Tobbe Falarz

Foto

Sozialarbeiter des Punkrocks

Er half als Mitgründer des Plattenlabels People Like You den BROILERS auf die Füße und verpflichtete später die ROGERS. Heute ist Tobbe Falarz Manager der Band, schmiss den Job bei People Like You hin, hat also die Seiten gewechselt und erzählt im Gespräch zu unserer Titelstory, was dieses Düsseldorfer Quartett auszeichnet – sowohl generell als auch in der (rock)musikalisch extrem facettenreichen Heimat. Außerdem erklärt er, warum er sich manchmal als Sozialarbeiter fühlt und warum ein in den Sand gesetztes Konzert nicht immer gleich das Ende aller Musikerträume bedeuten muss.

Tobbe, wie hast du die Band entdeckt?


Die Jungs haben uns damals ganz klassisch ein Demo zugeschickt, eine CD. Da hießen sie noch JOLLY ROGER. Und bei People Like You wird in alles reingehört, was geschickt wird, es ist ja kein Majorlabel. Das gehörte immer schon zur Firmenpolitik. Ich kenne das noch von meiner eigenen Band, was das für ein Gefühl war, wenn ich Demos verschickt und keine Antwort erhalten habe. Nachdem wir in die CD reingehört hatten, trafen wir uns mit den ROGERS im AJZ Köln, wo sie auftraten. Und das Konzert war grottenschlecht. Die Jungs waren betrunken. Vielleicht waren auch noch andere Substanzen im Spiel. Die Saiten sind ständig gerissen. Es ging alles schief, was schief gehen kann. Ich verständigte mich dann mit meinem Kollegen darauf, ein andermal wiederzukommen.

So eine zweite Chance ist aber sicher nicht selbstverständlich, oder?

Ganz ehrlich: Wäre ich nicht selber Musiker und wüsste, dass man auch mal einen schlechten Tag haben kann, und hätte ich nur das Konzert gesehen, dann wäre ich nicht wiedergekommen. Aber ich kannte die CD und wusste, was sie draufhaben. Ihre Musik und ihre Texte waren ansprechend. Zudem war es einfach unfassbar spannend, was sich damals in Düsseldorf musikalisch getan hat, mit den BROILERS, mit MASSENDEFEKT. Man musste einfach ein Auge darauf haben.

Dennoch gibt es da schnell den Vorwurf: „Die kommen aus Düsseldorf, war also klar, dass die jetzt einen Plattenvertrag kriegen. Ist ja gerade angesagt.“

Es ist nun mal so: Wenn sich in einer Region oder Stadt so viel zusammenbraut, dann ist das immer ein Zeichen davon, dass es dort eine ganz aktive Musikszene gibt. Und ich halte von den ganzen Plagiatsvorwürfen gegenüber BROILERS oder auch ROGERS in Bezug auf DIE TOTEN HOSEN nichts. Die klingen einfach nach ihrer Stadt. Aber es sind alles eigenständige Bands. Ich kann die alle voneinander unterscheiden. Jede hat ihren eigenen Stil, ihre persönliche Note.

Was ist die Stärke der ROGERS?

Die Jungs arbeiten wirklich hart. Die glauben an sich, an ihre Musik, an ihre Texte, an ihre Freundschaft. Und wenn man im Publikum steht, dann merkt man das auch. Dann merkt man: Die kennen sich aus Schulzeiten. Das ist echt. Und wenn etwas echt ist, dann identifizieren sich die Leute auch damit. Und dann sehe ich das eben auch nicht nur als A&R-Typ. Natürlich gibt es Tage, da habe ich ein Businessherz. Würden die Zahlen nicht stimmen, könnte ich nichts mehr bezahlen. Und ich setze mir Zeiten, in denen ich nur auf Zahlen gucke. Aber: Ich habe eben auch ein Musikerherz. Und deswegen sehe ich das Ganze auch aus der Fan-Perspektive.

