TIDAL SLEEP

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Immer in Bewegung

Die unaufhaltsame Naturgewalt Wasser steckte schon immer auf irgendeine Weise in den Veröffentlichungen der mittlerweile über fünf Städte in Deutschland verteilt lebenden TIDAL SLEEP. Für die neue Platte „Be Water“ haben sie sich das Wasser und seine Eigenschaften sogar als Vorbild und Beispiel genommen, schließlich kann man Wasser auch nicht aufhalten. Welche Widrigkeiten die 2011 gegründete Mannheimer Band zu überstehen hatte und wie sie damit umgeht, dass sie für manche wohl eines der wichtigsten und besten Alben der letzten Zeit geschrieben hat, erzählen Gitarrist Marc und Schlagzeuger Armin im Interview.

Eure neue Platte „Be Water“ ist für viele ein Kandidat für das Album des Jahres. Wie geht ihr als Band mit solch einem Lob um?

Armin: Ich finde es teilweise sogar ein wenig seltsam, da ich ja persönlich eine ganz andere Sichtweise auf die Platte habe, und wundere mich stellenweise schon, dass die Reaktionen so extrem euphorisch sind.

Marc: Der Prozess, der zu dieser Platte geführt hat, zog sich eine gefühlte Ewigkeit hin. Fast zwei Jahre waren wir mit „Be Water“ beschäftigt. Zwei Jahre in denen auch mal Zweifel aufkamen, ob wir uns noch auf dem richtigen Weg befinden. Es gab eine Menge Hochs und Tiefs, aber generell überwog der Spaß an der Sache, der dazu führte, dass wir auch unsere privaten Angelegenheiten und die weitere Entwicklung von TIDAL SLEEP unter einen Hut bekommen haben. Dass die Platte jetzt endlich raus ist und dann auch noch ein paar Leuten gefällt, fühlt sich tatsächlich krass an.

Im Klappentext zu „Be Water“ schreibt ihr, dass ihr 2011 gestartet seid und es nicht wirklich erwartet hättet, 2017 eine Platte herauszubringen. Ist das nicht ein wenig tiefgestapelt?

Armin: Ich denke, das ist etwas unserem Alter geschuldet. Alle anderen Bands, in denen ich bis jetzt gespielt habe, bekamen nicht das Feedback, das wir jetzt mit TIDAL SLEEP bekommen. Auch die Entwicklung, dass wir alle in unterschiedliche Städte gezogen sind, hat der Band keinen größeren Schaden zugefügt. Es ist ja eigentlich nicht die Regel, dass eine Band auch dann noch Bestand hat, wenn die Mitglieder sich räumlich von einander entfernen und ihr eigenes Privatleben eine größere Bedeutung gewinnt.

Marc: Als ich 2013 zur Band stieß, ist mir die direkt diese Spielfreude und der Spaß an der Sache aufgefallen. TIDAL SLEEP funktionieren immer noch, weil wir alle Bock darauf haben unterwegs zu sein und Konzerte zu spielen. Sei es in irgendeinem AZ oder sonst wo. Es gab bei uns nie wirklich einen Plan. Wir schauen, welche Möglichkeiten sich ergeben und freuen uns über jeden, der uns, sei es als Label, im Booking-Bereich oder sonst wie, unterstützt.

Wie ist „Be Water“ entstanden? Gab es einzelne Songs, um die die Platte dann geschrieben wurde?

Marc: Grundsätzlich muss ich sagen, dass es viel mehr Songs gab als nur die, die jetzt auf der Platte enthalten sind. Wir haben schon versucht, die Platte so aufzubauen, dass man als Hörer nach dem letzten Song direkt wieder von vorne anfangen will. Das deckt sich auch mit unseren Konzerten, wo wir eigentlich auf längere Ansagen verzichten und die Songs lieber direkt am Stück spielen wollen. Auch hier kommt wieder der Spaß an der Sache durch. Wir können viel ausprobieren und sind uns glücklicherweise auch recht schnell einig, wenn wir neue Wege gehen wollen.

Ihr habt die Platte, zumindest laut Artwork, aufgeteilt in die drei Aggregatzustände, die Wasser einnehmen kann.

Armin: Allgemein haben wir bis jetzt immer maritime Bezüge in unser Artwork und die Texte gepackt. Wir haben uns auf den Titel „Be Water“ geeinigt und dann hat Matthias, unser Gitarrist, der das Artwork angefertigt hat, die Idee mit den Aggregatzuständen aufgebracht.

Marc: Hinter dem Titel unseres letzten Albums, „Vorstellungskraft“, steckte ja, dass wir alle immer zu Hause iPhone-Aufnahmen unserer Ideen gemacht haben und die anderen sich dann manche Teile vorstellen mussten. Bei „Be Water“ hatten wir sehr unterschiedliche Ideen und Vorstellungen davon, wie die Songs klingen sollen. Wir haben neue Sachen ausprobiert und mussten uns noch ganz nebenbei den Veränderungen im Privaten anpassen, die tagtäglich aufkamen. Ich würde schon sagen, dass mir die Arbeit an der Platte auch ein Stück weit dabei geholfen hat, ein paar Dinge zu verarbeiten.

Ihr habt einen Interviewausschnitt, in dem Bruce Lee davon spricht, dass man sich wandlungsfähig wie Wasser verhalten soll, auch für das Album verwendet. Warum?

Marc: Lee erzählt in diesem Interview ja nicht nur, wie wandlungsfähig Wasser sei, sondern auch wie anpassungsfähig es ist. Wie ich gerade schon sagte, mussten wir uns vielen Veränderungen stellen und das Beste daraus machen. Wir mussten uns an neue Gegebenheiten anpassen, sei es die Tatsache, dass wir vor allem übers Internet miteinander kommunizieren, statt im Proberaum Songs zu schreiben oder so etwas. Lee sagt ja auch, dass Wasser dahin fließen wird, wo es hin fließen soll. Man soll es nicht aufhalten. Man kann es ja auch gar nicht aufhalten. Es nimmt die Form an, die es nun einmal annimmt. „Be Water“ ist unter der Prämisse entstanden, dass wir uns keine Grenzen setzen wollten. Alles, was passiert, soll auch so passieren. Ein Beispiel ist der gewachsene Anteil an cleanen Gesangspassagen. Nic hat das einfach mal gemacht und wir haben dann festgestellt, dass es unsere Musik noch weiter bereichern kann.

Musikalisch liegt der Vergleich zu Bands wie FJØRT nahe, die ja auch in kürzester Zeit einen riesigen Sprung gemacht habe, auch was ihren Bekanntheitsgrad angeht. Wie fühlt es sich an, im Zuge eurer Tour wieder in dem einen oder anderen AZ oder JZ zu spielen?

Armin: Für uns ist auf Tour zu sein so etwas wie eine Klassenfahrt. Wir haben unheimlich viel Spaß, lernen neue interessante Leute kennen oder sehen alte Bekannte wieder. Ich würde schon sagen, dass wir Teil einer Gemeinschaft sind, der es sehr wichtig ist, dass sich jeder frei entfalten kann und niemand wegen irgendwelcher Eigenschaften ausgeschlossen wird.

Marc: Ich denke, dass sich doch eigentlich jeder, der sich der Punkrock oder Hardcore-Szene zugehörig fühlt, dieses Gefühl gut vorstellen kann: Es mag im Job oder sonst wo vielleicht gerade etwas beschissen laufen, in dieser Gemeinschaft wirst du wieder aufgefangen. Hier kannst du sein, wer und wie du willst.