TOXOPLASMA

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29 Jahre später

Sie sind eine der dienstältesten noch bzw. wieder aktiven deutschen Punkbands: TOXOPLASMA aus Neuwied mit Frontmann Wally. 1980 fand man sich zusammen, 1982 waren sie auf dem legendären AGR-Sampler „Underground Hits“ und 1983 erschien das Debütalbum, gefolgt von einer Deutschland-Tour mit den BAD BRAINS. 1986 war Schluss, Anfang der Neunziger ging es (metallischer) weiter, 1998 dann der erneute Split – und 2004 die erneute Reunion, passend zur Neuauflage des ersten Albums bei Weird System. Seitdem gab es zwar keine neue Platte, aber einige Konzerte. Ich befragte Bassist und Gründungsmitglied Stefan Ziehn.

Wie ist der aktuelle Stand in Sachen TOXOPLASMA?


Unser Trommler ist endgültig aus der Band draußen, so dass leider unsere Teilnahme am „Punk im Pott“-Festival Ende 2008 kurzfristig abgesagt werden musste. Das kam doch eher so„hoppla-hopp“, so dass weder Lust noch Zeit blieb, einen Gastmucker extra für diesen Gig einzuarbeiten. Dann hatten wir aber das unwahrscheinliche Glück, unseren Wunschkandidaten Hermann von den wunderbaren BUBONIX als neuen Drummer gewinnen zu können. Hermann spielt natürlich weiterhin bei den BUBONIX, passt aber auch in jeder Hinsicht perfekt zu Toxo. Anders als bisher bieten sich mit ihm technisch und musikalisch völlig neue Perspektiven und wir fangen gerade in aller Ruhe an, diese Möglichkeiten in neue Stücke umzusetzen.

Einer Umfrage der Macher des Buches „Keine Zukunft war gestern“ zufolge waren beziehungsweise sind TOXOPLASMA eine der wichtigsten deutschen Punkbands. Das ehrt zwar, aber dennoch: Ist das rückwirkende Verklärung oder eine realistische Einschätzung eures Status’ in den 80ern?

Zunächst einmal vielen Dank dafür, dass nicht wieder automatisch von dem Stereotyp der „klassischen Deutschpunk-Band“ die Rede ist! Zwar werden wir häufig auf dieses Attribut reduziert, haben uns selbst jedoch nie so gesehen. Zu unseren Anfangstagen, in den späten 70ern und frühen 80ern, gab es diese Nuancierungen so noch gar nicht, „richtige“ Punkbands aus Deutschland waren Mangelware. Deshalb sind wir als Zuschauer in dieser Zeit auch wie selbstverständlich zu „Wave“-Konzerten zum Beispiel von WIRTSCHAFTSWUNDER, RADIERER oder auch DEVO gegangen. Man fühlte sich insgesamt als eine „Punk- und New Wave-Szene“. Uns als Musiker war jedoch von vornherein klar, dass wir möglichst harte Mucke, mit Texten in der Sprache, in der wir uns am besten ausdrücken können, machen wollten. Unsere erste LP dürfte dann auch einen gewissen Einfluss auf die deutsche Punk-Szene gehabt haben, was aber, wie gesagt, sehr mit der damaligen Situation zusammenhing: Es gab halt in Deutschland nur eine Handvoll Bands, die sich an deutsche Texte herantraute. Dieses Segment war noch zu stark von Schlagerfuzzis und bestenfalls Udo Lindenberg besetzt. Da wir jedoch kein reiner „England-Klon“ sein wollten, haben wir in unserer Sprache, mit unseren begrenzten Fähigkeiten, unsere Angst und Wut unter anderem bezüglich Reagan, Atomkrieg, Startbahn West, dem repressiven Bullenstaat, Drogen und so weiter herausgebrüllt. Das war auch genau so gemeint, was wohl viele Leute gemerkt und uns abgenommen haben.

Hat sich das jemals in den Verkaufszahlen eurer Platten niedergeschlagen? Und welche sind denn aktuell überhaupt zu haben?

Unsere erste LP hat sich – insbesondere für eine deutsche Punk-Platte – über die Jahre hinweg ganz gut verkauft; die späteren wohl auch. Allerdings dürfte jedem klar sein, dass die Produktion eines Tonträgers für die Bands heutzutage ein Minusgeschäft und reine Liebhaberei ist. Soweit ich weiß, gibt es aktuell noch alle Toxo-Scheiben zu kaufen.

