TESCO VEE

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I am the Meatman and you suck!

Jemanden zu interviewen ist immer eine schwierige Sache, insbesondere wenn es sich um eine kontroverse Person handelt. Auch wenn man es der folgenden Unterhaltung wahrscheinlich nicht anmerkt, halte ich einige von Tesco Vees Texten für anstößig. Betrachtet man die musikalischen Mission des MEATMEN-Gründers, würde er wohl etwas falsch machen, wenn es anders wäre. Lieder wie „Camel jockeys suck“, „Lesbian death dirge“, „Blow me jah“ und „Tooling for anus“ überschreiten bewusst gleich mehrere Geschmacksgrenzen, beinhalten sie doch eindeutigen (wenngleich überspitzten) Rassismus und Homophobie in solch extremem Ausmaß, dass jeder tolerante Mensch sich wohl schwer tun wird, nicht darauf anzuspringen. Es tut dabei nichts zur Sache, dass Tesco seine „Ansichten“ nirgendwo ernsthaft rechtfertigt oder verteidigt, oder dass seine parodistische Darbietung und seine extremen, überspitzten Aussagen einen geradezu herausfordern, keinen Anstoß zu nehmen. Und mal ehrlich, wie ernst kann man etwas nehmen, das aus dem Munde eines Mannes kommt, der auf der Bühne einen gigantischen Aufblaspenis und Teufelshörner trägt? Solche Statements wollte ich aber auch nicht schweigend hinnehmen, weshalb ich Tesco im folgenden Interview dazu befragte. In diesem ging es nicht nur um die MEATMEN, die er 1979 in Lansing, Michigan gründete und die bis 1997 in verschiedenen Besetzungen aktiv waren (2008 erfolgte die Reunion, im Herbst 2012 spielte die Band erstmals in Deutschland), sondern auch um TESCO VEE’S HATE POLICE und das Touch & Go-Fanzine, das er einst mitbegründete und welches später zum Label wurde. 2010 erschien die telefonbuchdicke Anthologie „Touch & Go: The Complete Hardcore Punk Zine ’79-’83“ bei Bazillion Points, die in jeden ordentlichen Punk-Haushalt gehört.

Tesco, stimmt es, dass du nach einer britischen Supermarktkette benannt wurdest?


Das stimmt. Ich habe mich selbst so genannt. Ich weiß nicht, ob du auch die Ursprünge davon kennst, denn THROBBING GRISTLE haben mal vor einem Tesco-Markt posiert, und ich dachte danach, dass das irgendwie ein cooler Name wäre.

Hast du seitdem mal jemanden getroffen, der Tesco heißt?

Nein, habe ich nicht. Es gibt einen Haufen Hunde und Katzen mit dem Namen Tesco, dank mir, aber mir ist noch nie ein anderer Mensch mit dem selben Spitznamen begegnet.

Lass uns mal mit deinem Interesse für ABBA beginnen. Ist das ernsthafter oder ironischer Natur?

Es ist durch und durch ernsthaft. Ich bin keiner von diesen Trittbrettfahrern, ich mag ABBA, seit ich „SOS“ und „Waterloo“ 1974 zum ersten Mal gehört habe. Da stand ich zwar eher auf THIN LIZZY, GRAND FUNK RAILROAD und MONTROSE, aber es hat mich dennoch sofort mitgerissen. Ich dachte mir: „Das ist ja anders als alles, was ich je gehört habe. Das die pure Pop-Krönung.“ Alle meinten, dass das nicht mein Ernst sein könne, aber, na ja, ich meine das völlig ernst.

Hattest du jemals die Chance, mit ABBA zu reden?

Nein, aber sie sind in meinem Herzen und in meiner Plattensammlung, ich habe eine ganze Menge ABBA-Kram. Ich habe einen riesigen Papp-Aufsteller in meinem Büro, von 1976, glaube ich, und alle möglichen Sammlerstücke. Irgendjemand aus New Orleans hat mal ein Paar ABBA-Clogs in einem Mülleiner gefunden, und ich habe sie gegen sechs T-Shirts getauscht. Ich habe sie zu Hause ausgestellt und jedes Mädchen, das zu mir kommt, muss sie anprobieren: „Oh mein Gott, ABBA-Clogs!“ Und es gab mal ABBA-Puppen von Matchbox und ich hab sie alle.

