Hört man den Bandnamen, denkt man spontan an Serien aus dem Kinderfernsehen wie „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ oder „Teletubbies“. Aber weit gefehlt. Hinter TOMMY AND THE TELEBOYS stecken vier Garage-Rocker aus Halle an der Saale, die jetzt ihr vielversprechendes Debütalbum „Gods, Used, In Great Condition“ aufgenommen haben. Tommy heißt der Drummer und die zwei Gitarristen spielen beide Fender Telecaster, deshalb sind sie die Teleboys. Gemeinsam fabrizieren sie einen schwer in Worte zu fassenden Sound zwischen Garage, Psychedelic, Post-Punk, Krautrock, Noise und Elektronik. Gitarrist Simon und Bassist Gregor verraten uns im Ox-Interview, woher diese Mischung kommt.
Wie seid ihr zusammengekommen? Habt ihr vorher schon in anderen Bands gespielt?
Simon: Tom, Fabi und ich haben uns vor etwa fünf Jahren beim Studieren kennen gelernt. Tom und ich Medientechnik und Fabi Biologietechnik. In Köthen, um genau zu sein, wir sagen aber immer Halle, weil das cooler klingt. Das ist etwa 30 Kilometer entfernt. Dann haben wir unsere erste Band gegründet, die DRY VEIN hieß. Damals hatten wir einen ziemlich hohen Bassisten-Verschleiß, bis wir Gregor 2021 gefunden haben. Das lief tatsächlich durch eine Facebook-Anzeige. Seitdem ist der Bassistenplatz nicht mehr so wackelig wie früher, haha.
Gregor: Ich bin eigentlich Kulturwissenschaftler und Archäologe. Ich bin für zwei Jahre nach Halle gezogen, weil ich dort einen befristeten Job am archäologischen Museum hatte. In dieser Zeit habe ich Leute zum Musik machen gesucht und gefunden. Das war der Beginn einer wunderbaren Lovestory.
Eure Homebase ist Halle an der Saale. Wie ist es dort als Band, verglichen mit Städten wie Berlin oder Leipzig?
Simon: Wir haben sehr lange nach einem Proberaum gesucht und sind dieses Jahr zum Glück im Kulturzentrum Hühnermanhattan untergekommen. Die Musikszene in Halle ist natürlich begrenzt. Es gibt ein paar besetzte Häuser und da gibt es viele Punkbands. Von dieser Szene waren wir aber nie wirklich Teil. Es gibt auch eine Stoner-Szene, aber da waren wir auch nicht dabei.
Gregor: Das liegt vielleicht daran, dass keiner von uns ursprünglich aus Halle kommt, wir hängen also nicht seit unseren Teeniejahren an der Halfpipe herum. Es gibt eine Handvoll Läden wie Objekt 5, in denen man Konzerte spielen kann, wo es Underground-Shows gibt. Aber es ist nicht vergleichbar mit Leipzig oder Berlin. Der große Vorteil von Halle ist die Lage. Nach Leipzig sind es knapp 40 Kilometer. Unsere zweite Base ist inzwischen Berlin, da ist man auch total schnell.
Wie seid ihr bei Noisolution gelandet? Habt ihr euch beworben oder seid ihr entdeckt worden?
Gregor: Das kam mehr oder weniger zufällig. Wir hatten das Album fertig und ich habe ein paar Labels angeschrieben, die ich cool finde. Noisolution gehörte schon immer zu unseren Favoriten, weil da so viele Bands unter Vertrag sind, die wir mögen. Schon am nächsten Tag kam eine sehr nette Mail von Labelboss Arne zurück, wir haben gleich telefoniert und die Sache war geritzt. Wir konnten es selbst kaum glauben. Persönlichen Kontakt zu anderen Noiso-Bands wie COOGANS BLUFF oder ROTOR hatten wir bis dahin nicht. Da gab es also keine Empfehlung oder so.
„Gods, Used, In Great Condition“ heißt euer Debütalbum. Was steckt hinter dem Titel? Wer sind die Götter, von denen ihr sprecht?
Simon: Wir haben ein kleines Universum erschaffen, das wir liebevoll Televerse nennen. Darin bewegt sich jeder Song, der auf dem Album ist. Inhaltlich könnte man also von einer Art Konzeptalbum sprechen. Bevor wir uns aber für dieses Konzept entschieden haben, gab es schon einige fertige Songs und Texte, deshalb haben wir uns einen gemeinsamen Nenner überlegt, damit es ein großes Ganzes ergibt. Dieses Televerse ist keine schöne Welt, eher ziemlich dystopisch mit ziemlich vielen dunklen Gestalten. Zum Beispiel Amazon-Chef Jeff Bezos oder Sarevokk, eine Art Gottheit aus dem Computer-Rollenspiel „Baldur’s Gate“. Eher abgehalfterte, traurige Gottheiten. Deshalb hat der Albumtitel im Stil einer Kleinanzeige gut dazu gepasst.
