TINY MOVING PARTS

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Immer für dich da

Wenn einen das Leben zu übermannen droht, hilft es meistens nur noch, sich zu auf sich selbst zu konzentrieren und eine Weile auszuspannen. Der Tod von Freunden oder Familienangehörigen ist oft ein sehr einschneidendes Ereignis, das für viele nicht so einfach zu verarbeiten ist. In dem Fall ist es dann vielleicht sogar Glück im Unglück, dass sich der TINY MOVING PARTS-Sänger und vermeintliche Dauergrinser Dylan Mattheisen auf „Breath“ seinen Dämonen stellt und Songs geschrieben hat, mit denen man Hand in Hand aus diesen Situationen herausfinden kann. Welche Rolle ihr Midwest-Math-Emo für ihn sowie seine beiden Cousins William und Matthew Chevalier spielt und warum die Band mit dem Golfen angefangen hat, erzählt er gut gelaunt im Interview.

Dylan, wo erwische ich dich gerade, knapp zwei Wochen vor Veröffentlichung eures fünften Albums „Breath“?


Wir sind momentan auf dem 13 Stunden langen Heimweg vom Videodreh zu „Vertebrae“ nach Minnesota. Es hat total Spaß gemacht und sah schon sehr cool aus. Wir spielen in einer Art TV-Show, in der nach und nach alles schiefzugehen scheint. Die Kameraleute und der Regisseur sind Kinder. Es gibt zu viel Kaffee und die Dinge werden immer chaotischer.

Wie passt da euer Albumtitel „Breath“ auf diese Situation? Hilft es dir in solchen chaotischen Momenten, einfach mal tief Luft zu holen?

Eigentlich ist „Breath“ ja nur ein Wort, hinter dem doch mehr steckt, als es auf den ersten Blick aussieht. Wir müssen atmen, um zu überleben, und in manchen Situationen kann ein tiefer Atemzug deinen ganzen Tag verändern. Wenn du gestresst bist und die Dinge dich zu erdrücken scheinen, kann es sehr hilfreich sein, ein paarmal tief Luft zu holen und eine neue Perspektive einzunehmen, um mit neuer Energie weitermachen zu können.

Auf „Breath“ verarbeitest du Themen wie den Verlust oder gar Tod von Menschen, die dir nahestehen. Wie gehst du mit solchen Schicksalsschlägen um, außer dass du sie in deinen Songs verarbeitest?

Es ist enorm wichtig, dass du auf dich selber Acht gibst. Um auf Tour einen klaren Kopf zu behalten, versuchen wir so geregelte Tagesabläufe zu haben und dabei so gesund zu leben, wie es die Umstände erlauben. Ein weiterer Faktor sind meine Freunde, mit denen ich die Dinge besprechen kann, die mir gerade auf der Seele liegen. Natürlich ist das unterwegs manchmal gar nicht so einfach, was mir aber die Bedeutung dieser Menschen klarer macht. Ich habe festgestellt, dass es mir hilft, mich anderen anzuvertrauen und so vielleicht gemeinsam einen Weg zu suchen, der mich wieder zurück in die Spur bringt. Es hilft mir definitiv, mich darüber hinaus in unseren Songs mit den Dingen auseinanderzusetzen, die mich belasten. Vielleicht helfen meine Gedanken zu diesen Themen dann auch wieder anderen.

Gibt es eine Band oder eine Platte, die dir in solchen Situationen etwas gibt?

Ich würde sagen, dass MEWITHOUTYOU und ihr Album „Catch For Us The Foxes“ die perfekte Musik sind, um mich wieder etwas zu pushen, wenn es mir nicht so gut geht. Es sind hierbei vor allem die emotionalen Lyrics von Sänger Aaron, die mich immer wieder fesseln und mich dann auf andere Gedanken bringen.

In eurem Song „Icicles (Morning glow)“ sprichst du die Bedeutung von Freundschaft in schwierigen Zeiten an. Ist es nicht unglaublich hart, als tourender Künstler mit seinen Leuten in Kontakt zu bleiben? Beschränkt dieser Umstand nicht auch die Anzahl von wirklich guten Freunden auf die Menschen, mit denen du regelmäßig unterwegs bist?

