TOM GABEL

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Gar nicht so allein

Man kann AGAINST ME! bestimmt so einiges vorwerfen, doch zu behaupten, dass die Band aus Gainesville, Florida faul sei, wäre schlicht gelogen. Rastlos und kämpferisch, wie auch schon seit Gründung seiner Band, beschreitet Sänger, Gitarrist und Songwriter Tom Gabel mit der Veröffentlichung der EP „Heart Burns“ nun erste Solopfade, und das zusätzlich zu den schier nie enden wollenden AGAINST ME!-Tourterminen. Aber Moment mal, fing AGAINST ME! nicht mal ursprünglich als Ein-Mann-Band an, gegründet von eben jenem Tom Gabel, bewaffnet mit Akustikgitarre und Songs? Dann wären die Songs, die Gabel größtenteils alleine aufgenommen hat, ja doch eher ein Schritt hin zu den eigenen Wurzeln, oder? Vor einer Show in Des Moines, Iowa hatte ich Mr. Gabel an der Strippe, um diese und weitere Fragen im Gespräch zu klären.

Wann hattest du Idee, etwas solo einzuspielen?


Ich bin zunächst ins Studio gegangen, um ein paar Songs für AGAINST ME! aufzunehmen. Das Ganze hat sich dann mit der Zeit entwickelt, bis ich irgendwann Lust hatte, die Songs alleine auf der Bühne zu spielen. So kam eins zum anderen. Mir wurde klar, falls ich alleine ein paar Songs darbieten würde, dass ich das dann nicht mehr unter dem Namen der Band laufen lassen könnte. Das hat mir anfangs ziemliches Kopfzerbrechen bereitet, da ich meinen eigenen Namen eigentlich nie besonders mochte.

Hast du die Songs auf der EP extra für dich geschrieben?

Beim Schreiben der Songs ist das eigentlich kein Unterschied, ob ich sie jetzt für die Band oder für mich schreibe. Es geht mir einzig allein darum, dass sie die notwendige Qualität haben, damit ich auch später noch mit ihnen leben kann. Mehr will und wollte ich als Künstler eigentlich nie.

Hat du bereits Solo-Shows gespielt?

Ich habe bereits im Sommer angefangen, in unregelmäßigen Abständen immer wieder mal irgendwo in den USA aufzutreten. Am 4. Juli dieses Jahres spielte ich in Texas zusammen mit Andrew WK, von dem ich vorher seit Jahren nichts mehr gehört hatte. Er war ebenso als Solokünstler unterwegs, allerdings mit einem Keyboard statt mit einer Gitarre, was sich jetzt wahrscheinlich ziemlich abgefahren anhört. Seine Show war aber wirklich beeindruckend.

Tom, du ohne Band auf der Bühne, weckt das Erinnerungen?

Ja sicher. Aber ganz ehrlich, so viele Gedanken mache ich mir eigentlich nicht, was dieses Projekt jetzt mit mir und meiner Vergangenheit zu tun hat. Mein Blick ist auf das gerichtet, was vor mir liegt, auf das, was ich beeinflussen kann. Ich schätze die Arbeit mit der Band sehr. Aber so lange ich Gründe habe, Songs zu schreiben, ist es im Grunde genommen egal, ob sie mit oder ohne Band vorgetragen werden.

Aber so ganz alleine zu arbeiten, ist doch schon was anderes, oder?

Klar, ist es was anderes, mal wieder alleine etwas auf die Beine zu stellen. Das Ganze hatte schon auch etwas Befreiendes, da ich nichts absprechen oder auf jemanden Rücksicht nehmen musste. Auf der anderen Seite steht man jedoch auch viel mehr im Fokus. Ein Fehler beim Spielen ist da so gut wie nicht mehr zu kaschieren. Vor allem die Zeit im Studio und die Zusammenarbeit mit Butch Vig, dem Produzenten, und Billy Bush, dem Assistenten, habe ich sehr genossen. Wir kennen uns ja schon von den Aufnahmen des letzten Albums und ich schätze die beiden nicht nur aus professioneller Sicht, sondern auch als Musiker und Menschen. Es war demnach also doch wieder so, dass ich mit Leuten zusammengearbeitet habe, die ich irgendwie gut kenne, also gar nicht so allein war. Es mag bei dem einen oder anderen Erstaunen auslösen, dass nicht jeder Song akustische Arrangements hat. Wie die Songs ausfallen, hat sich aber wirklich erst während der elf Tage im Studio ergeben.

Produzent Butch Vig ist selbst Schlagzeuger. Hat er die Drums eingespielt?

Nur für den Song „Anna is a stool pigeon“, ansonsten lief der Drumcomputer. Bass gibt es eigentlich nur bei einem Song und da habe ich ihn gespielt. Mein Freund Chuck Ragan, ehemals bei HOT WATER MUSIC an der Gitarre, spielt noch bei einem Song Mundharmonika. Er war es auch, der die Idee hatte auf Tour zu gehen, und so tun wir zusammen mit Tom Barry von AVAIL im Oktober beziehungsweise November genau das. Im Studio wurde ziemlich schnell klar, dass ich gar nicht alles alleine machen konnte. Für den Song „Amputations“ wollte ich zum Beispiel starke Vocals im Hintergrund haben. Dafür brauchte ich ein paar Sänger, die ich dann spontan in Lex und Lauren gefunden habe, zwei AM!-Fans, die die Website againstmeforum.com betreuen. Dazu kam dann noch ein weiterer Fan, der mir in einer E-Mail schrieb, dass er bis vor kurzem in dem Studio, wo wir aufnahmen, gearbeitet hatte, ihm dann aber kurzfristig gekündigt worden war. Und schon hatte ich die Vocals, die ich wollte.

Du liest viel. Bekommst du daher Inspiration für deine Songs?

Wenn überhaupt, dann eher nur unterbewusst. Ich habe mir dieses Jahr vorgenommen, jeden Monat einen Klassiker zu lesen, so was wie Fitzgeralds „Der große Gatsby“ oder Dostojewskis „Schuld und Sühne“. Und bis jetzt habe ich das auch relativ tapfer durchgehalten! Die Themen für Songs kommen bei mir aber eher aus dem alltäglichen Leben und sind Sachen, über die ich mir eben Gedanken mache.

Du hast einen sehr unterhaltsamen Blog, in dem du ziemlich freimütig über dich und dein Leben schreibst und der offen ist für Kommentare jeglicher Art. Liest du diese auch?

Ich versuche das zu vermeiden, denn sobald du es tust, kann es sein, dass es deine nächsten Einträge beeinflusst; ich freue mich aber, wenn Leute lesen, was ich schreibe, und sich dazu ihre Gedanken machen. Viele wird wahrscheinlich überraschen, was ich über das Leben mit einer Band schreibe, die ständig im Bus auf Tour ist. Alles, was ich in dem Blog schreibe, ist aber so, wie ich es in der Situation wahrgenommen habe. Je nach Tag und Laune ist das dann eben lustig oder auch traurig.

Im Dezember bist du mit AGAINST ME! auch wieder in Europa unterwegs, aber nur in Frankreich, Spanien und der Schweiz. Warum?

Das letzte Album „New Wave“ ist bisher nicht in Frankreich erschienen, es hat etwas gedauert, ein Label zu finden. Mittlerweile hat sich unser Label Sire aber geeinigt, so dass wir uns dazu entschieden haben, das Album in den genannten Ländern mit ein paar Shows vorzustellen.