Lässt du den Kram in der Verpackung?

Oh ja. Wenn du es originalverpackt bekommen kannst, ist es quasi ein Bonus. Wenn es verpackt ist, bleibt es auch so. Das kann den Wert manchmal sogar verdoppeln.

Absolut. Ich habe mal Lemmy Kilmister zu seiner Nazi-Antiquitätensammlung interviewt und er sagt, das sei seine Altersvorsorge. Ist deine Spielzeugsammlung in der gleichen Liga?

Na ja, ich weiß nicht, ob ich davon leben könnte, aber das ist auch nicht mein Ziel. Mein Ziel wäre es, ein Spielzeugmuseum zu eröffnen – einfach irgendein Gebäude kaufen. „Tesco’s Toy Museum“ kommt ins Erdgeschoss und im oberen Stock wohne ich dann.

Was macht gutes Spielzeug für dich aus? Magst du lieber Vintage-Spielzeug?

Es muss vintage sein! Es muss noch nicht mal ein Spielzeug sein – es könnte alles sein, was alt und „funky“ ist. Ich sammle Satan, Rote Teufel und Jesus – alles Religiöse ist für mich faszinierend, deshalb zieren viele Bilder von Jesus oder Satan meine Wände. Weltraumspielzeug, alles Mögliche aus dem Atomzeitalter, so was mag ich am meisten. Plus die ganzen TV-bezogenen Spielsachen – ich habe die wahrscheinlich größte „Man From U.N.C.L.E.“-Sammlung der Welt, oder Sachen von „Green Hornet“, „Get Smart“, „Munsters“, „Addam’s Family“, all solchen Kram. Ich sammle das seit den Achtzigern, also kannst du dir vorstellen, dass mein Keller aussieht, als hätte eBay reingekotzt. Das sagen jedenfalls meine Kollegen, wenn sie vorbeischauen.

Hast du auch viele alte Platten?

Nicht mehr. Ich musste mehrfach aussortieren, weil die Spielzeugsammlung einfach überhandnahm. Ich habe alles, was mir wichtig war, dennoch behalten. Aber ich wünschte, ich hätte noch meine MISFITS-Sammlung! Ich habe die irgendwann in den Achtzigern weit unter dem heutigen Wert verkauft, aber was will man machen? Ich bin kein Fan von Glenn Danzig und bin es auch schon länger nicht mehr, deshalb fällt es mir schwer, an etwas zu hängen, das von einer Person herausgebracht wurde, mit der ich nichts mehr anfangen kann. Also kam alles irgendwann unter den Hammer, als er zum Trottel wurde, so um 1985.

Dein „Museum“ klingt ja beinahe nach einem Vollzeitjob, aber hast du auch einen regulären Job?

Ja, ich bin Nachrichtentechniker. Ich installiere große Telekommunikationssysteme und warte sie; Anrufbeantworter, Handys, ich bin verantwortlich für all die Smartphones, iPhones und Androids, die in Firmen als Dienst-Handy benutzt werden. Ist ziemlich langweilig, aber ich kann meine Rechnungen damit bezahlen.

Wissen manche Leute, wer da gerade ihren Anrufbeantworter einrichtet?

Manchmal prallen da Welten aufeinander und ich muss den Leuten erklären, dass das nicht unbedingt eine christliche Rockband ist, in der ich spiele. Ich versuche das möglichst wenig raushängen zu lassen. Aber ich habe auch keine Angst davor, dass es rauskommt. Denn jedes Jahr auf unserer großen Abteilungs-Weihnachtsfeier bin ich der Showmaster, also ziehe ich mir diese bekloppten Outfits an und schieße mit Konfettikanonen um mich und die Leute fragen mich, woher ich den ganzen Kram habe: „Oh, das ist einfach nur Zeug, das bei mir im Keller rumfliegt ...“ Aber die Aufblaspenisse lasse ich zu Hause.

