Neben dem Sidewalk Cafe definiert sich die New Yorker Antifolk-Szene über unterschiedliche Freundeskreise, die für und miteinander Musik machen und veröffentlichen. Somit ist die Annahme, dass die MOLDY PEACHES nur aus Adam Green und Kimya Dawson bestanden, falsch. Die beiden waren zwar Initiatoren der Band, aber es gehörten unterschiedliche Freunde dazu, die eingeladen wurden, mit den beiden zu musizieren. Unter ihnen auch Toby Goodshank, der bei MOLDY PEACHES die zweite Gitarre übernahm und bereits vor der Band mit seinem Label Unicornsounds selbst aufgenommene Stücke veröffentlichte. In den letzten Jahren hat Toby Goodshank so viele Alben gemacht, dass das aktuelle „Truth Jump Fall“ als die 27. Aufnahme gezählt werden kann. Ich traf Toby auf seiner Europatour, die er mit Freunden (unter anderem mit Phoebe Kreutz) bestritt, und stellte ihm ein paar Fragen über den aktuellen Stand der Antifolk-Szene in New York.
Martin Büssers Buch über die Antifolk-Szene endete in dem Jahr, in dem sich die MOLDY PEACHES auflösten. Das ist circa acht Jahre her. Gibt es seitdem immer noch eine Szene in New York?
Wenn Antifolk als akustische Musik mit einer Punk-Attitüde definiert wird, dann gibt es immer noch ein paar Leute, die sich dazu zählen und im Umfeld des Sidewalk Cafe und andere Venues, wie das Goodbye Blue Monday in Brooklyn, in Erscheinung treten.
Würdest du dich noch zu dieser Szene zählen?
Ich hänge immer noch mit diesen Leuten rum, spiele in denselben Venues, und es ist immer noch der Freundeskreis, der mit seiner Musik expandiert. Das ist toll und zeigt, dass das, was wir eine „Szene“ nennen, immer noch vorhanden ist und auf natürliche Weise wächst. Ich spiele immer noch Konzerte, bin immer wieder auf Tour und komme so auch nach Europa, was ich sehr liebe, aber leider nicht oft machen kann.
Dein aktuelles Album „Truth Jump Fall“ ist im Gegensatz zu den dilettantischen Aufnahmen der MOLDY PEACHES sehr sauber aufgenommen.
Das Album unterscheidet sich von den anderen, da Jack Dishel, der ehemalige E-Gitarrist der MOLDY PEACHES, das Album aufgenommen hat. Er hat es auch produziert und war für fast alle Arrangements verantwortlich. Dadurch besitzt das Album Jacks besonderen Touch, wofür ich es liebe. Wir haben uns Zeit genommen, versucht den besten Sound rauszubekommen, und ich habe versucht, so gut wie möglich zu spielen. Jack hat sehr hart daran gearbeitet.
Auch deine Texte beinhalten nicht die typischen „einfachen“ Antifolk-Elemente, sondern sind kryptisch und haben etwas Surreales.
Die meisten meiner Songs sind biografisch, aber die Worte, die ich benutze, sind in ihrer Art verschlüsselt, so dass sie nur für mich und eine kleine Gruppe von Freunden einen Sinn ergeben. Ich liebe die Poesie. William S. Burroughs übt auch einen großen Einfluss auf mich aus, was sich in meinen Texten widerspiegelt. Ich liebe es, mit Worten zu arbeiten, über die ich erst eine Weile nachdenken muss. Daraus entstehen Formulierungen, die dann in ihrer Gesamtheit ein Bild ergeben.
Heißt das, du sendest eine Botschaft an dich selbst?
Ja, das könnte man so sagen. Andererseits baue ich eine Verbindung zu jemandem auf, der mag, was ich spiele. Es ist schön für mich zu fühlen, dass ich verstanden werde. Auch wenn nur kleine Details verstanden werden – es geht um Emotionen.
Siehst du deine Songs als eine Art Tagebucheintrag?