Und was ist ihr Alleinstellungsmerkmal innerhalb Düsseldorfs?

Das ist allein schon ihr Alter. Ihre Generation. Sie spielen den Punkrock, mit dem sie aufgewachsen sind. Diese Einflüsse hört man natürlich. Genauso wie man den TOTEN HOSEN etwa auf „Opel Gang“ deren damalige Einflüsse anhört. Man kann sagen: Es ist die Mischung aus modernem Punkrock mit aussagekräftigen Texten, die mich bei den ROGERS anspricht. Sie geben das, was sie leben, eins zu eins weiter und nehmen sich selber nicht so wichtig.

Du hast damals bei People Like You auch die BROILERS unter deine Fittiche genommen, nach ersten Releases auf anderen Labels.

Die Band war damals ja eine reine Oi!-Band. Wir hatten sie beim „Punk & Disorderly“-Festival in Berlin gesehen, bei People Like You aber eigentlich immer nur englischsprachigen Rock’n’Roll und Punkrock im Angebot. Als ich auf der Rückfahrt im Auto ein wenig angedödelt allerdings nur noch BROILERS-Songs hörte, merkten wir, dass etwas dran war an der Band und wir sagten uns: „Warum nicht?“ Zudem war Sammy – unter anderem als großer GENERATORS-Fan – auch Fan unseres Labels. So kam dann der Kontakt zustande. Das war eine wirklich harte Zeit damals.

Warum?

Viele Magazine wollten die BROILERS nicht besprechen, da sie das „Oi“ im Namen haben. Wir haben fünf Jahre gewartet, ehe es die ersten Reviews jenseits von Fanzines gab. Und die BROILERS haben diese fünf Jahre wirklich intensiv daran gearbeitet, aus ihrem Kosmos rauszukommen. Musikalisch und vom Aussehen her. Sammy war das mit dem Oi! ohnehin immer viel zu limitiert. Er wollte Grenzen ausloten. Er hat seine Roots zwar nie verleugnet, aber er ist eben auch ein großer Bruce-Springsteen-Fan.

Ist der BROILERS-Erfolg auch mit den ROGERS zu erreichen?

Ich würde das nicht miteinander vergleichen, das kann man nicht. Erfolg ist immer auch abhängig von der Zeit. Das „Weiße Album“ der BEATLES oder „London Calling“ von THE CLASH wären heute vielleicht auch nicht so erfolgreich wie damals. Ich sage Bands immer nur: „Verbiegt euch nicht!“ Jede Band muss auf der Bühne verantworten, was sie tut. Sie muss für das einstehen, was sie tut. Das ist das, was zählt. Alles Weitere zeigt sich dann. Man kann jedenfalls keine Vergleiche untereinander ziehen.

Musst du die ROGERS manchmal eigentlich einfangen?

Sagen wir mal so: Es gibt immer wieder mal Situationen, die skurril sind. Als ich vor der Hosen-Support-Show auf dem Weg zum Stadion in den Bandbus stieg, saßen da plötzlich zwei neue Leute, die ich nicht kannte. Einer für den Merch, der andere für die Lichttechnik. So was zeigt: Es wächst alles rasant. Und je mehr Leute dazukommen, desto mehr Meinungen und private Probleme gibt es, weil jeder ja immer etwas zu sagen hat. Und desto schwieriger wird es, alles unter einen Hut zu bekommen oder alles in die richtige Richtung zu lenken. Manchmal bin ich schon so eine Art Sozialarbeiter, haha.

Du hast den Wechsel erlebt: Was unterscheidet bei der Arbeit mit einer Band den Manager vom Vertreter der Plattenfirma?

Als Manager bekommst du alle Facetten einer Band mit. Du hast die Kontrolle über alle Dinge und mehr Verantwortung. Man ist das fünfte, sechste Bandmitglied und bestimmt mit, wohin die Reise geht. Als Plattenfirma betreust du die Band nicht in all ihren Facetten. Das ist der Unterschied.