik. Ernährung ist eben der direkteste Weg, seinem Körper etwas Gutes zu tun. Man hat Verantwortung gegenüber seinem Körper, aber auch gegenüber eigenen Zielen und Wünschen. Gerade bei Themen wie Ernährung, die einen direkt beeinflussen. Bewusstsein und Gedanken. Um Energie aufbringen zu können, sich körperlich gut zu fühlen. Verantwortung gegenüber sich selbst, dem Publikum, der Ethik, der Welt. Dazu kommt, Plattdeutsch zu erhalten sowie neue Inhalte zu bringen.“
Nicht nur diese Einstellung brachte DIE TÜDELBAND in den Vertrieb von Finetunes, dessen Inhaber zugleich Präsident des FC St. Pauli ist. Sondern natürlich vor allem die Songs – weil sie, wie die Spiele des FC am heimischen Millerntor, einfach Spaß machen. Egal, woher man kommt. Nun ist mit „Live op Amrum in de Blaue Maus“ erstmals ein Live-Album erschienen. Ist es schwierig, auf Tour vegan zu leben? „Mal so, mal so. Viele Veranstalter stellen sich inzwischen darauf ein, fragen bei Unsicherheiten gern mal direkt nach. Für manche ist das der erste Anstoß, sich überhaupt mit veganer Ernährung zu beschäftigen. Aber wir sind inzwischen auch ganz gut darin, einen Notfallkorb mit im Tourbus zu haben.“
Sozialkritische Themen werden in plattdeutsche Texte verpackt. Sehen sie sich in der Pflicht, unpopuläre Themen in der Musik zu kommunizieren, oder ist es eher der Anspruch, die Leute mit Musik zu unterhalten, um damit einen Spaßfaktor zu kreieren? „Im Idealfall geht beides zusammen. Natürlich wollen und sollen die Leute unterhalten werden. Das heißt ja nicht, dass man den Kopf ausschalten muss!“
Wie wahr. Dass der Plattrock bei TÜDELBAND sehr variabel ist, hat sich mittlerweile auch bundesweit und in den Nachbarländern herumgesprochen, sogar Krautrocklegende Hans Joachim Irmler (FAUST) hat das Duo zu einem Gastspiel ins Klangbad-Studio eingeladen. Irmler spielt und improvisiert in mehreren Projekten. Eine Parallele – Müller trommelt in mehreren Formationen: „Ich mache mit meinem Trio PURE FRUIT ORCHESTRA instrumentalen Jazz-Reggae. Außerdem spiele ich in der Live-Band des persischen Künstlers Omid die Europa-Konzerte und arbeite als Studioschlagzeuger in Hamburg. Die meiste Zeit bin ich allerdings mit DIE TÜDELBAND unterwegs.“ Kein Wunder, bei mittlerweile circa 400 TÜDELBAND-Gigs ...
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #136 Februar/März 2018 und Ralf G. Poppe
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