Gregor: Auf dem Album stehen sich zwei Seiten gegenüber. Auf der einen Seite Jeff Bezos und problematische Tech-Persönlichkeiten und auf der anderen Seite religiös verblendete Konservative. Man muss einfach nur mal die Zeitung aufschlagen, um die Parallelen zur echten Welt zu entdecken. Immer gibt es jemanden, der über allen steht, das sind die Götter, die wir meinen. Deshalb wollen wir diese Götter loswerden. Vielleicht nimmt sie jemand, wenn sie in gutem Zustand sind?
Euer Sound ist schwer in Worte zu fassen. Garage-Rock mit Einflüssen aus Psychedelic, Post-Punk, Krautrock, Noise und Elektronik. Was war der Plan?
Simon: Tatsächlich gibt es keinen Plan. Aber es freut mich, dass du all diese Genres in unserer Musik hörst. Wir hatten soundtechnische Vorbilder, denen wir nachgeeifert haben, kombiniert mit unseren eigenen Ideen und den technischen Einschränkungen durch unser Equipment. Alles zusammen hat unseren Sound ergeben. Zumindest meine Gitarre hat nie so geklungen, wie ich mir das vorgestellt habe. Da kam immer etwas anderes heraus, was aber auf seine Weise auch cool ist.
Wer stand Pate für euren Sound? Auf welche Bands könnt ihr euch alle einigen? Kommen die aus dem Plattenschrank eurer Eltern?
Gregor: Ich reibe den anderen immer uralte Garage-Scheiben von Bands wie MC5 oder SONICS unter die Nase. Wir alle mögen Bands wie THEE OH SEES, KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD oder FRANKIE AND THE WITCH FINGERS. Diese ganzen coolen, hippen Garage-Psychedelic-Bands, die einfach machen, worauf sie Bock haben. Aber auch die Bands aus der britischen Neo-Post-Punk-Szene wie IDLES finden wir super. Wir kommen alle musikalisch aus verschiedenen Richtungen und bringen natürlich all diese Einflüsse auch in die Band ein. Wir treffen uns einfach in der Mitte.
Ihr habt schon gemeinsam mit Bands wie BACHRATTEN oder BIKINI BEACH gespielt. Garage-Rock scheint gerade eine Renaissance zu erleben.
Simon: Ich habe auch das Gefühl, dass dieser fuzzige Garagensound wieder am Kommen ist. Das ist eben, ähnlich wie der Grunge in den 1990er Jahren, handgemachte Musik. Das stirbt nie aus.
Gregor: Da scheint sich gerade eine neue Szene in Deutschland zu formieren. Viele von unseren Vorbildern kommen aus den USA oder Australien, da passiert schon sehr viel, das schwappt jetzt eben auch zu uns herüber. Mit einigen Bands aus dieser Szene haben wir schon Konzerte gespielt und das macht wirklich Spaß.
Das Album ist erschienen am 30. August. Wie habt ihr den Release gefeiert?
Gregor: Ende August haben wir eine Record-Release-Show im Urban Spree in Berlin gespielt, zusammen mit unseren Labelmates ISOSCOPE und GO MAHHH aus Berlin. Da sind wir noch nie zuvor aufgetreten. Ich kannte das nur als Gast. Toller Laden. Im Herbst organisieren wir schon zum zweiten Mal unser eigenes Club-Festival namens Telefest. Das läuft am 5. Oktober im Hühnermanhattan in Halle mit vier befreundeten Bands. 2024 wird es noch einige vereinzelte Shows geben, unter anderem in Husum mit den PIGHOUNDS und in Erfurt mit SONIC BEAT EXPLOSION. Für Ende Februar/Anfang März 2025 ist dann eine deutschlandweite Tour geplant.
Zum Schluss noch eine politische Frage: Im September wird in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. In Sachsen-Anhalt seid ihr erst im Sommer 2026 dran. Mit welchen Gefühlen blickt ihr auf diese Wahl?
Simon: Das wird Horror. Da gibt es nichts schönzureden. Halle schätze ich zwar noch ein bisschen linksalternativer als zum Beispiel Magdeburg ein, aber ich habe ein sehr schlechtes Gefühl. Ich befürchte, da wird sich nicht mehr viel ändern.
Gregor: Die Zukunftsaussichten passen gut zu unserem dystopischen Televerse. Zwischen Tech-Giganten und konservativen Spinnern. Das Einzige, was in diesen schwierigen Zeiten hilft, ist weiter zusammenzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Vielleicht gestalten wir unser nächstes Telefest dann als politische Kundgebung für eine bunte Gesellschaft, für Liebe und Toleranz.
Habt ihr selbst schon mal Probleme mit Rechten gehabt in Halle?
Simon: Bis jetzt bin ich noch nicht in Bedrängnis geraten. Aber solche Gestalten sieht man überall, mit denen würde ich mich nicht anlegen. Ich muss aber auch sagen, dass ich nicht mit SLIME-Shirt und bunten Haaren unterwegs bin. So schlimm, wie du dir das wahrscheinlich vorstellst, ist es noch nicht. Vielleicht hatte ich aber auch einfach Glück bis jetzt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #176 Oktober/November 2024 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #175 August/September 2024 und Wolfram Hanke