TREND ist für mich eine der wenigen deutschen Bands, die dem Idealismus der ihnen - wie jeder anderen Punkband - unterstellt wird, treu geblieben sind, vielleicht auch deshalb, weil sie ihn nie vor sich hergetragen haben. TREND, und das hört man auf ihrer neuen Scheibe namens "Vier", sind nie ganz das, was man sich schlechthin unter Punk vorstellt und treffen damit genau auf den Punkt.
Ihr wohnt mittlerweile alle in anderen Städten und seid sehr viel beschäftigt. Warum TREND?
Stolle: Warum nicht? Also, ich persönlich habe gar nicht so viel zu tun. Ohne TREND würde ich wahrscheinlich gar nicht mehr von der Couch kommen und statt hundert jetzt zweihundert Kilo wiegen.
Peter: Außerdem ist Musikmachen eine schöne Sache und ein guter Ausgleich.
Boris: Die Band ist nach wie vor stetige Motivation, etwas Neues zu machen, und solange das so bleibt, gibt es keinen Grund aufzuhören. Darum TREND.
Wenn ich an euer neues Album denke, kommen mir unweigerlich Filme wie "Barfly" oder auch Takeshi Kitanos "Dolls" in den Sinn, in diesen existiert auch eine unheimliche Kraft respektive Gewalt unter der so idyllischen, scheinbar unscheinbaren Oberfläche. Woher kommt so eine, besser gesagt eure Alterswut?
Peter: Ich finde nicht, dass viel Wut in der Musik liegt, eher Aggression. Wut hat immer etwas mit Frustration zu tun, und frustriert sind wir nicht, dazu haben wir alle zu viel Lust an den Sachen, die wir machen. Die Musik ist recht durchdacht, und wer denkt, ist nicht wütend, heißt es ja so schön ... Trotz Adorno sind wir keine Kulturpessimisten, ich zumindest nicht.
Stolle: Dein Vergleich mit der Kraft/Gewalt unter der idyllischen Oberfläche gefällt mir gut. Ich denke, die neue Platte hört sich beim ersten Mal wesentlich glatter, geschliffener, massentauglicher an, nenne es wie du willst, als sie in Wirklichkeit ist. Meiner Meinung nach verschwindet dieser Eindruck von Durchgang zu Durchgang immer mehr und übrig bleibt irgendwann das, was es eben ist: Eine typische TREND-Platte mit der nötigen Prise Aggressivität. Mit Wut hat das allerdings, zumindest bei mir, nichts zu tun. Ich bin der nette Typ von nebenan, der, vor allem bei Live-Auftritten, versucht, seine technischen Defizite durch Aggressivität auszugleichen. Im Fußball würde man sagen: über den Kampf ins Spiel finden. Mir ist eben wichtig, dass es druckvoll beziehungsweise tight - Scheißwort, ich weiß - rüberkommt. Das geht aber auch ohne Wut.
Ihr seid digital von Plastic Bomb zu Same Same But Different gewechselt, einem Warner-Sublabel. Das Vinyl veröffentlicht weiterhin Sounds Of Subterrania. Was bewog euch zu dieser Entscheidung?
Stolle: Nun ja, wir waren sehr gerne bei Plastic Bomb. Als das Angebot von Same Same But Different kam, waren wir eben der Meinung, nach all der Zeit, in der wir jetzt schon Musik machen, kann man auch mal den nächsten Schritt wagen. Da wir aber, wie gesagt, alle schon lange genug "dabei" sind und man sich doch eher den Independetlabels und der D.I.Y.-Idee verbunden fühlt, war die Skepsis erst mal groß. Die Zweifel waren zwar einige Gespräche später ausgeräumt, dennoch wollten wir unbedingt die Vinyl-Rechte behalten. Mir persönlich sind Platten eh viel wichtiger als CDs. Bei einem Majorlabel hätte ich die Befürchtung gehabt, dass das Vinyl eher stiefmütterlich behandelt wird und man vielleicht hätte Kompromisse eingehen müssen. Also haben wir das Vinyl wieder vertrauensvoll in Gregors zarte Hände gelegt.
Peter: Such's dir aus: 1. Weil Gregor Samsa ein super Typ ist. 2. Weil es Schiffen nicht mehr gibt. 3. Weil SSBD am meisten Geld geboten haben.
In den letzten Monaten/Jahren gab es sehr große Umwälzungen in dem Gewerbe, welches euch ermöglicht, Platten zu veröffentlichen. Die Einbrüche in den Verkaufszahlen sind dramatisch. Einhergehend mit dieser Entwicklung kristallisiert sich eine neue Generation von Musikhörern heraus, welche kaum noch wert auf physische Tonträger legt. Wie beeinflusst das euch und eure Shows oder seit ihr losgekoppelt von dieser Entwicklung?
Stolle: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir irgendwas anders gemacht hätten, wenn die Situation nicht so wäre. Aber ganz losgekoppelt sind wir davon sicher auch nicht, da es ja wahrscheinlich schon Einfluss auf die Verkaufszahlen hat. Wir könnten bereits Platten-Millionäre sein, ihr Schweine!
Peter: Es ist nicht das "Gewerbe", das es uns ermöglicht, Platten zu veröffentlichen, das ermöglichen wir uns schon selbst. Es gab schon immer Bands, die in Kleinstauflagen ihre Musik vervielfältigte und unter die Leute brachte. Was zusammenbricht, sind ja hauptsächlich die Vertriebswege, da nichts mehr verkauft wird. Da unser Ziel aber nicht ist, von der Musik unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, sehen wir das recht gelassen. Ob jetzt Madonna oder METALLICA zehn Millionen weniger verdienen, weil die neue CD im Internet so oft heruntergeladen wird, ist mir dabei herzlich egal, leid tut es mir nur für die mittleren und kleinen Vertriebe und Labels, denen jetzt einfach der Markt wegbricht.
