TODD

Foto

Play Loud!

Auf eine Platte wie „Purity Pledge“ von TODD, jüngst auf Southern erschienen, habe ich nicht unbedingt gewartet und doch gibt dieses Debüt Anlass, die Wiederkehr eines Sounds zu feiern, von dem man in den letzten Jahren kaum mehr etwas hörte: Noise-Rock. Sicherlich erinnerte erst kürzlich das UNSANE-Best-Of „Lambhose“ an vergangene Amphetamine Reptile-Tage, doch geben Zusammenstellungen alter Klassiker eingestaubten Subszenen keine neuen Impulse. Da bedarf es schon eines Albums wie „Purity Pledge“, um das folgende Fazit zu ziehen: Noise-Rock kommt zurück!

TODD stehen fraglos in der Tradition der großen AmRep-Bands. Mit HELMET, GUZZARD und HAMMERHEAD sei an dieser Stelle nur auf drei Formationen verwiesen, die für klassischen Noise-Sound stehen. Und bei TODD ist in Person von Craig Clouse ein Zeitzeuge involviert, der unter anderem auf eine Vergangenheit bei HAMMERHEAD zurückblickt. Das Unglaubliche wird hier jedoch Wirklichkeit: TODD sind keine Nachzügler oder Nachahmer, die Musiker spielen erdigen Noise-Rock, ohne zu rückwärtsgewandt oder gar altbacken zu klingen. Einer der zwölf Songs des Longplayers heißt passenderweise „You wouldn’t believe me“, und es ist auch wirklich schwer zu glauben, dass TODD den Noise-Rock ins neue Jahrtausend überführen. Das Album ist ein monströser Bastard, ein massiver, durch und durch gestörter Soundwall, der von Musikern vorgetragen wird, die total durch den Wind sein müssen! Diesen Eindruck hatte ich bereits nach dem Hören des Debüt-Albums, und vor Ort, beim Interview, bestätigte sich meine Vermutung schnell. Wer nicht wenigstens ein bisschen verrückt ist, kann solche intensiv kranken Noise-Sounds nicht hervorbringen.


Von Beginn an geben TODD auf „Purity Pledge“ ihr Bestes, dem Hörer gehörig vor den Kopf zu stoßen und möglichst verquer und unkonventionell zu klingen. Die Arrangements gestalten sich vordergründig vielschichtig und komplex, obwohl sie das mitunter gar nicht mal sind. Dennoch wird man jederzeit mit einem brachialen Heavy-Cocktail konfrontiert, der alles und jeden niederzuwalzen scheint. Geerdete, in tiefen Tonlagen groovende Gitarren bestimmen hier das musikalische Gesamtbild. Dazu erklingen überaus intensive, markerweichende Vocals, die streckenweise auch mit Distortion belegt sind. Zum klassischen Line-up einer Rock-Band gesellt sich ein merklich füllendes Keyboard, und darüber hinaus fungiert Feedback-Noise als oft bemühtes Stilelement. Vom Charakter her vor allem rotzig und angepisst wirkend, setzen TODD in ihren Songs jedoch gleichfalls auf wieder erkennbare Melodielinien, die das Debüt im Ergebnis vom Sound her offen halten und immer wieder neuerliche Einstiege in die extremen Noise-Parts zulassen. Vergleiche mit BLACK SABBATH, TODAY IS THE DAY, CHOKEHOLD und UNSANE liegen da auf der Hand.

Der erste Kontakt mit dem wuchtigen TODD-Sound ist klar durch die Erinnerung an alte Noise-Tage geprägt, was von den Musikern jedoch nicht beabsichtigt war: „Sicherlich stimmt es, dass wir mitunter nach den frühen 90er Jahren klingen, aber das passierte einfach und war nicht geplant. Noise-Rock und viele Releases von Amphetamine Reptile haben bis heute starken Einfluss auf uns hinterlassen. Eigentlich wollten wir mit TODD jedoch Metal spielen. Die Band sollte kein weiteres Noise-Ding werden, doch das ist uns nicht geglückt. Wir haben versucht, Metal-Songs zu schreiben, doch im Ergebnis sind es letztendlich Noise-Rock-Stücke, womit wir aber auch gut leben können. Wahrscheinlich liegt der Hauptgrund darin, dass die meisten Mitglieder von TODD niemals in einer richtigen Metal-Band gewesen sind und wir im Songwriting durch unsere Vergangenheit bestimmt sind. Dennoch haben wir sehr hartes Material geschaffen, was Ausdruck unseres Anspruchs ist, aggressive, laute Musik zu spielen, die klassische Metal-Klischees vermeidet.“

