Die Band aus Orange County ist nach WINDS OF PROMISE die nächste Supergroup, mit der Sänger Joe Nelson (IGNITE, THE KILLING FLAME) gerade eine neue LP veröffentlicht hat, „A Place In The Sun“ erscheint knapp zwanzig Jahre nach dem Debüt „Dead Like Me“. TRIGGERMAN sind außerdem Bassist Brett Rasmussen (IGNITE, NATIONS AFIRE), Gitarrist Gavin Oglesby (NO FOR AN ANSWER, BLOOD DAYS, IGNITE, THE KILLING FLAME) und Schlagzeuger Derek O’Brien (SOCIAL DISTORTION, AGENT ORANGE, D.I., ADOLESCENTS, THE GENERATORS). Das neue Album kennt musikalisch kaum Grenzen, steht dem Zeitgeist völlig entgegen – und wurde während der Amtszeit von Donald Trump geschrieben und aufgenommen. Ich erkundigte mich bei der Band nach den Hintergründen.
Stellt euch bitte vor.
Gavin: Ich habe bei „A Place In The Sun“ Gitarre gespielt und dazu an der Programmierung und den Loops gearbeitet.
Derek: Ich bin der Produzent, Ingenieur und Schlagzeuger und habe Backing-Vocals beigesteuert. Ich trommle, seit ich 13 bin, und produziere seit 2000. Ich habe das Touren gegen Studioprojekte eingetauscht – aber wer weiß, was passieren wird, wenn Reisen wieder möglich sind.
Brett: Ich spiele Bass, singe hier und da ein paar Backing-Vocals, habe ein paar Loops und Synths programmiert und ein paar Songs auf dem neuen Album geschrieben.
Joe: Ich bin der Sänger. Neben den anderen, die danach kamen, waren TRIGGERMAN meine erste nennenswerte Band.
Wie habt ihr euch gefunden?
Joe: Ich kannte Gavin schon aus der frühen Orange-County-Hardcore-Szene, aber wir haben uns erst richtig kennen gelernt, als ich bei TRIGGERMAN vorspielte. Ich glaube, Dan O’Mahoney, der Sänger von NO FOR AN ANSWER, hat auch ein gutes Wort für mich eingelegt. Ich kann kaum singen und bin mir sicher, dass Gavin gehofft hat, jemanden mit Dave Smalley-ähnlichen Fähigkeiten für das Mikrofon zu bekommen. Aber am Ende ist er bei mir hängengeblieben.
Brett: Ich lernte Joe und Gavin 1993 kennen, als ich mit dem ehemaligen IGNITE-Gitarristen Joe Foster arbeitete und Songs schrieb. Foster spielte mir das TRIGGERMAN-Album „Dead Like Me“ vor, das gerade ein paar Monate zuvor herausgekommen war. Foster war mit beiden befreundet und sagte, dass sie an einer Zusammenarbeit interessiert sein könnten. Foster und ich schrieben damals gerade Songs mit einer Drum-Machine und Nelson kam dazu und sang bei sieben oder acht Songs dazu. Gavin rekrutierte ein paar Monate später Casey Jones als Schlagzeuger und wir nannten das Projekt IGNITE. Wir begannen, Shows als fünfköpfige Band zu spielen. Es war ein cooler Beginn für einige lebenslange Freundschaften.
Gavin: Der ursprüngliche Schlagzeuger von TRIGGERMAN, Sean Higgins, kannte Joe Nelson und schlug ihn als Sänger vor. Ich erinnere mich, dass ich mich mit ihm im Haus seiner Mutter traf und wir uns ziemlich schnell verstanden und uns darauf geeinigt hatten, dass er es zumindest ausprobieren würde, Vorerfahrung hatte er, glaube ich, keine. Brett lernte ich kennen, nachdem er und Joe Foster IGNITE gegründet hatten. Wir fingen an, zusammen zu spielen und ich mochte ihn immer, auch wenn die Sache mit IGNITE nicht wirklich funktionierte. Es ist eigentlich schwer, Brett nicht zu mögen, und er ist wahrscheinlich die unkomplizierteste Person, mit der ich je in einer Band war. 1994 verließ ich dann IGNITE. Und Derek war einfach einer dieser ikonischen Namen, die man immer hörte, wenn man zu Konzerten ging. SOCIAL DISTORTION waren in den frühen Achtzigern allgegenwärtig und schienen für etwa zwei bis drei Jahre auf jeder Show in Südkalifornien zu spielen. Ich glaube, ich habe ihn um das Jahr 2000 herum kennen gelernt, als Joe und ich in sein Studio gingen, um eine Platte aufzunehmen. Er war zu der Zeit bei den ADOLESCENTS. Als Joe und ich darüber nachdachten, eine TRIGGERMAN-Platte mit altem, unveröffentlichtem Material zu machen, haben wir Derek O’Brien gefragt. Er kann schlicht und einfach alles spielen. Es wäre für uns eigentlich nicht möglich gewesen, diese Platte zu machen, wenn er nicht dabei gewesen wäre.
