TRANZMITORS

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Tanzen in der ersten Reihe

Nicht nur weil einer ihrer Songs mit „Dancing in the front row“ betitelt ist, trifft die Überschrift zu, sondern vor allem weil die TRANZMITORS aus Vancouver, Kanada tatsächlich zur ersten Garde der Powerpop/Punkbands der Gegenwart zu zählen sind. Ähnlich wie die CUTE LEPERS, mit denen sie eine enge Freundschaft pflegen, wissen auch die TRANZMITORS wie man einen eingängigen Pop-Song schreibt und welches Maß an Punkrock man ihm gönnen sollte, damit er nicht zu einem schnarchigen Samenzieher verkommt. Wo sich ihre Freunde aus Seattle schon des Mod-Revivals der Achtziger bedienen, legen die TRANZMITORS noch ein Drei-Knopf-Sakko obendrauf, ohne dabei aber zu angegrauten Revivalisten zu werden, die am Strand von Brighton verzweifelt auf den nächsten Rocker warten. Ansonsten hätte sich wohl auch kaum Stiff Records das erste Mal seit Urzeiten dazu bewegen lassen, eine klassische Langspielplatte zu veröffentlichen, und das bereits 2007 erschienene, selbstbetitelte Debütalbum der Band für Europa und Großbritannien lizensiert. Wie es dazu kam, erzählte mir Drummer Bryce Dunn.

Ihr werdet als Band ja sowohl in die Mod- als auch in die Punk-Schublade gesteckt. Denkst du, dass solche Kategorien heutzutage überhaupt noch wichtig sind, nachdem die Grenzen zwischen den einzelnen Jugendkulturen ohnehin nicht mehr so streng gezogen werden, wie es vielleicht früher einmal der Fall war?

Mit diesem Mod-Label habe ich mich selbst immer etwas schwer getan, weil das wirklich eine sehr klar definierte Subkultur ist, die im eigentlichen Sinn so heute nicht mehr existiert. Ich würde uns eher als Powerpop-Band bezeichnen, die ihre Einflüsse sowohl aus Punk als auch aus Mod bezieht.

Denkst du, dass Musik durch das Verschwimmen der Grenzen austauschbarer geworden ist, als es zu Beginn dieser Jugendkulturen der Fall war, wo jedes Label und jede Band einen speziellen Stil und Sound hatte, mit dem man sich identifizieren konnte?

Ich würde es eher so sehen, dass die Szene bei den All-Ages-Konzerten leider die einzige ist, die eine Verbindung der unterschiedlichen Stile zulässt. Dank des Internets und des offenbar unstillbaren Bedürfnisses, neue Musik zu entdecken, ist es eher so, dass viele sich unbedingt nur mit einer speziellen Szene identifizieren wollen. Mit unserer Band versuchen wir aber, alle Einflüsse der „Pop“-Musik zu erforschen, und ich denke, das funktioniert recht gut. Wir sind glücklich, mit jedem spielen zu können, egal, ob das jetzt FUCKED UP, TEENAGE HEAD oder eine LoFi-Garage-Band ist.

Du hast ja schon erwähnt, wo ihr euch als Band seht. Welche Werte sind für euch als Einzelpersonen wichtig und warum? Wo seht ihr Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen Szenen?

Als Individuen schätzen wir die Ästhetik der Mod-Bewegung, auch weil wir uns mit der dahinterstehenden Philosophie des „Clean living under difficult circumstances“ identifizieren können. Wir kleiden uns außerdem alle gerne smart und schätzen die unterschiedlichen musikalischen Hintergründe der Szene, also Punk, Soul, Ska, Reggae und Pop. Unser persönlicher Bezug zur oben angesprochenen Philosophie ist zum Beispiel, dass wir alle versuchen mit dem Druck klarzukommen, den man erlebt, wenn man seine Kinder großziehen will, und es dabei mit seinem Job gerade so schafft, seinen Kopf über Wasser zu halten. Man muss sich aber auch auf die Gegenwart beziehen und darf sich nicht nur damit beschäftigen, eine alte Bewegung wiederzubeleben. Stattdessen sollte man versuchen, ihr mit neuen, unterschiedlichen Einflüssen etwas Frische einzuhauchen, was wir, glaube ich, sehr gut können.