Irgendwie schon, wenn ich einen Song schreibe, habe ich diesen nach einem Jahr vergessen. Wenn ich mich mit dem Stück wieder beschäftige, werden die Erinnerungen an die Zeit ausgegraben, dann ist es so, als würde ich einen älteren Tagebucheintrag lesen.
Du hast auch ein eigenes Label, wie sieht es damit aus?
Ja, aber zur Zeit denke ich darüber nach, es ad acta zu legen. Ein Freund von mir in New York, Major Matt Mason USA, der auch öfter mit seiner Band SCHWERVON! in Deutschland unterwegs ist, hat ein Grass-Roots-D.I.Y.-Label, Olive Juice Music, das eine Ansammlung von Künstlern darstellt, zu denen ich gehöre. Dadurch kam ich auf die Idee, ein Label mit einem Markenzeichen zu gründen. Ursprünglich wollte ich einen Sampler machen, der Künstler meiner Heimat – der Stadt New York und Connecticut, wo ich ursprünglich herstamme – beinhaltet und beide Regionen verbindet. Somit habe ich eine Homepage kreiert und mit den Profilen von verschiedenen Künstlern verlinkt. Anfänglich hatte ich viel Spaß mit dem Label, aber dieses Jahr werde ich die Seite sterben lassen, haha, denn sie ist eh nur noch ein Wegweiser zu Homepages anderer Künstler.
Mittlerweile hast du es jedenfalls auf 27 Alben gebracht ...
Wenn ich alle Aufnahmen zusammenzähle, die ich mit allen möglichen Projekten aufgenommen habe, kann man das so sagen, wobei da auch Sachen dabei sind, die ich nicht als Album zähle. Ich versuche alles, was ich mache, mit Menschen zu teilen, wobei es in den letzten Jahren weniger geworden ist, da ich etwas älter geworden bin. Manchmal sind so viele Aufnahmen auch von Nachteil. Dann fühlt es sich an, als wäre die Sache nicht wirklich beendet worden.
Die Frequenz deiner Veröffentlichungen ist in letzter Zeit merklich gesunken, wie kommt’s?
Von 2001 bis 2005, als ich den größten Teil dieser Releases veröffentlicht habe, waren es noch selbstgebrannte CDs und jetzt veröffentliche ich alle eineinhalb Jahre ein Album. Aber das hat damit zu tun, dass ich nicht das Geld dafür habe, jedes Mal ins Studio zu gehen, denn ich möchte die hohe Qualität der Aufnahmen nicht mehr missen. Es braucht immer seine Zeit, bis ich genug Geld gespart habe.
Heißt das, dass du die romantische Vorstellung der New Yorker Bohème lebst?
Das würde ich am liebsten, aber derzeit habe ich so etwas wie einen Bürojob und ich habe die Nächte und die Wochenenden, an denen ich machen kann, was ich will. Natürlich geht das Geld für meine Wohnung und so weiter drauf, so dass das Budget für meine eigenen Projekte sinkt. Ich würde gerne weniger arbeiten, aber da gibt es aktuell keine Möglichkeit.
Gibt es noch die Möglichkeit eines Bohème-Lebens in New York wie in den vergangenen Jahrzehnten?
Der Traum, nur von deinem Geld in der Tasche zu leben, ist leider ausgeträumt oder nur ein paar wenigen Menschen vorbehalten, aber nicht mir.
Zum Schluss noch: Was hörst du zur Zeit für Musik?
Ich höre viel Musik. Im Moment höre ich den HipHopper Danny Brown. Er kommt aus Detroit und ist großartig. Man kann sich sein aktuelles Album „XXX“ kostenlos bei seinem Label herunterladen. Ansonsten höre ich viel POLICA. Die Band kommt aus Minneapolis, Minnesota und macht exzellente Rockmusik.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #102 Juni/Juli 2012 und Matthias Lehrack
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #101 April/Mai 2012 und Matthias Lehrack