Ich bin froh, mit vielen meiner guten Freunde im Umfeld der Band unterwegs zu sein. Auf Tour entwickelt sich ein komplett anderer Rhythmus als im normalen Alltag. Du bist unterwegs, spielst Konzerte, schläfst und wiederholst das Ganze jeden Tag in einer anderen Stadt oder womöglich auch in einer anderen Zeitzone. Die Dinge fangen an, etwas zu verschwimmen und da ist es sehr wichtig, dass du jemanden hast, der dich zum Beispiel durch seine Art aus diesem Trott herausholt. Natürlich sind wir auch mit unseren Freunden über Social Media vernetzt und bleiben so in engem Kontakt.

Sind nicht viele der Probleme, über die du auf „Breath“ singst, erst dadurch aufgetreten, dass du Musiker geworden bist, der ständig unterwegs ist und einen eher unregelmäßigen Tagesablauf hat?

Ich denke schon, dass die Zeit, die wir für TINY MOVING PARTS aufgebracht haben, einen sehr großen Einfluss auf uns und unsere Art, zwischenmenschliche Situationen zu verarbeiten, gehabt hat. „Breath“ ist unser fünftes richtiges Album und es gibt regelmäßig Momente, in denen es auch für uns zu überlegen gilt, welchen Weg wir einschlagen sollen. Wir werden alle älter und sehen, welche Entwicklungen unsere Freunde machen. Vielleicht messe ich dann zu vielen Dingen auch zu viel Bedeutung bei oder tue mich bei manchen Entscheidungen schwer. Am Ende probiere ich jedoch vieles aus und hoffe einfach, dass alles gut wird.

In „I can’t shake“ singst du davon, wie du mit einer Panikattacke umgegangen bist, die dir sehr zugesetzt hat. Wie gehst du mit Dingen um, die du nicht direkt beeinflussen kannst, wie zum Beispiel Klimawandel, gesundheitlichen Problemen oder politischen Entwicklungen?

Es scheint zumindest so, als würde im Moment viel mehr Mist passieren als noch vor ein paar Jahren. Ich muss jedoch gestehen, dass ich versuche, politische Dinge eher weniger an mich heran zu lassen. Das würde nur dazu führen, dass ich mir noch mehr Gedanken und Sorgen machen würde. Natürlich ist mir bewusst, dass das vielleicht nicht besonders erwachsen klingt. Für mich hat es in der letzten Zeit gut funktioniert, dass ich mich darauf konzentriere, ausgeglichen und glücklich zu sein. Ich muss für mich einen Weg finden, einen positiven Effekt auf den Klimawandel zu haben und gut mit den Leuten klarkommen, die es verdient haben, dass sie gut behandelt werden. Auf der anderen Seite kann ich es aber auch sehr gut verstehen, dass viele Menschen Angst davor haben, dass es bald einfach keinen Weg zurück mehr gibt. Es ist wichtig, dass wir alle unser Bestes geben, damit sich die Dinge in eine positive Richtung bewegen.

Wie ist es eigentlich für dich, in Interviews ständig über deine Gefühle und Ängste zu sprechen? Fällt es dir leicht, die Leute so nah an dich heranzulassen?

Im Moment geht es mir sehr gut. Ich würde sogar sagen, dass ich sehr glücklich bin. Matt, Billy und ich waren jetzt den ganzen Sommer zu Hause und können es kaum erwarten, wieder auf Tour zu gehen und neue Länder zu besuchen. Mir bedeutet es unglaublich viel, wenn die Leute auf unseren Konzerten unsere Songs mitsingen oder uns sogar sagen, dass TINY MOVING PARTS ihr Leben beeinflusst haben. Aus solchen Situationen nehme ich sehr viel mit. Wir sind drei Typen aus einer Kleinstadt, die nie damit gerechnet haben, mal Shows in Deutschland oder in Europa zu spielen. Da nehmen wir die Strapazen, wie lange Warteschlangen am Flughafen oder scheinbar endlose Stunden auf der Autobahn, gerne auf uns. Wir leben unseren Traum und haben verdammt viel Spaß dabei.