Gab es in Kanada zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt so etwas wie eine „echte“ Mod-Szene?

Ich bin sicher, dass es einige Mods gab und auch noch gibt, aber bei weitem nicht so viele wie beispielsweise in den USA oder Europa während des Mod-Revivals in den Achtzigern. Was Bands angeht, so gab es, soweit ich weiß, nur THE MODS aus Toronto, die die Mod-Kultur mit ihrer Kleidung und in ihren Songs aufgriffen. Es gab zwar auch einige Powerpop-Bands wie die BUREAUCRATS, DIODES oder POINTED STICKS, die Mod-Einflüsse hatten, aber das waren wiederum auch nur sehr wenige.

Hat sich das inzwischen verändert? Wie ich gehört habe, habt ihr ja auch auf einigen Scooter-Rallyes gespielt – seid auch selber in dieser Szene aktiv, die ja eng mit Mod verbunden ist.

Um ehrlich zu sein, fährt keiner von uns besonders oft und wir haben auch gar nicht auf so vielen Rallyes gespielt. Unser alter Keyboarder Jarrod war ein wirklich großer Motorroller-Enthusiast, was auch für unseren Sänger Jeffrey gilt. Der Geist, der heute in dieser Szene herrscht, umspannt viele verschiedene Subkulturen, womit da auch eine Ähnlichkeit dazu wäre, wie wir unsere Band sehen, die, wie ja schon gesagt, auch mit einer Punk-, Hardcore -oder Garage-Band zusammenspielt, wir mögen eben diese Mischung.

Die UK-Version eures Albums aus 2007 erschien beim legendären Stiff Records Label. Welche Bands dieses Labels kommen euch deiner Meinung nach am nächsten oder könnten als Einfluss für euch genannt werden? Welches ist das grausamste Stiff-Records-Release in eurer Plattensammlung?

Viele Reviews nennen Elvis Costello als Referenz, was ich ziemlich cool finde, außerdem THE DAMNED, was die Live-Show angeht, wir versuchen dort immer mehr Gas zu geben, mehr Punk, damit die Kids auch Spaß an der Sache haben. Dann natürlich noch POINTED STICKS, zum einen weil sie auch aus Vancouver sind und zum anderen weil wir diese Band einfach lieben. Beim zweiten Teil der Frage bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich darauf antworten soll, ich will hier keine gegenseitigen Anfeindungen auslösen. Lass es mich also mal so sagen, ich war nie ein großer Fan von Jona Lewie oder den POGUES, aber da kann die Antwort auch schon wieder anders ausfallen, je nachdem, wen du in der Band fragst. Dabei will ich es hier mal belassen.

Wie fühlt es sich an, auf dem selben Label zu sein, dass auch die erste unabhängig veröffentlichte Punk-7“ herausgebracht hat, und wie kam es dazu?

Irgendwann 2007 war ich gerade auf unserer MySpace-Seite zugange, als ich plötzlich folgende Nachricht in unserem Posteingang fand: „Hey, hier ist Pete von Stiff Records, ein Kumpel von mir hat eure Singles gehört und war absolut begeistert von ihnen, deshalb hat er mich auf euch aufmerksam gemacht. Ich betreibe Stiff Records hier in London und würde gerne eure Platte in UK veröffentlichen.“ Nach dem Satz habe ich erst mal aufgehört zu lesen und zu mir selbst gesagt, dass das wohl nur ein schlechter Scherz sein kann. Am Ende der Nachricht stand dann aber: „Das ist kein Witz, hier sind meine Telefonnummer und E-Mail-Adresse, meldet euch doch bitte, dann können wir etwas ausmachen.“ Unnötig zu erwähnen, dass ich das den anderen Jungs natürlich noch am selben Abend bei unserer Probe erzählt habe, woraufhin die fast aus den Latschen gekippt wären. Wir konnten es nicht glauben, dass eines unserer Lieblingslabels aller Zeiten unsere Platte veröffentlichen wollte. Als die LP dann bei Deranged erschienen war, haben wir gleich einen Lizenzdeal mit Stiff ausgemacht, die die Platte dann inklusive einer Bonus-CD mit unseren vorherigen Singles in Großbritannien und Europa veröffentlicht haben. Es war das erste Album-Release auf Stiff – einige Singles von ein paar UK-Bands nicht mitgezählt – seit der letzten Platte von DR. FEELGOOD 1978.