Vielleicht liegt der Grund für den offenen Heavy-Mix aber auch im allgemeingültigen Bandverständnis begründet, das eine gezielte Ausrichtung auf einen bestimmten Sound unmöglich werden ließ: „Da hast du sicherlich Recht. Wenn ich heute beschreiben soll, was wir als TODD spielen, spreche ich zumeist von bloßem Rock, mitunter auch von Punkrock. Unsere Musik besitzt viele Punk-Elemente, und auch vom Songwriting her sind wir stark dem Punk-Gedanken verbunden. Wir konzentrieren uns stets auf das Wesentliche der Songs, lassen unnötiges Beiwerk außen vor und setzen auch nicht auf zu viel Technik. Diese Punk-Mentalität zeichnet unsere Stücke aus, denke ich. Heavy Metal scheint sich mitunter in sich selbst zu verlieren, oder aber man verliert als Hörer den roten Faden. Das wollten wir von Beginn an vermeiden, und wohl auch deshalb konnte aus TODD keine Metal-Band werden.“

In jedem Fall haben die Engländer durch vielfältige Einflüsse einen nachhaltig wirkenden Sound erschaffen, der überaus intensiv daher kommt und sich schnelllebigen Trends verwehrt. Aus diesem Grund ist der Stand in der eigenen Heimat für die Band schwer: „Das Problem des englischen Musikmarktes ist seine offensichtliche Trendausrichtung. Alle fünf Monate ist etwas anderes angesagt und das Alte wieder verschwunden. Im Rest von Europa scheint mir in den Musikszenen mehr Beständigkeit vorhanden zu sein. In England hat man als Band nicht die Zeit, die man braucht, um zu wachsen und sich Fans zu erspielen. Das scheint einfach nicht möglich und ein Stück weit ist dafür auch die Musikpresse verantwortlich. An einem Tag wird man total abgefeiert, um bereits am nächsten als größtes Feindbild überhaupt dazustehen. Das ist schon eigenartig. Wir als TODD profitieren wohl davon, dass wir in kein Raster passen und den Leuten der Umgang mit uns schwer fällt.“

Gleichermaßen fehlen aber auch einfache Identifikationselemente. Es braucht durchaus seine Zeit, bis man mit dem massiven Sound der Band warm wird, und im unübersichtlichen Musikgeschäft ist das nicht unbedingt von Vorteil: „Einen abgrenzbaren Fankreis werden wir wohl niemals haben und auf den Konzerten stehen die unterschiedlichsten Typen vor der Bühne. Das liegt zum großen Teil auch daran, dass wir bei uns in London bislang vor allem Gigs vor einem Publikum bestritten haben, dass wir so niemals erreicht hätten. Das fordert uns natürlich heraus, und es ist schon toll zu beobachten, wie bei den Leuten aus totalem Desinteresse doch ein Stück weit Gefallen wird. Bislang haben wir vor allem mit Indierock-Bands oder richtigen Metal-Gruppen gespielt. Jedenfalls passten wir nie in den Rahmen der Veranstaltungen. Wir lernen dabei jedoch eine Menge und schätzen die stetige Herausforderung sehr.“

Das korrespondiert mit der bereits formulierten Anforderung nach entdeckungsfreudigen Hörern, die in TODD Arbeit investieren müssen: „Wahrscheinlich brauchen wir wirklich aufgeschlossene Hörer, aber im Prinzip spielen wir einfach aggressive, laute Musik, die per se einen schnellen Zugang ermöglichen sollte. Gerade aus diesem Grund fällt es mir oftmals schwer nachzuvollziehen, warum die Leute uns nicht einordnen können. Die angeführten Vergleiche reichen von APHEX TWIN bis PIG DESTROYER, aber was liegt dazwischen, wo sind wir in diesem Spannungsfeld zu finden? Natürlich ist es toll, wenn man für die Leute ein Mysterium darstellt, aber im Grunde ist unsere Musik in meinem Verständnis erdig und nachvollziehbar. Selbst als Kraut-Rock wurden wir schon bezeichnet, was mir vollkommen unverständlich ist.“

