THAT VERY TIME I SAW... zählen für mich zu den besten neuen Bands aus unseren Landen. Als ich vor einiger Zeit ihre erste Scheibe „Observing Life..“ in die Finger bekam, hörte ich sie einige Wochen nonstop. Nachdem ich die Jungs diverse Male auf Konzerten gesehen hatte, war es an der Zeit, ihnen ein paar Fragen zu stellen. Am Rande eines Konzertes im Düsseldorfer ZAKK habe ich mich mit Micha (Trommler), Kai (Gitarre) und Lars (Gesang) unterhalten, während die anderen beiden den Merchandisestand bewachten.
Warum seid ihr nicht in England?
Lars: Eigentlich wollten wir am Freitag fahren, aber das hat leider aus organisatorischen Gründen nicht gepasst, weil die Jungs da drüben, die das buchen wollten, nicht die personelle Stärke hatten, sagen wir’s so.“
Kai: „Wir haben das ganze Jahr mit den Jungs in Kontakt gestanden, aber der Booker der letztjährigen Tour war nicht mehr dabei.“
Micha: „Es wurden auch zu wenig Konzerte bestätigt und für vier Konzerte wollten wir dann nicht rüberfahren, zumal diese auch nicht am Stück stattgefunden hätten. Wir hätten dann zuviel Geld reinbuttern müssen.“
Kai: „Ist aber alles nicht schlimm, weil wir die Aufnahmen zur neuen Platte abgebrochen hatten, weil Lars ein bisschen krank war und der Gesang zu kratzig wurde. Jetzt haben wir uns halt gesagt: Okay, dann konzentrieren wir uns auf die Aufnahmen und machen die Platte fertig.
Wann kommt die Scheibe?
Kai: Gute Frage! Wir bemustern jetzt noch ein paar Labels und dann schauen wir mal weiter.
Also kommt sie nicht auf eurem Label Redfield Records raus?
Lars: Wahrscheinlich nicht.
Habt ihr schon einen Titel?
Lars: Wahrscheinlich wird sie ‘The Grand Theft’ heißen.
Und wie viel verkauft man realistisch gesehen davon?
Kai: Es wird auf jeden Fall eine 1000er Pressung sein. Wir hoffen auch, dass wir in die Nachpressung gehen müssen.
Micha: Ich hoffe auch, dass die Platte auf Vinyl erscheint, weil ich Vinyl besser finde.
Euer Bandname kommt ja von Shakespeare, oder?
Lars: Aus ‘Ein Sommernachtstraum’.
Da habe ich mal nachgeschaut, hab’s aber nicht gefunden.
Lars: Doch, steht da irgendwo, haha.
Micha: In der englischen Version!
Kai: Der Alex hatte das mal rausgesucht.
Wie seid ihr darauf gekommen?
Kai: Ich habe da mal drin herumgelesen, fand es gut, hab’s den anderen vorgeschlagen, die es auch gut fanden.
Freunde von mir hatten sich auch nach einem Shakespeare-Zitat FATAL BELLMEN genannt, was in „Macbeth“ vorkommt.
Lars: Das ist jetzt irgendwie in. A MODEST PROPOSAL haben sich ja auch nach einem Essay von... wie hieß der Kerl noch gleich?
Charles Dickens?!
Lars: Das darfst du jetzt aber nicht bringen, sonst denken alle, ich wäre total ungebildet. (alle lachen)
Ich werde das eh noch kürzen, so auf 200 Zeichen oder so.
Micha: Dann steht da nur noch: Lars ist total ungebildet!
Wie kommt es eigentlich, dass sich so viele Emobands Namen mit fünf Wörtern und noch mehr geben?
Lars: Das lässt sich aber nicht auf Emo beschränken. Schau dir die ganzen Hardcorebands an, die haben auch oft lange Namen.
Die dann aber oft abgekürzt werden. D.R.I., M.D.C. etc.
Kai: Das können wir ja auch machen: TVTIS!
Lars: Das sind aber Klischees. Das ist so, als würde sich jede Hardcoreband irgendeinen Namen mit ‘Sterben’ oder ‘Töten’ geben.
Aber auch die neue Band auf Redfield, SUMMER’S LAST REGRET, das sind immer gleich so epische, beschwingte Namen.
Kai: Das gibt schöne T-Shirts!
Micha: Da habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht, aber das ist wirklich wahr.
Es gibt doch wirklich eine Reihe Bands, wo man nur den Namen lesen braucht und schon weiß man: EMO!
Kai: Ich denke, dass viele Bands Namen gesucht haben, die nicht in irgendeine Schublade gesteckt werden konnten.
Lars: Die ganzen Emobands wollen doch nur so pseudo-poetisch klingen. Alles muss einen tieferen Sinn haben. Es muss halt melancholisch klingen. Wir haben auf jeden Fall einen Namen gesucht, bis Kai halt mit THAT VERY TIME I SAW... ankam und alle sagten, dass es passen würde. Sonst dauert es ja immer ewig, bis sich alle einigen können. Es war nicht so, dass wir einen poetisch klingenden Namen gesucht hätten.
Trotzdem scheint es so zu sein, dass viele Bands einem bestimmten Schema zu folgen scheinen.
