Musik machen ist nicht schwer, ein Label betreiben doch schon etwas mehr, schließlich stehen Zeitaufwand und Umsatz in der Regel in einem krassen Missverhältnis. So ist diese Arbeit zumeist getragen von einer außerordentlichen Portion Idealismus und der Liebe zur Musik. Exemplarisch dafür steht das Schaffen des Krefelder Labels Tonzonen Records – betrieben von Dirk Raupach. Ein Trip.
Zunächst mal ein kleiner Steigbügel für alle diejenigen, die ein Label betreiben wollen und noch auf der Suche nach einem passenden Namen sind. Hört mit Fleiß und Muße WDR 5, vielleicht wird dort eines fernen Tages noch einmal ein Musikwissenschaftler referieren, zum Beispiel über sogenannte „Tonzonen“ – und plötzlich ist der Labelname, das Etikett, das schon so lange unsichtbar im Raum umherschwirrte, ganz deutlich zu erkennen. So ungefähr geht die kleine Geschichte, die Dirk Raupach widerfuhr, als er auf einer Autofahrt im Radio den Namen für sein eigenes kleines Label präsentiert bekam. Aber erst mal einen kleinen Schritt zurück.
Eine so manchem wohl nicht gänzlich fremde Geschichte: Irgendwann lernt man, zumeist auf dem Schulhof oder durch Freunde – sind diese etwas älter –, Metal oder Punk kennen, die Initialzündung für vieles, das irgendwann mal folgen sollte. Festigung und Erweiterung des eigenen Geschmacks, Neues/Altes entdecken, fragen, woher kommt das, warum klingt das so, haben sie das so als Erste gespielt? Platten kaufen, im Plattenladen, auf Börsen und beim Trödel. Plötzlich aufkommendes Interesse, selber auch mal Musik zu machen. Es folgt eine eigene Band, ein kleines Projekt und die Frage, ob das vielleicht auch andere Menschen hören wollen. Schließlich muss wohl ein kleines Label gegründet werden, damit der eigenen Kunst auch der gebührende Rahmen gegeben werden kann.
So lautet die ganz knappe Version der Geschichte Dirk Raupachs, und so lautet auch die Geschichte vieler anderer Independent-Labelmacher. So weit, so gut, nur gibt es in Dirks Geschichte einen kleinen Unterschied. Irgendwann, wohl an der Schwelle zum Erwachsensein, weiß man, ob man Musiker sein will und kann – wer sich bis dahin nicht ausprobiert hat, kommt in den seltensten Fällen noch dazu. Dirk aber startete seine ersten musikalischen Gehversuche im, mit Verlaub, abrahamitischen Musikbeginneralter von Anfang vierzig; allerdings nicht ganz alleine, sondern zusammen mit Freund Alexander Djelassi gründete er das Neo-Krautrock-Projekt SOUNDS OF NEW SOMA. Gar nicht lange dauerte es, bis genug Material für das erste Album „Beyond The Acid Dream“ vorhanden war. Diese LP, gleichzeitig der Startschuss für Tonzonen Records im Jahr 2014, verlangte allerdings ein professionelles Mastering. Warum dafür nicht einfach direkt die Koryphäe des Genres fragen? Eroc, bürgerlich Joachim Ehrig, Gründungsmitglied von GROBSCHNITT, gefiel das Album ausgesprochen gut und so entstand eine Zusammenarbeit, die bis heute anhält, werden doch die meisten Tonzonen Releases von Eroc gemastert.
Nun, der Labelzug war mit der Veröffentlichung des eigenen Albums und einigen Mailorderaktivitäten auf die Gleise gesetzt. Noch im selben Jahr folgte auch das erste Release einer externen Band. LOVE MACHINE aus Düsseldorf entdeckte Dirk im Internetradio, kontaktierte die Jungs und brachte dann ihr Album „A Present To The Galaxy“ raus. 2015 aber sollte der Zug nun richtig Fahrt aufnehmen – ganze fünf Veröffentlichungen gingen über das Jahr verteilt hinaus, so dass Dirk bald schon nicht mehr auf die Suche nach Bands gehen musste. Im Jahr 2017, bis dato gibt es 32 Releases auf dem Label, ist es so, dass Dirk bis zu vier Anfragen pro Woche erhält, Bands aus aller Welt, die gerne auf Tonzonen Records eine Platte veröffentlichen würden. So kontaktierten ihn beispielsweise CHOLO VISCERAL aus Peru, deren zweites Album in der Vinylversion dann auch auf Tonzonen erschienen ist.
Grundsätzlich achtet er bei der Auswahl der Bands auf eine gesunde Mischung, wobei die Förderung junger Bands ein wichtiger Baustein der Label-Philosophie ist. Zu nennen seien hier mal stellvertretend die Kölner Impro-Krautrocker KNALL und KARAKORUM aus Altötting. Ebenso haben die gesetzteren SPACELORDS eine Heimat bei Tonzonen gefunden und hier nun schon ihr drittes Album „Waterplanet“ veröffentlicht. Wenngleich durchaus deutliche stilistische Unterschiede auszumachen sind, ist allen Releases gemein, dass sie die Grenze zum Metal nicht überschreiten. Mit Stoner, Psychedelic und Kraut mit kleinen Erweiterungen in den Ambient-Bereich ist das Chassis von Tonzonen Records geschmiedet – zu heftige Grenzüberschreitungen seien für die mittlerweile recht große Anzahl an Stammkunden verstörend, ist sich Dirk sicher. Diese legten sowohl großen Wert auf die Exklusivität – die LPs erscheinen entweder in 500er oder 1.000er Auflagen und bei Nachpressungen wird immer etwas variiert – als auch auf die höchstmögliche Qualität. Güte, so Dirk, umschließe nicht nur die Musik, sondern auch das Artwork.
Auf mindestens diesem Niveau werden im kommenden Jahr weitere 12 bis 15 Alben erscheinen; ebenso gibt es aufgrund der positiven Resonanz eine Wiederholung der letztjährigen Tonzonen-Labelnacht in der Krefelder Kulturfabrik. Die Weichen für die Label-Zukunft sind gestellt, und wer weiß, vielleicht dudeln eines fernen Tages sogar mal die psychedelischen Klänge einer Tonzonen-Veröffentlichung bei WDR 5 im Radio?
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Peter Wingertsches