TODD selbst verstehen sich, wie bereits gesagt, nicht als Noise-Band, und doch werden als Parallelen vorwiegend Bands aus diesem Genre angeführt, was Craig und seine Mitstreiter vor allem als Kompliment verstehen: „Ich selbst bin ein großer Fan dieser Richtung und natürlich spiegelt das unsere Musik wider. In England scheinen sich jedoch nur wenige Leute an die vergangenen Tage zu erinnern, und schon vor Jahren auf der Europa-Tour mit HAMMERHEAD ging in England am wenigsten. Das setzt sich heute mit TODD quasi nahtlos fort. Hier bei euch in Deutschland gibt es weitaus mehr Leute, die sich an alte AmRep-Bands erinnern, und schon immer scheint Noise hier weitaus populärer gewesen zu sein. Das hat bis heute Bestand, und das Feedback auf uns hier war bislang durchweg positiv, was mich sehr freut. Vergleiche mit KILLDOZER, COWS oder den MELVINS zu bekommen, spricht für sich.“

Entgegen meinem vorherrschenden Bild der englischen Heavy-Szene geht auf der Insel nach TODD nicht so viel, wie ich dachte: „Die englische Underground-Szene ist nicht so groß, wie man sie hier darstellt. Das ist mir schon aufgefallen, als wir vor einigen Wochen zum ersten Mal hier in Berlin waren und ich mit einigen Leuten darüber gesprochen habe. Das wird hier überbewertet. Natürlich gibt es eine etablierte Metal-Szene mit bekannten Bands, aber neben dem Underground ist nicht viel. Gerade für eine Band wie TODD gleich gar nicht, denn wir sind noch nie Teil irgendeiner Szene gewesen. Wir sind weder cool noch gehören wir einer speziellen Richtung an. Wir richten unseren Blick sowieso vor allem auf das europäische Festland. Natürlich haben wir uns zunächst auf den englischen Markt konzentriert, denn das ist unsere Heimat, wo wir erste Erfahrungen gesammelt haben, aber heute blicken wir über den Tellerrand hinaus.“

Für die unmittelbare Zukunft beinhaltet das für TODD ein gehöriges Tourprogramm: „Jeweils im Januar und Mai werden wir einige Wochen lang durch Europa touren. Wir fühlen uns hier sehr wohl. In England haben wir bislang nur wenige Shows gespielt und das hat seine Gründe. Auch wenn wir uns als Band etablieren möchten, spielen wir nicht jede Toilette in England. Wir sind einfach schon zu alt, um ganz unten anzufangen und alles mitzunehmen. Diesen Lernprozess haben wir längst hinter uns. Hinzu kommt, dass wir nicht einfach so drei Wochen auf Tour gehen können, denn wir alle haben Jobs und Familien. Wir müssen unsere Zeit planen und damit ein Maximum für die Band erreichen.“ Ausgewählte Gigs mit voller Motivation und totaler Hingabe bestimmen demnach das Programm. Das hat ebenso in Bezug auf „Purity Pledge“ Gültigkeit: „Das ist uns überaus wichtig, dass man unsere Passion und Hingabe für die Musik hört, spürt und sieht. Das geht für uns bis hin zur totalen Selbstaufgabe. Grundlegend ist natürlich der Spaß unsere Antriebskraft. Wir gehen auf die Bühne, spielen lauten Rock und blenden den Verstand aus. Etwas größeres gibt es für uns nicht.“ Stimmt schon, mit gesteigerter Lautstärke wachsen die aggressiven TODD-Songs in ihrer Ausdruckskraft und Nachhaltigkeit ungemein. Wie steht doch so treffend im Booklet: „Play loud!“