Aufgewachsen bist du in Lansing ...

Ja. Eigentlich bin ich in Kalamazoo aufgewachsen und dann sind wir in den Osten gezogen, als ich in der Highschool war, neunte, zehnte oder elfte Klasse. Dann sind wir zurück nach Michigan gegangen, als ich in der zwölften Klasse war. Dort lebten wir von 1972 bis 1982, danach dann 17 Jahre in Washington D.C. beziehungsweise im nördlichen Virginia, und dann zogen wir 1999 hierher zurück.

Über die Szene in Lansing weiß ich nicht viel, aber die NECROS kommen von da, und die CRUCIFUCKS finde ich geil.

Was kaum einer weiß: Mein Schwager Gus war deren Gitarrist. Die waren eine gute Band. Die Bands aus Lansing waren meine erste Erfahrung mit amerikanischem Hardcore, weil ich mit fast allen befreundet war.

In den Touch & Go-Zines liest es sich so, als wäre Michigan ein ziemlich trostloser Ort gewesen, um dort aufzuwachsen.

Ja, es war schon öde, aber es kamen jede Menge Bands auf ihren Touren dort vorbei. 999 waren ziemlich oft in Michigan, die haben bein uns in East Lansing gespielt, und wir hatten die STRANGLERS und die RAMONES ein paar Mal hier. In den frühen Siebzigern gab es einen Laden namens The Brewery und da hatten sie innerhalb von zwei Jahren hunderte Bands – T. REX, TUBES, so was. Selbst BLACK FLAG kamen hier vorbei und traten im Club Doobie auf, worüber ich geschrieben habe. Touren war für die Bands damals teilweise wirklich Glückssache – aber ihr Ruf ist ihnen meist vorausgeeilt und natürlich war das Haus voll. Es war ein ziemlich guter Ort, um ein Zine zu machen, weil wir auch oft nach Detroit gefahren sind und eine Menge Bands gesehen haben, wie die CRAMPS, Johnny Thunders oder GANG OF FOUR. Sogar ULTRAVOX! Wie ich immer zu sagen pflege: „Du wirst eher auf einer ULTRAVOX-Show flachgelegt, als auf einer von den CRAMPS!“

Im Buch beschreibst du, wie ihr damals das Zine zusammengebastelt habt. Was genau ist eine IBM Selectric?

Das waren in der Regel erbsengrüne oder rote elektrische Schreibmaschinen, die circa 25 Kilo wogen. Die hatten diese kleinen, austauschbaren Kugelköpfe, und wenn du die Schriftart ändern wolltest, hast du eine andere Kugel reingetan. In den Sechzigern und Siebzigern hatten alle Büros in Amerika Unmengen davon rumstehen. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich meine herhatte, aber die hielt einiges aus. Die hat viele Kippen und viel Bier überstanden.

Und dann tippt man seinen Kram ab, schneidet das per Hand aus und klebt alles zusammen ...?


Exakt, und dann hast du dir ein Bild bei Trouser Press geklaut, oder du hast irgendeine Kritzelei benutzt, die dir jemand auf einen Umschlag gemalt hatte, oder was auch immer du für cool gehalten hast, um die Seite voll zu bekommen. Ich habe immer die eine Hälfte des Heftes gemacht und Dave Stimson, mein Co-Autor, die andere. Und wir haben uns dann getroffen, Bier gekauft und uns unsere Seiten gegenseitig vorgelesen, das Ganze dann zur neuen Ausgabe erklärt und es in die Druckerei gebracht.

Das Kopieren und das Zusammenheften der Heftseiten, das hast du alles mit den Geräten in der Grundschule gemacht, in der du gearbeitet hast, oder?