Derek: Und mich hat Joe einfach angerufen.
Gibt es etwas Spezifisches bei TRIGGERMAN oder etwas, das sich von den anderen Projekten unterscheidet, die ihr macht?
Joe: Es gibt einfach eine Menge kreative Freiheit bei TRIGGERMAN, besonders bei diesem Album. Bei meinen anderen Bands gibt es immer so etwas wie einen „Tourneeplan“, was bedeutet, dass ich mir beim Schreiben gleich überlege, wie diese live ankommen. Zum Beispiel schreibe ich einen Refrain und überlege, wie er gesanglich klingen soll. Bei TRIGGERMAN hingegen habe ich das Gefühl, dass ich nur für mich selbst schreibe, ohne mir Gedanken darüber zu machen, wie die Songs bei anderen ankommen werden. Es fühlt sich einfach ein bisschen wahrhaftiger an, wer ich als Person im Inneren wirklich bin.
Gavin: TRIGGERMAN sind im Wesentlichen eine Studioband, bei der wir Songs im Studio nach und nach aufbauen. Für mich agieren wir in einer Art Nische und waren nie wirklich bekannt, also hatte ich nie eine konkrete Erwartungshaltung. Und das machte es einfacher zu experimentieren. Es kam mir früher nie in den Sinn, Samples und digitale Instrumente zu verwenden – die Demoversionen schienen mir nach einiger Zeit aber unvollständig. Eine Menge Musik, die ich mag, beinhaltet ziemlich verschiedenartige Elemente, also dachte ich, dass es an der Zeit war, so was selbst zu machen. Das Aufnehmen von Demos auf meinem Computer hat auch die Weise, wie ich Songs zusammensetze, komplett verändert. Ich bin nicht wirklich ein technischer Gitarrist und so erlaubte mir die digitale Instrumentierung, über meine Grenzen hinauszugehen.
Derek: TRIGGERMAN empfand ich schon immer als eine wirklich einzigartige Gruppe und die interessanteste Punkband, die ich seit langer Zeit gehört hatte, besonders was den kreativen Prozess betrifft. Ich bin also eingestiegen und habe es nie bereut. Ich habe es immer genossen, mit kreativen Musikern zu arbeiten, die die Regeln brechen und die Songs irgendwo „hinbringen“.
Eure erste LP von 1992 „Dead Like Me“ war interessant für mich. Die Musik ist ein wenig progressiv, die Harmonien werden manchmal unterbrochen. Es ist kein mitsingbarer Orange-County-Punkrock oder -Hardcore, ihr klingt etwas „ernster“, würde ich sagen. Ähnlich wie bei eurer neuen LP.
Joe: Das ergibt Sinn. Als ich 1990 zu TRIGGERMAN kam, ging ich schon sieben Jahre lang auf Punk- und Hardcore-Shows. Es gab aber auch viele andere Künstler und Musikgenres, die ich mochte. Bands wie DEPECHE MODE, JOY DIVISION und THE CURE waren für mich genauso wichtig wie MINOR THREAT. Ich war zwanzig und wollte etwas machen, das all das vermischt, aber immer noch im Hardcore verwurzelt ist. Wir spielten eine Menge lokaler Shows mit Bands wie GAMEFACE und FARSIDE, mit denen ich mich mehr verwandt fühlte als mit den Hardcore-Bands dieser Ära wie OUTSPOKEN oder STRIFE. Obwohl wir damals einige großartige Konzerte mit STRIFE gespielt haben. Bei TRIGGERMAN fühlte es sich nie so an, als würde es zu irgendjemandem passen, was mich zu der Zeit frustrierte – zu hart für die Alternative-Rock-Szene und zu soft für die Hardcore-Szene. Eine szenelose Band, wenn man so will. Jetzt bin ich stolz auf die Tatsache, dass wir nirgends dazugehörten.