Wie du schon gesagt hast, habt ihr vor der LP einen ganzen Stapel Singles veröffentlicht, was man in Zeiten, in denen jeder über illegale Downloads und sinkende Plattenverkäufe spricht, überhaupt nicht hoch genug schätzen kann. Denkst du, dass unsere Szene diesbezüglich bis zu einem gewissen Punkt immer noch eine Ausnahme darstellt? Schließlich ist die 7“ immer noch das beste Format aller Zeiten.

Da hast du absolut Recht, ich bin dem 7“-Format treu ergeben, es zwingt eine Band dazu, nur das absolut Beste abzuliefern. Auch weil die Aufmerksamkeitsspanne der Zuhörer immer kürzer wird und man sie schnell für sich gewinnen muss – für CDs interessiert sich heute doch sowieso niemand mehr.

Bei Dirtnap und No Front Teeth sind gerade zwei neue Singles von euch erschienen, wird da bald ein neues Album folgen?

Nein, wir haben untereinander vereinbart, keine neue LP aufzunehmen, sondern stattdessen eine Reihe mit Singles, die wir später als Sammlung auf einer LP zusammenfassen können, so wie wir es bei unserer „Busy Singles“-Collection getan haben. Wir sind gerade mit den Aufnahmen für zwei neue Singles fertig geworden, und für den Sommer 2011 sind dann zwei weitere geplant, die dann im Herbst erscheinen sollen.

Die TRANZMITORS sind ja nicht eure erste Band, einige von euch haben bereits bei den SMUGGLERS und NEW TOWN ANIMALS gespielt und nicht zuletzt ist einer auch für die großartige Jeffie Genetic-Platte verantwortlich. War das hilfreich für euch, als es mit den TRANZMITORS losging?

Auf jeden Fall, diese Bands haben ihre ganz eigene, großartige Geschichte und schließlich waren wir alle durch sie auch bereits Freunde. Als wir dann die TRANZMITORS gegründet haben, kannten wir dadurch schon die musikalischen Stärken des anderen und es war ziemlich leicht für uns, Songs zu schreiben und sie schnell fertig zu stellen. Die Wahrheit ist, dass die TRANZMITORS ursprünglich als Live-Version des Jeffie Genetic Soloprojekts geplant waren, aber diese Idee haben wir schnell boykottiert, schließlich sind wir keine Robotersklaven, haha.

Ihr seid eng befreundet mit den CUTE LEPERS, und Stevie Kicks spielte ja ebenfalls mal bei den NEW TOWN ANIMALS bevor er dann bei den BRIEFS und später den CUTE LEPERS einstieg. Was macht die Freundschaft zwischen euch als Bands aus und inwiefern ist eure Herangehensweise an Musik ähnlich?

Sie sind so eine großartige Band und wir alle waren von Anfang an riesige BRIEFS-Fans, so dass es nur natürlich war, dass wir über die Jahre in Kontakt blieben. Wir teilen die selben Einflüsse und sind immer gespannt darauf, was der andere als Nächstes bringen wird. Ich kenne Stevie Kicks ja wie gesagt von meiner Zeit bei den NEW TOWN ANIMALS und schon davor, es freut mich sehr, dass er in so einer erfolgreichen Band ist und das tun kann, was er so liebt.

Warum hat es da bisher noch nicht geklappt, dass ihr die CUTE LEPERS bei einer ihrer Europatouren begleitet? Wir würden hier total durchdrehen bei so einem Paket.

Du kannst mir glauben, wir würden liebend gerne mit den CUTE LEPERS bei euch touren, aber unsere Möglichkeiten auf Tour zu gehen sind leider nicht so groß wie ihre. Wir haben alle Vollzeitjobs und Kinder, was uns zumindest im Moment auf der anderen Seite des Atlantiks festhält. Wir geben die Hoffnung aber nicht auf!