Ja. Das ist witzig, denn ich habe mal einer Lokalzeitung ein Interview gegeben, als das Buch rauskam, und ich habe darin verraten, wo das Heft entstand. Irgendwann sind wir dann zu einer richtigen Druckerei gegangen, aber wir waren ziemlich pleite ... Ich war Lehrer und habe vielleicht 10.000 oder 12.000 Dollar im Jahr verdient, und habe noch all die Platten gekauft und versucht zu überleben. Der Großteil meines Geldes wurde in Vinyl umgesetzt, wir sind dann nach Chicago oder Ann Arbor gefahren und haben die ganzen Plattenläden abgeklappert. Also bin ich für die ersten zehn Hefte des Zines um drei Uhr morgens in meine Schule geschlichen. Wenn nur noch wenig Tinte in den Maschinen war, dann war die Qualität der Kopien beschissen, somit musste bei einigen der Auflagen ein Freund von mir jede einzelne Seite nachdunkeln.

Das ist ja eine der großen Punkrock-Traditionen. Fanzines, Poster, Textblätter ... „My dayjob paid for this!“

Ja, richtig. Meine größte Angst war es, eine der Seiten im Kopierer zu vergessen, am nächsten Morgen dann zur Arbeit zu kommen und vom Schulleiter zu hören: „Wir müssen uns unterhalten ...“ Und es wäre garantiert irgendwas Schlimmes auf der Seite gewesen, Farrah Fawcett, der Sperma aus der Nase spritzt, oder so was ...

Was gab es zuerst, das Zine oder die MEATMEN?

Das passierte, glaube ich, fast gleichzeitig. Das Zine haben wir 1979 gegründet, die Band auch. Aber ich glaube, ich habe mit dem Zine vorher angefangen. Ich hatte einfach Geschmack an diesem D.I.Y.-Ding gefunden – anybody can do it. Ich war es leid, davon zu träumen, auf der Bühne zu stehen, ich wollte es einfach tun. Als Hardrock-Kid in den Siebzigern hast du dir das immer vorgestellt. Ich bin froh, mir dieses Genre ausgesucht zu haben und nicht Hair Metal oder so was. Punkrock hat eine längere Lebensdauer.

Wie wurdest du auf Punk aufmerksam?

Ich hatte davon gelesen, habe es quasi studiert. Ich war vernarrt in diese ganzen legendären Bands wie GENERATION X, SEX PISTOLS, DAMNED oder CLASH, ich habe Bilder von denen gesehen, denn ich habe mir immer Musikmagazine wie Trouser Press, New Musical Express oder Melody Maker geholt. Und ich habe alles über diese Bands gelesen, weil da dieser riesige Paradigmenwechsel in der Musik stattfand. Die englischen Bands waren die ersten, die ich gesehen habe – die STRANGLERS und ein bisschen von dem eher wavigen Kram – Lene Lovich, die REZILLOS, die kamen alle rüber, bevor die amerikanische Hardcore-Szene ein oder zwei Jahre später „explodierte“.

Der Beatpoet Ed Sanders scheint dich auch ziemlich geprägt zu haben. Einer der Rap-Songs, die ich von dir gehört habe, handelt davon, einer Frau deine Zunge so tief in ihren „runzligen Seestern“ zu stecken, dass du „deine Initialen in ihren Morgenschiss einritzen“ kannst. Das klingt für mich stark nach Ed Sanders.

Absolut. Das Zeug von „Live At The Fillmore“ – die lesbischen Zwerge, „Coca Cola douche“, „Saran wrap“ und „I couldn’t get high“, das ist einfach genial. Ich mache das immer im Tourbus an, aber die anderen schreien sofort: „Mach die Scheiße aus!“

Gibt es Comedians, die einen besonderen Einfluss auf dich hatten?

