In den Sechziger Jahren war der Rock’n’Roll praktisch erledigt. Die BEATLES imitierten ihn noch zu Beginn ihrer Laufbahn, inklusive den Beinschwung von Gene Vincent, indes bekam die Beat-Musik ihren großen Aufschwung. Doch eigentlich früher, als man es sich eingestehen möchte, kam der Rock’n’Roll zurück, der dann in Neo-Rockabilly und schließlich Psychobilly überging. Ich suchte ein paar Scheiben von 1970 bis 1982 heraus, um sie mit dem Kenner Tex Morton (FREUNDE DER ITALIENISCHEN OPER, The Devil ’n’ Us) noch einmal auf ihre Relevanz hin zu untersuchen.
Starten wir mit SHAKIN’ STEVENS & THE SUNSETS und dieser Compilation von 1970 ...
Wunderbar! Die allererste Shaky-Platte ist ja von Dave Edmunds in Wales produziert worden, weil Edmunds wie Tom Jones und Stevens auch Waliser ist. Und Dave Edmunds hat damals schon einen superguten Sound gemacht. Die hatte ich mal und jetzt nur noch als Repro. Vor allem Mickey J., das war ja einer der berühmtesten Gitarristen überhaupt. Ich finde Shakin’ Stevens grandios, vor allem gibt es auch im Internet Musikausschnitte von ihm aus dem Musikaufnahmestudio „Studio B“, das ist von 1974, das ist schon fast Punk.
Adriano Celentano „Rockin’ Celentano“-LP, 1970. Der Schauspieler mit der Gretsch-Guitar. Ein Zufallsprodukt zu der Zeit?
Ja, er hat ja in den Fünfziger Jahren schon Rock’n’Roll gemacht. Und diese Platten sind extrem teuer und rar. Ich habe zwei noch hier. Die sind ultraschnell und er hat einen Bill Haley-Sound. Er hatte auch megacoole Jazzmusiker dabei, die rocken richtig. Und in dem Film „La Dolce Vita“ spielt er ja einen Song auf einer Party. In dem Fellini-Film, wo auch Anita Ekberg mitspielt.
Alvin Stardust „Jealous Mind“-7“, 1974.
Super, Alvin. Alvin Stardust war ja schon in den Fünfziger Jahren ein Star in England als Sänger, da hieß er noch Shane Fenton. Und seine Backing-Band hieß ja THE FENTONES, und deren größter Hit war „The Mexican“. Shane hatte einen Riesenhit mit „Im a moody guy“, das war so um 1960, glaube ich. Der hat sich, genau wie Gary Glitter, der ja auch schon in den Fifties aktiv war, dann umbenannt. Ich mag diese Platte hier total, weil seine Sachen ultramelodisch sind, das ist auch schon Glamrock.
CRAZY CAVAN „Crazy Rhythm“-LP, 1975. Ihr Debüt mit 18 Songs. Eine wichtige Band, die sogar 2015 noch eine neue, starke LP aufnahm. Wie hast du die erlebt?
Also als die rauskam, da war ich ja ganz jung, da war die natürlich ein echter Hammer. Das ist eigentlich eine komplette Punk-Platte, die wird von vorne bis hinten durchgeholzt, bis auf zwei Nummern. Terry Walley, der Rhythmusgitarrist, war ja der Einzige, der richtig spielen konnte. Und der hat die zwei Balladen auf dieser Platte geschrieben, die fand ich schön. Das ist eigentlich Punkrock. Die erste Single kam ja schon 1969, und das war wirklich wahnsinnig früh. Das war ja erst zehn Jahre nach der klassischen Rock’n’Roll-Phase, wenn man sich das überlegt.
Ich sah im Netz neulich CRAZY CAVAN live in Dublin, ein Neun-Minuten-Clip in so einem Pub, mit bärtigen, langhaarigen Motorradfahrern und Teddyboys ...
Ja genau, und da gibt es noch ein anderes Video von so einem Teddyboy-Festival. Die Band war ja etwas rassistisch angehaucht. Und da gibt es wie gesagt diesen Clip, wo der Sänger einen Schwarzen auf die Bühne holt, der da abrockt wie beknackt, und die ganzen „Südstaaten-Fredels“ im Publikum wissen gar nicht, was abgeht. Total genial, wie der Sänger da quasi die Teds verarscht. Ich hatte ja die erste Platte, aber die verkaufte ich dann, weil ich inzwischen Punk war, und Jahre später war ich mit MAD SIN unterwegs und da sagte der Veranstalter zu mir: „Hier greif mal in die Plattenkiste, such dir einfach eine aus!“ Und da war eine Doppel-LP von CRAZY CAVAN drin, mit den Hits der ersten Scheiben, und da entdeckte ich die und fand die gar nicht so schlecht. Sie spielten immer auch Fats Domino-Songs nach und sie waren sehr erfolgreich. Sie waren auch im deutschen Fernsehen. Sie hatten eine Goldene Schallplatte in Finnland, was aber nichts bedeutet, weil du kriegst in Finnland schon eine ab 2.000 verkauften Einheiten ...