Lars: Natürlich, TEXAS IS THE REASON.
Was ja von den MISFITS geklaut ist. Oder PLANES MISTAKEN FOR STARS.
Kai: Im normalen Mainstream wird ja immer nach kurzen und knappen Namen gesucht, die man sich leicht merken kann. Lange Namen muss man ja schon ein paar mal gehört haben, bis man sich die merken kann.
Lange Namen zwingen ja auch zu riesigen Plakaten, sonst kann man den Namen ja gar nicht ausschreiben.
Micha: Das ist richtig.
Lars: Das war’s eigentlich. Wir wollten immer große Plakate haben.
Sagt doch mal ein Paar Worte zum legendären Grevenbroicher Blutpogo.
Kai: Das war super, haha!
Was war das denn für eine Erfahrung da zu spielen?
Micha: Ich bin ja alter Grevenbroicher...
Lars: „Ich glaube, wenn RENO KID da gespielt hätten, wäre es super gewesen.“
Wieviele Bands waren angekündigt, die dann hinterher nicht da waren?
Kai: Wir waren die einzige Band, die angekündigt war. RENO KID sollten spielen, AMBROSE auch. Gespielt haben neben uns tatsächlich dann SKUNK und SUBSIDE.
Lars: Aber das Konzert war gut. Da erinnere ich mich an Sachen, die richtig für’n Arsch waren. Zehn Stunden Fahrt und statt 300 angekündigter Leute waren 30 da, oder 25, und dann gab es kaum Geld. Da hatten wir Glück, dass es eine Drei-Tage-Tour war und wir noch in einem besetzten Haus spielen durften, wo wir dann wenigstens auch was zu Essen bekommen haben, so dass wir ohne allzu große Unkosten aus der Sache rausgekommen sind.
Ich mache ja selber auch Konzerte und achte schon darauf, dass die Bands möglichst nicht von zu weit herkommen, es sei denn, sie haben einen bekannteren Namen. Am besten nimmt man dann eine lokale Band dazu, weil die in der Regel ihr Publikum mitbringen, ihre Klassenkameraden und so weiter.
Micha: Es ist halt undankbar für eine Band, wenn sie stundenlang fahren und dann noch nicht einmal das Spritgeld bekommen. Von Gage ganz zu schweigen, weil halt nichts eingenommen wurde.
Kai: Das zwingt Bands ja dazu, und da zähle ich uns mit, eine Mindestgage zu verlangen, ohne die man gar nicht erst anreist. Die meisten Leute akzeptieren das auch.
Und ihr zwingt die Veranstalter dazu, auch was für das Konzert zu machen. Wenn gar kein finanzielles Risiko besteht, sagen sie’s vielleicht ihrem Nachbarn und dann kommt keine Sau.
Kai: Ja, genau!
Micha: Solange mindestens die eigenen Unkosten wie Spritgeld wieder reinkommen und man mit dem Merchandise noch was verdient, ist das für uns aber auf jeden Fall in Ordnung. Aber ein bisschen Plus machen, ist schon okay.
Kai, ist Redfield Records allein deine Sache oder eine Bandgeschichte?
Kai: Das war zu Beginn unser Ding, aber irgendwann kamen wir an einen Punkt, wo ich sagte, dass man es mit fünf Leuten so nicht machen kann, wenn jede Entscheidung erst abgesegnet werden muss. Einer macht ohnehin immer die meiste Arbeit, und das war eben ich.
Lars: Außerdem hat Kai da seine Kohle drin stecken, und ich will da gar nichts mit zu tun haben.
Micha: Es gibt Entscheidungen von Redfield Records, die THAT VERY TIME I SAW... betreffen, die wir gemeinsam mit Kai treffen, alles weitere entscheidet er halt alleine.
Wieviele Bands hast du jetzt?
Kai: Drei! TVTIS, SUMMER’S LAST REGRET und THE SUNCHILD, die aus Papenburg kommen, wo auch COALFIELD herkommen.
Ihr scheint da auch so eine Art Koalition mit einigen Bands geschlossen zu haben, weil ihr in den eMails immer die Links zu den anderen angebt, oder?
Kai: Das geht mehr von Redfield Records aus. Ich habe eine Zeit mit Dirk von My Favorite Toy zusammengearbeitet – jetzt mach ich’s wieder alleine – und er hatte damals die 7“ von OMAHD rausgebracht, eine ganz alte Sache, und ANDTHEWINNERIS, und so habe ich die halt immer mit dabei gehabt, weil wir es halt zusammen gemacht hatten, aber jetzt eben nicht mehr.
Kai, was ist das für ein Gefühl, wirtschaftlichMacht in der Medienlandschaft zu haben, wenn der Vater der Vermieter vom Ox ist?
Kai: Das war einfach Zufall. Vorher waren irgendwelche Technofraggels da drin. Irgendwann meinte mein Vater halt, dass er neue Mieter hätte. Ich wohne da ja auch, schaute aus dem Fenster und sah da Punker einziehen. Mein Vater meinte dann, dass die was mit Musik zu tun hätten. War schon lustig, als ich feststellte wer das war...
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #43 Juni/Juli/August 2001 und Jan Schwarzkamp
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