Brett: Als Joe und Gavin mich fragten, ob ich auf diesem Album Bass spielen möchte, war ich sofort dabei, weil ich schon lange Fan der Band war. Ich mochte den Einsatz von akustischen Gitarren und die im Punk nicht so traditionellen Instrumentierungen und Ideen auf „Dead Like Me“ sehr. Das verlieh der Platte damals eine Tiefe, die die meisten Punk- und Hardcore-Platten nicht hatten. Nun, auf dem neuen Album wurden wir wirklich experimentell, und es erlaubte uns im Grunde alles zu tun, auf das wir Lust hatten – wir waren durch nichts gebunden.
Gavin: Es gibt Leute, die können eine tolle, einprägsame Strophe oder einen Refrain schreiben. Ich habe diese Fähigkeit nicht wirklich. Einfachheit ist wirklich schwer für mich und ich halte mich nicht wirklich für ein soziales Wesen, also ist es für mich nicht natürlich, wenn alle im Gleichklang Arm in Arm singen. Ich bin ein Außenseiter und neige dazu, einsam zu sein. Ich mag weder Menschenmengen noch Gesang. Ich denke, die Musik spiegelt das wider.
Wie lange habt ihr an der neuen Platte gearbeitet?
Derek: Es war eine Zeitspanne von vier bis fünf Jahren, in der ich abschnittsweise daran gearbeitet habe, wenn ich die Muße dafür hatte.
Gavin: Ich glaube, ich habe um 2016 herum angefangen, Demos zu machen, während mein Sohn bei seinem Karate-Kurs war. Wir haben 2018 mit den Aufnahmen begonnen.
Warum habt ihr so viel Zeit gebraucht?
Derek: Es begann als interessantes Punk-Album und nahm eine große kreative Wendung, als Gavin mit diesen seltsamen Klanglandschaften ankam und das Ganze anfing, sich in Richtung eines Konzeptalbums mit Programmierungen, Samples, Voiceover, Drum-Loops und mehrere Schichten von Gitarren zu bewegen. Es wurde sehr progressiv und irgendwann lebte und atmete es einfach, obwohl es nie ganz fertig war.
Gavin: Ich denke, es ist fair zu sagen, dass ich es anfangs nicht machen wollte. Als mein Freund Joe vorschlug, wieder etwas aufzunehmen, war ich nicht wirklich daran interessiert, irgendetwas mit Musik zu machen. Ich habe aber zugestimmt, weil ich nur etwa zwei Freunde habe. Ich fing an, mit ein paar Sachen herumzuspielen, und es dauerte eine Weile, bis ich meinen Weg gefunden hatte. Meine letzte Band hatte zwölf Songs fertig, die ich wirklich gut fand. Wir haben uns aber aufgelöst, bevor wir sie aufnehmen konnten – und das hat einen ziemlich schlechten Nachgeschmack bei mir hinterlassen. Ich mochte diese Songs wirklich, aber ich wollte sie nicht einfach nehmen und für TRIGGERMAN verwenden. Als mir die Musik zum Song „Seed to grain“ auf unserem neuen Album einfiel, fühlte es sich anders an, obwohl es eines der geradlinigeren Stücke ist. In diesem Moment fühlte ich mich inspiriert weiter zu arbeiten. Ich habe so lange weitergeschrieben, bis ich dachte, ich hätte genug, das sich gut anhört und für ein Album reicht. Wahrscheinlich ist ein weiterer Grund, warum es so lange dauerte, dass wir dachten, dass es wahrscheinlich das letzte Mal sein würde, dass wir zusammen aufnehmen. Warum also nicht unser Bestes geben? Es wartete ja niemand auf uns und ums Geld ging es auch nicht, und so war kein Druck vorhanden.
Ist es Zufall, dass ihr das Album zur gleichen Zeit geschrieben habt, als Trump Präsident war?