Für mich habt ihr mit „Breath“ eine Art emotionalen Begleiter geschrieben, der in düsteren Zeiten für einen da ist und immer einen aufmunternden Rat bereithält. Eigentlichg kann nur Musik diese Wirkung entfachen, oder?

Mir hat Musik definitiv immer durch schlechte Zeiten geholfen. Natürlich ist das bei jedem von uns unterschiedlich, aber allein die Möglichkeit, eine Platte aufzulegen, die dich wieder aufbauen kann und die dir das Gefühl gibt, dass du nicht allein bist, ist doch super. Natürlich sind wir alle sehr verschieden und gehen anders mit unseren Emotionen um. Wir haben in diesem Jahr Golfen für uns entdeckt und welche Wirkung das auf uns hat. Ich hätte vorher nie gedacht, wie sehr es dir beim Entspannen hilft oder dabei, einfach mal wieder den Kopf freizubekommen.

Das muss doch ein unglaublich witziges Bild abgeben, wenn ihr drei auf einem Golfplatz zwischen den ganzen Standardgolfern auftaucht.

Also wir haben unseren Spaß! Wir legen einfach los und hauen mit dem Driver so weit, wie wir kommen. Im Moment probieren wir viel aus. Ich muss jedoch gestehen, dass wir echt Blut geleckt haben und neben der ganzen Entspannung auch den Anspruch haben, besser zu werden. Wenn du 17 gute Löcher spielst und beim 18. dann in den Sack haust, bist du auch nicht mehr relaxt. Wir versuchen, in Zukunft auch auf Tour mehr Zeit beim Golfen zu verbringen und ein paar Bier an der frischen Luft zu trinken. Wir sehen das Ganze auch eher als Teamsport, was die Sache noch mal besonders für uns macht.

Lass uns noch einmal auf die Musik von „Breath“ zurückkommen. Wie kommst du auf diese ausgefallenen, vertrackten, aber auch verdammt schnellen Gitarrenriffs? Und war es ein bewusster Schritt, die Songs insgesamt etwas eingängiger werden zu lassen?

Die meisten Gitarrenideen habe ich in meinem Schlafzimmer geschrieben, wo ich ein kleines Studio für mich eingerichtet habe. Manchmal spiele ich so vor mich hin und entwickle dann Songs aus einzelnen Ideen. Im Anschluss versuche ich, ein Gitarrenriff zu finden, dass stark genug ist, ein ganzes Lied zu tragen. Der endgültige Song entsteht immer zusammen mit Matt und Billy im Proberaum. Ich würde schon sagen, dass ich den Anspruch habe, mich musikalisch zu verbessern und nicht wirklich stillzustehen. Über die Jahre ist da natürlich auch einiges an Erfahrung hinzugekommen. Es gab jedenfalls keine spezielle Richtung, in die wir uns entwickeln wollten, oder einen Ansatz, dass wir möglichst eingängig klingen. Ich würde eher sagen, dass wir das Gegenteil im Kopf hatten: „Breath“ sollte einzigartig und nach uns klingen. Früher waren wir viel chaotischer und haben viel mehr in unseren Songs geschrien. Jetzt haben wir unser Augenmerk mehr auf andere Elemente gelegt. Am Ende muss die Musik sich in erster Linie ja auch für uns gut anfühlen.

In welcher Situation funktioniert „Breath“ am besten?

Oh, das ist sicher bei jedem unterschiedlich. Vielleicht funktioniert die Platte für dich sehr gut, wenn es dir gerade schlecht geht und du etwas Aufmunterung brauchst. Vielleicht funktioniert sie aber auch super als Partyplatte. Auf jeden Fall solltest du sie laut hören und dich auf die Songs einlassen. Wo und mit wem, weiß ja jeder für sich am besten. „Breath“ versprüht jedenfalls enorm viel Energie und es ist uns wichtig, dass es dir nach dem Hören besser geht. TINY MOVING PARTS werden immer für dich da sein.

Sebastian Wahle