Welche Bands waren für euch damals diejenigen, die ihr wirklich verehrt beziehungsweise geschätzt habt?

Auch wir waren, in den ausgehenden 70ern, zunächst stark britisch beeinflusst: X-RAY SPEX, THE DAMNED, WIRE, STIFF LITTLE FINGERS, SHAM 69 und THE CLASH waren unsere Bands. Und in Deutschland sind da vor allem die genialen BUTTOCKS zu nennen. Aus Amerika gab es anfangs nur die RAMONES und die DEAD BOYS. Später die DEAD KENNEDYS, BAD BRAINS, BLACK FLAG und die CIRCLE JERKS.

Am 3. Oktober habt ihr in Hannover ein Konzert anlässlich der Uraufführung des „Chaostage“-Films gespielt, das in einem kleinen „punk riot“ endete. Wie lief das genau ab und was habt ihr davon mitbekommen?

Der Laden, in dem wir spielen sollten, war zu klein und bereits mittags total überfüllt, so dass viele Leute davor herumhingen. Wie vorherzusehen war, tauchten die Cops auf, was Reaktionen provozierte, die natürlich einen triftigen Grund boten „energisch und entschlossen durchzugreifen“. Dann eskalierte die Situation: der Laden wurde komplett eingekesselt und niemand durfte mehr rein oder raus. Über etliche Stunden wurden einige hundert Leute wie Ölsardinen auf engstem Raum, ohne funktionierende Klos und Getränke zusammengepfercht. Draußen kam es teilweise zu Szenen, die sehr an die frühen 80er in Kreuzberg erinnerten. Wir steckten währenddessen zwei Kreuzungen weiter vor einer Straßensperre für mehrere Stunden fest und versuchten die Ordnungshüter davon zu überzeugen, dass es bestimmt deeskalierenden Einfluss hätte, wenn wir spielen dürften. Auch sonst bekamen wir richtig was geboten: Gefängnisbusse, Hannoveraner Dressurreiterei oder den unglaublich gefährlichen Punk, der, obwohl auf der Straße liegend und von zwei Beamten mit Knien fixiert, noch des exzessiven Schlagstockeinsatzes bedurfte. Als sich die Situation schließlich etwas entspannt hatte, durften wir dann rein und haben gespielt.

Aber irgendwie war das doch vorhersehbar, oder?

Auf die gezielte Provokation hin, den Film „Chaostage“ ausgerechnet in Hannover vorzustellen, wurde von irgendwelchen lokalen Paranoikern mit völlig überzogenem Staatsmachtgehabe reagiert. Ohne diese blödsinnige „Demonstration der Stärke“ wäre es sicher friedlich geblieben. Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass diese ganze Aktion dem Film „Chaostage“ erhebliche Medienpräsenz gebracht hat. Meines Erachtens ist es dabei jedoch höchst fragwürdig, wie stark die Menschen hier instrumentalisiert wurden ...

Euer Auftritt beziehungsweise der Polizeieinsatz in dessen Umfeld diente dem Ordnungsamt der Stadt Oberhausen dazu, das „Punk im Pott“-Festival zu verbieten. Eine harte Maßnahme mit fragwürdiger Begründung – wie stehst du dazu als jemand, der in rechtlichen Dingen ja nicht ganz unerfahren ist?

Die Begründung des Verbotes ist in der Tat eine Frechheit und ich bin froh darüber, dass sich unser Freund Alex Schwers, der Veranstalter des „Punk im Pott“, dagegen wehrt. Die Aussage, von „Punk-Veranstaltungen“ gingen „besondere nicht einschätzbare Gefahren“ aus, grenzt an Sippenhaft: Mit gleicher Begründung müsste generell jedes Konzert und auch jedes Fußballspiel zum Beispiel von Rot-Weiß Oberhausen verboten werden, da es auch hier nicht einzuschätzende Gefahren gibt. Nur aufgrund der vagen Möglichkeit einer „abstrakten Gefahrenlage“ ist dieses Verbot meiner Meinung nach unhaltbar. Hinzu kommt, dass es in den zehn Jahren, seitdem das „Punk im Pott“ existiert, zu keinen wirklich „besonderen Vorkommnissen“ kam und sich der Veranstalter bereits im Vorfeld nach Kräften darum bemühte, gemeinsam mit der Stadt Oberhausen ein umfangreiches „Sicherheitskonzept“ auf die Beine zu stellen.