Joe: Mit ein Grund, warum ich überhaupt ein weiteres TRIGGERMAN-Album machen wollte, war, ein kreatives Ventil zu haben, das mir hilft, die Zeit unter Trumps Herrschaft zu überstehen. Ich war nach der Wahl 2016 so deprimiert, dass ich etwas Positives brauchte, auf das ich mich konzentrieren konnte. Das war definitiv der Hauptgrund, mich an Gavin zu wenden. Einer der ersten Songs, die ich schrieb, „We’ve got you all figured out“, handelt von Trump. Ich bin mir sicher, dass ich vorhatte, noch ein paar mehr zu schreiben. Aber ziemlich früh begann die Diskussion über unser Konzept unsere kreative Richtung zu dominieren. Die Songs schlugen dann auch eine umfassendere, philosophischere Richtung ein. Ich begann, mich mehr auf die Wurzeln zu konzentrieren, die zum Wachstum des Trumpismus führten. Die Songs fühlten sich so viel größer an als nur Trump, was mich schließlich dazu veranlasste, den Text von „We’ve got you all figured out“ zu überarbeiten, damit er in diese größere Erzählung passt, die ich auf diesem Album zu vermitteln versuche. Ich finde es interessant, dass wir das Album fast genau in der Zeit aufgenommen haben, in der er im Amt war.
Wenn ich die Platte höre, denke ich, das ist nur ein einziger Song mit Pausen. Ihr füllt die Lücken zwischen den einzelnen Tracks mit Sounds aus Filmen, manchmal ist es Jazz, manchmal Synthies.
Joe: Deine Beobachtung ist zu 100% richtig. Es ist ein echtes Konzeptalbum mit einem singulären Thema. Alle Texte funktionieren als einzelne Songs, sind aber auch miteinander verbunden, um eine kontinuierliche, lineare Geschichte zu erzählen. Das Album besteht aus drei Akten, mit einem Anfang und einem Ende.
Brett: Wie gesagt hatten wir ja keine musikalischen Einschränkungen. Je länger wir im Studio waren, desto breiter wurde das Spektrum. Es ist cool, wenn du nach ein paar Wochen oder Monaten ins Studio zurückkommst und Derek zu dir sagt: „Es gibt jetzt einen spacigen Drei-Minuten-Part in diesem Song – kannst du einige der Lücken mit Ambient- und Bass-Overdubs auffüllen?“ Wir haben musikalisch ein paar Dinge gemacht, die ich bei anderen Projekten, an denen ich arbeite, höchstwahrscheinlich nicht mehr machen werde.
Ihr habt kein Label. Braucht eine Band heutzutage keins mehr?
Brett: Wenn du in einer tourenden Band bist und nicht die Zeit, das Wissen oder die finanziellen Mittel hast, dein eigenes Album physisch und digital zu veröffentlichen, ist ein Label wirklich die beste Option. Für TRIGGERMAN nicht. Joe hat in seiner Karriere bereits bei Plattenfirmen und in der Musikindustrie gearbeitet, also war es eine ziemlich einfache Entscheidung, das Album selbst herauszubringen. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob es viele Plattenlabels gibt, die begeistert wären, eine exklusive Auflage eines Doppel-Gatefold-Konzeptalbums zu pressen.
Joe: Wir wären nie in der Lage gewesen, ein Album wie dieses zu machen, wenn wir uns um die Label-Seite hätten kümmern müssen. In der Minute, in der wir an irgendetwas hätten denken müssen, das mit den kommerziellen Aspekten des Projekts zu tun hat, wäre meiner Meinung nach der gesamte kreative Prozess verdorben gewesen.
Gab es mal den Gedanken an eine Reunion von IGNITE mit Joe als Originalsänger?
Brett: Wir haben uns tatsächlich vor ein paar Jahren beim „Jon Bunch Memorial Concert“ getroffen und ein kurzes Reunion-Set mit Joe, Gavin, Foster, Casey und mir gespielt. Es war eine wirklich coole und denkwürdige Erfahrung, wieder mit all den Jungs zusammen zu sein, mit denen ich bei IGNITE angefangen habe.
Joe: Wie Brett sagte, kamen wir vor fünf Jahren zusammen, um unseren 2016 verstorbenen Freund Jon Bunch von SENSE FIELD zu feiern. Es war etwas Besonderes und ich fand, dass wir wirklich toll gespielt haben. Ich denke, es wäre ziemlich schwer, diese Nacht zu toppen. Eine Europatour von IGNITE in der Originalbesetzung hört sich allerdings nach einer Menge Spaß an.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Roman Eisner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Roman Eisner