Robert Gordon/Link Wray „Fresh Fish Special“-LP, 1978. Mit dem Song „Fire“, den ihm Bruce Springsteen vermachte ...
Natürlich, großartig, ich liebe den Song. Es gibt sogar eine Discoversion von den POINTER SISTERS davon, die ist auch sehr geil. Und der Meister selbst hat auch eine eigene Version davon aufgenommen. Superplatte, allein weil Link Wray da mitspielt.
MATCHBOX „s/t“, LP, 1979. Kultband auf großem Label.
Das ist ja bereits die dritte Platte von denen. Die erste ist ganz gut, die zweite kam auf Chiswick raus, einem Punklabel. Und die ist wirklich großartig. Die auf Magnet Records, die du hier anspielst, finde ich nicht ganz so toll, da ist der Sound zu glattgebügelt. Das einzige Gute ist, dass sie „Lord Mr. Ford“ gecovert haben.
THE METEORS „Meteors Madness“-7“, 1980. Die Erfinder des Psychobilly, hier noch mit wechselndem Gesang von P. Paul Fenech und Nigel Lewis. Auch für dich bahnbrechend?
Natürlich, die ist toll. Vor allem wegen Nigel Lewis. Das war ja der Visionär in der Band, der diese ganzen tollen Nummern auf der „In Heaven“-LP geschrieben hat, „Earwings in my brain“ zum Beispiel. Mittlerweile höre ich die aber selten, da höre ich eher Nigel Lewis selbst, oder die TALL BOYS.
STRAY CATS „s/t“-LP, 1981 Eine Art Urknall. Nachdem es ja vorwiegend die Engländer waren, die den Rock’n’Roll wieder zu neuem Ansehen verhalfen, lief es hier umgekehrt. Junge Amerikaner gingen nach London ...
Genau, um mal was zu werden. Was ihnen ja auch irgendwie geglückt ist. Und da kommen wir erneut zu Shakin’ Stevens; dank Dave Edmunds! Die Magie ist unfassbar, eine „Classic“-Scheibe. Unfassbares Gitarrenspiel. Bass und Drums sind ganz okay, hauen mich aber nicht vom Hocker. Aber Edmunds’ Sound ist so maßgeschneidert auf die Band und Setzer war damals schon total genial. Nimm „Runaway boys“, das ist ja ein Song, der von der Struktur her überhaupt kein Rock’n’Roll ist. Das ist schon New Wave, weil er ja gar nicht die normale R’n’R-Akkordfolge hat. Ich hatte ja zuvor schon die Single. Die fanden wir alle in Osnabrück unfassbar.
POLECATS „Live In Hamburg“-LP, 1981. Was für ein swingender, scheppernder Sound!
Ich habe die, weil Holly, ex-MAD SIN, mir die mal geschenkt hat, aber ich bin ja kein Live LP-Fan. Da gibt es nur die von MOTÖRHEAD und RAMONES, die mir gefallen. Einmal habe ich die hier durchgehört, mir war der Sound zu schrottig. Aber die Band ist toll, mit einem völlig eigenen Sänger, mit guten Musikern. Und auch wieder produziert von Dave Edmunds! Bis auf das Lied „Marie Celeste“, das war Tony Visconti. Tony hat ja die ganzen T. REX-Sachen gemacht.
Adam Ant „Goody Two Shoes“-7“, 1982. Für mich eine echte Überraschung, die A-Seite Rock’n’Roll, auf der B-Seite mit „Red scab“ praktisch THE CRAMPS-lastiger Garage-Rock ...
Ja, ja. Er war dadurch wichtig, dass er mit ADAM & THE ANTS diese tollen Platten gemacht hat. Jene mit zwei Schlagzeugern, mit diesem Burundi-Beat. Das ist so ein afrikanischer Beat und der Gitarrist Marco, der hatte immer so einen SHADOWS-Sound. Später ging es ja in Richtung Hardrock, aber es war alles recht gut. Also die hier macht Spaß. Also die Platten, die du ausgewählt hast, stimmen schon, außer vielleicht Celentano, wobei sein Song „Svalutation“ eine Ausnahme ist, das Stück liebe ich auch. Das hat ja ein 1:1 nachgespieltes Gitarrensolo von Gene Vincent.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #112 Februar/März 2014 und Markus Franz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #150 Juni/Juli 2020 und Markus Franz