Euer Artwork ist immer sehr punkuntypisch, eigentlich generell sehr subkulturuntypisch. Warum, oder genauer gefragt, welchen Stellenwert haben Kunst und Grafik für euch?
Peter: Hallo, was ist denn heute bitte schön noch "subkulturuntypisch"?
Stolle: Da wir zu hässlich sind, um zu viert vor einer Graffiti-Wand zu posieren, haben wir uns für die Alternative mit den Reagenzgläsern entschieden. Sind ja auch fast vier Flaschen nebeneinander. Ansonsten halte ich mich bei den Grafiksachen eher zurück und lasse die machen, die was davon verstehen.
Boris: So wie es uns wichtig ist, wie eine Sache klingt, so ist es eben auch sehr wichtig, wie eine Sache aussieht und sich anfühlt. Für mich hat die Gestaltung den selben Stellenwert wie die Musik, das trenne ich nicht voneinander.
Wenn man sich intensiv mit eurer neuen Platte auseinandersetzt, fällt einem die Produktion auf. Ich finde keine direkten Worte, um den Sound zu beschreiben, da er leicht und wuchtig im selben Moment zu sein scheint. Wie wichtig ist euch dieser Sound, vor allem im Hinblick auf eure Liveshows.
Stolle: Kein Wunder, dass dir die Worte fehlen. Soweit ich weiß, geht unser Mischpult bis elf, eins mehr, darum haben wir viel mehr Möglichkeiten als andere Bands und können einen Sound machen, der zugleich wuchtig wie auch federleicht ist. Aber das kann dir sicher Peter, unser Meister der vielen Knöpfe und Kabel, besser erklären. Und klar spielt der Sound auf Platte wie live eine wichtige Rolle.
Peter: Das ist der in Fachkreisen so genannte "Yogurette-Sound": Kommt leicht und luftig daher, ist aber eigentlich die volle Bombe.
Noch einmal zu den Texten. Das Gros an deutschsprachigen Bands ist entweder sehr stumpf oder aber es wird alles euphemistisch verklausuliert. Wie wichtig ist es euch, Inhalte zu vermitteln?
Peter: Die Texte sind für mich nur ein Teil von dem, was wir vermitteln wollen. Das macht der Fezer echt gut, ich mag seine Mischung aus wirren Herleitungen, Verschlüsselungen und klaren Aussagen. Wenn es aber um das Vermitteln von Inhalten geht, finde ich es viel wichtiger, nicht als Prediger dazustehen und nur Parolen zu bieten, sondern um das Gesamterscheinen der Band. Wie man mit den Leuten umgeht, dass man fair ist und bleibt und versucht die Sache für alle Beteiligten, also Zuschauer, Plattenkäufer, Label, Veranstalter, gut ablaufen zu lassen.
Stolle: Bei mir persönlich ist das mit Texten so eine Sache. In erster Linie höre ich Musik der Musik wegen, die Texte sind für mich meist zweitrangig. Wenn mir die Musik gefällt, ist es mir fast egal, worüber gesungen wird - rechtes Material oder anderer verwerflicher Mist natürlich ausgenommen. Andererseits gibt es auch immer wieder Songs, die mich gerade auf Grund des Textes in ihren Bann ziehen. Bei TREND mische ich mich textlich nicht ein. Man kennt sich ja mittlerweile und ich weiß, dass Fezer keinen Scheiß abliefert. Zumindest war ich bisher immer zufrieden und das reicht mir dann. Ich weiß ja meist nicht einmal, um was es geht. Ich habe nur Fach-Abi und bin somit der Band-Idiot.
Ich mag an euch, dass ihr eine Band seid, die sich nicht ständig neu selbst inszeniert. Stört euch das bei anderen oder ist es euch schlicht egal?
Peter: Ich glaube für die Frage, wie und ob wir uns inszenieren, fehlt uns einfach die Zeit ...
Stolle: Mir ist das egal, welche Band sich wie inszeniert. Bei uns ist es mir wichtig, dass es eben nicht so ist. Wir machen etwa alle zwei Jahre eine Platte und spielen zwischendurch ab und zu mal live. Und das läuft mehr oder weniger immer gleich ab. Man muss sich nicht überlegen, was man denn nun wieder machen könnte, um diesen oder jenen Effekt zu erzielen. Wir gehen rauf, geben unser Bestes, gehen wieder runter und trinken weiter. Alles weitere ist Firlefanz.
Boris: Inszenierung spielt keine Rolle, es geht um das Produkt oder die Situation.
Noch eine Frage an Fezer: Da du kein Buch schreiben magst, welches würdest du gerne lesen?
Fezer: Ohne Witz: Das weiß ich doch vorher nicht. Ich habe neulich beim Umziehen - der Wohnung, nicht der Kleidung - Dutzende Bücher ungelesen und teils originalverpackt gefunden und sie in der Gemeindebibliothek Höhr-Grenzhausen abgegeben. Die hatten sich über Jahre bei mir angesammelt, weil ich mir so eine Clubmitgliedschaft habe aufschwätzen lassen. Ich bin eben zu gutgläubig. Die Bibliothekarin hat sich richtig gefreut und ich habe jetzt mehr Stauraum. Und meine Lektüre: Ich lese zur Zeit ganz intensiv das Kicker-Sonderheft und weniger intensiv von Flann O'Brien "Der dritte Polizist".
Trozas
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