Ich fahre nicht so auf Stand-up-Comedy ab. Lewis Black ist okay, weil ich mich mit ihm identifizieren kann. Aber das, was ich tue, liebe ich deshalb, weil ich dabei eine Art Stand-up-Comedy machen kann, um einen Song einzuleiten oder einfach nur, um einen Witz zu erzählen oder mich über jemanden im Publikum lustig zu machen, und danach kann ich mit was ganz anderem weitermachen. Für mich ist es das Beste aus beiden Welten. Wenn meine Witze in die Hose gehen, dann kann ich immer noch einen Song spielen. Ich habe gehört, dass Jon Stewart mal gesagt hat: „Die Reaktionen des Publikums sind auf keinen Fall die Messlatte, an der du die Qualität deines Materials messen kannst.“ Das ist ziemlich profund und richtig, denn an einem Abend reißt du die Hütte ab, aber am nächsten Abend kommst du mit dem gleichen dummen Spruch und die Leute schauen dumm aus der Wäsche. In manchen Städte sind die Bewohner intelligenter als in anderen, mehr kann ich dazu nicht sagen ...

Bei uns in Vancouver achten die Leute sehr auf Political Correctness. Es gibt eine ausgesprochen starke schwul-lesbische Gemeinde, und ich bin mir nicht sicher, ob deine Songs hier gut ankommen würden ...

Die Leute müssen verstehen, worum es bei mir geht. Ich bin der freidenkerischste, politisch am weitesten linksaußen stehende Freak auf der Welt. Wenn ich die Tesco Vee-Rolle, in die ich schlüpfe, tatsächlich so leben würde, wäre ich entweder tot oder im Knast. Aber das geschieht doch alles mit einem Augenzwinkern, was ich da mache. Ich will, dass die Leute reagieren, sei es Gelächter, Wut oder was auch immer. Ich will nicht, dass die Leute gelangweilt rumstehen. Darauf habe ich in meiner gesamten Laufbahn immer abgezielt – ich will eine Reaktion sehen, deshalb gibt es Titel wie „Crippled children suck“. Und natürlich glaube ich nicht, dass behinderte Kinder scheiße sind – oder wie ich auf der Bühne zu sagen pflege: „they only suck when they can actually reach my zipper.“

Sind deine Eltern eigentlich noch am Leben?

Mein Vater ja, meine Mutter ist vor ein paar Jahren verstorben. Ich komme aus einer Familie erzkonservativer Christen.

Also waren sie nie auf einer von deinen Shows.

Nein, nie.

Und wie sieht es bei dir mit Selbstzensur aus? Ich frage deshalb, weil es in dem Song „True grit“ ja heißt, dass du deine kleine Tochter in den Arsch fickst. Hast du das irgendwann mal geändert, weil du ja selbst eine Tochter hast?

Ja, aber die ist ja schon 24. Irgendwas ändere ich immer. An manchen Tagen heißt es „granddad“, manchmal ist es „little sister“, manchmal was anderes, oder ich suche mir einfach einen Typen in der ersten Reihe aus und singe es für ihn. Aber ich denke, man könnte es Selbstzensur nennen. Dinge ändern sich, Zeiten ändern sich. Deshalb heißt „One down three to go“, der Song über die BEATLES, jetzt „Two down two to go“, ich will ja die Aktualität wahren.

Hatte dich deine Tochter denn darum gebeten, dass du den Text änderst?

Oh nein, meine Kinder fahren total darauf ab. Mein Sohn war einer derjenigen, der mich vor ein paar Jahren wieder zum Touren animiert hat. So wurde er für ein paar Jahre mein Tourmanager, aber dann brauchte er einen richtigen Job ...

Gibt es irgendwelche Songs, die du nicht mehr spielen würdest? Ich meine, ich hätte irgendwo gelesen, dass „Camel jockeys suck“ nicht mehr auf der Setlist ist.

Ja, aber ich weiß nicht, warum gerade dieses Lied. „Crippled children suck“ und „French people suck“ sind immer noch drauf. Die Leute wollen alle drei hören und ich habe damit geliebäugelt, ein neues drittes Lied über ein anderes Thema zu machen, denn es gibt viele Reizthemen da draußen. Aber vielleicht belassen wir es auch einfach bei „Crippled children suck“ und „French people suck“. Übrigens bin ich stolz darauf, dass wir „French people suck“ in Montreal gespielt haben.

Wie waren die Reaktionen?

Ziemlich gut. Ich habe davor ein bisschen was einleitend erklärt, denn irgendjemand hatte gemeint: „Die Leute in Montreal mögen die Franzosen nicht, denn die kommen nach Montreal und reden mit den Frankokanadiern und fragen dann, ,What did you say? I can’t understand you!‘, weil die ja kein ,richtiges‘ Französisch sprechen. Und das nervt die richtig.“ Man könnte meinen, dass ich den Schwanz eingezogen hätte, aber ich will den Abend ja schließlich überleben.

Ich habe gelesen, es war wohl im Forced Exposure-Magazin, wie du über den Charakter Tesco Vee redest und darüber, dass ihr auch Schwule im Publikum habt. Das hat dich für mich in ein anderes Licht gerückt ...

Ich bin mir sicher, dass wir schwule Fans haben. Wir haben in Brooklyn häufiger in einer polnischen Disco namens „Europa“ gespielt. Ein Freund von mir meinte: „Ich habe diese zwei riesigen, schwulen Bodybuilder eingeladen und ihnen gesagt, dass sie sich das unbedingt ansehen müssten.“ Und dann kamen sie und haben sich beinahe tot gelacht. Sie fanden es richtig gut. Es ist wie mit anderen Bevölkerungsgruppen auch: wenn man sich in seiner eigenen Haut wohl fühlt, dann versteht man den Witz. Wenn wir „Tooling for anus“ singen, dann wollen wir doch nicht gegen Schwule hetzen, wir machen uns einfach nur über sie lustig, genau so, wie wir über jeden anderen beliebigen Teil der Menschheit Witze machen. Die, die es kapieren, kapieren es. Die, die es nicht kapieren, eben nicht.

Als ich mit Gerry Hannah von den SUBHUMANS und Joe Keithley unterhielt, haben beide zum Ausdruck gebracht, dass sie über das Ausmaß an Gewalt auf Hardcore-Shows sehr unglücklich sind. Manches, was ich von dir gelesen habe, klang hingegen, als würdest du darauf stehen, da du anscheinend der Meinung bist, Punk sollte gefährlich sein ...

Nun, ich dulde ganz bestimmt keine Rücksichtslosigkeit oder Messerstechereien und dergleichen, aber für mich selbst waren die besten Punk-Shows diejenigen, bei denen eine gewisse Bedrohung allgegenwärtig war. Das lässt sich schwer beschreiben, aber es ist einfach ein Gefühl, das irgendwas in der Luft liegt, entweder wird was Schlimmes oder was Gutes passieren. Das waren die Shows, an die ich mich am besten erinnern kann. Wenn die Leute aus D.C. nach New York gefahren sind, um Stress zu machen, fand ich das immer ziemlich daneben. Die Szenen waren beide ziemlich klein, also warum das Ganze? Und dann gab es in L.A. diese Ausschreitungen, das war natürlich nicht mehr cool. Genauso wie der Ganze Skinhead/Nazi-Kram. Aber es gibt den Fall, dass eine Show komplett außer Kontrolle geraten und chaotisch sein kann und trotzdem noch einen gewissen Grad an Energie besitzt. Offensichtlich sind Konzerte heutzutage ein wenig zahmer, und vielleicht ist das auch gut so, aber ich vermisse diese Zeiten.

Du hast mal gesagt, Touch & Go Records hätten dich immer fair behandelt. Hast du zum Prozess der BUTTHOLE SURFERS gegen T&G was zu sagen. Die verklagten ihr langjähriges Label Mitte der Neunziger und verlangten die Rechte an ihren Platten zurück.

Natürlich ist Corey Rusk, der Chef von Touch & Go Records, ein guter Freund – er stand 30 Jahre lang immer an meiner Seite. Und die Buttholes sind großartige Leute, die ich ebenfalls sehr mag. Es ist tragisch, dass das passiert ist, denn das hat Corey das Herz gebrochen. Corey hat sich wirklich den Arsch aufgerissen, er hat ihnen damals einen Tourbus gekauft und was weiß ich nicht noch alles ... Es war eine persönliche Entscheidung, die sie da getroffen haben. Sein Geschäftsmodell basierte schon immer auf gegenseitigem Vertrauen, auf Handschlag-Deals, und das hat in 99 von 100 Fällen funktioniert. Nur dieses eine Mal eben nicht. Wirklich schade.

Du kannst aber frei über deinen eigenen Backkatalog verfügen, richtig?

Ja, bis auf die Touch & Go-Sachen. Und die vertreiben das Zeug auch digital, bis auf das neue Zeug, das macht MVD. Mir gehört der Rest mittlerweile. Ich will einiges noch mal auf Platte pressen lassen, denn heutzutage kauft ja keiner mehr CDs.

Gibt es bald ein neues Album?

Jawohl. Es war ein langwieriger Prozess, der langsam, aber sicher zum Ende kommt. Das Album wird „Lansing Liberace“ heißen und wahrscheinlich irgendwann 2013 rauskommen. Ich hoffe, dass wir nächsten Herbst eine US-Tour machen können, möglichst mit dem neuen Album im Gepäck. Wir haben sechs, sieben Songs fertig. Wir proben in Detroit, das 145 Kilometer entfernt ist, also ist es schwer zusammenzukommen. Wenn du aus Michigan kommst, dann tourst du nicht im Winter, weil es dann scheiße ist. Dann schließen wir uns eben ein, halten Winterschlaf und schreiben das neue Album. Das muss sein, denn ich habe seit den Neunzigern kein Album mit neuem Material mehr gemacht, es wird also wieder Zeit.

Spielt ihr live denn schon neue Songs?

Ja, sogar mehrere. Wir haben einen, der heißt „Dinosaur“, den hab ich 1996 geschrieben und der ist irgendwie autobiografisch: „I’ve been around since the dawn of punk time / I’ve been playing these punk rock waters since 1979“. Dann haben wir noch einen anderen, der heißt „Kill Kunt Koulter“, da geht es um Ann Coulter, diese Nazispinnerin. Dann haben wir noch einen, den haben wir in Montreal gespielt, der heißt „The Dwarves are the second best band in the world, after the Meatmen“ – du weißt ja, dass die DWARVES immer behaupten, sie seien die beste Band der Welt ... Nun, wir haben ihnen extra ein Lied geschrieben und es ist richtig gut geworden. Das Ganze beruht auf einer wahren Begebenheit, denn als Blag angefangen hat, hat er sich Punk-Platten gekauft, unter anderem „We’re The Meatmen ... And You Suck!“ und hat sich damals gedacht: „Das ist schrecklich, das kann ich besser!“ Ich habe ein Interview gelesen, in dem er das sagt, und das inspirierte mich zu diesem Song.

Auf dem letzten MEATMEN-Album „Cover The Earth“ gab es ja ausschließlich Coverversionen. Wie viele von den Songs haben es in die Setlist geschafft?

Keiner. Aber wir spielen trotzdem einige Cover, zum Beispiel „World up my ass“ von den CIRCLE JERKS. Und wir spielen „Hot rockin’“ von JUDAS PRIEST-Song, aber nicht immer, sondern nur zu speziellen Anlässen. Hast du jemals das Video dazu gesehen? In der Dusche ... Wer da immer noch nicht kapiert hatte, dass Rob schwul ist, war ganz schön blöd. Du könntest aber jeden JUDAS PRIEST-Text nehmen und darin eine schwule Bedeutung finden. „Delivering the goods“, „Between the hammer and the anvil“ – denkt mal darüber nach! Außerdem haben wir „Evil in a league with Satan“ von VENOM im Programm, das hatte seit Jahren schon seinen festen Platz bei uns, und „Alcohol“ von GANG GREEN, das wir schon seit Ewigkeiten spielen und es mittlerweile als einen unserer eigenen Songs betrachten.

Übersetzung: Julius Lensch