Den Film „Good Vibrations“, benannt nach dem Punk-Label, das Ende der Siebziger Band wie THE UNDERTONES und THE OUTCASTS veröffentlichte, nehmen wir zum Anlass für ein Special zur Punk-Historie Nordirlands. Außer Hooley interviewte ich THE OUTCASTS und STIFF LITTLE FINGERS, jeweils mit besonderem Fokus auf der Zeit Ende der Siebziger, als Punks dort nicht nur mit den normalen Spießern Ärger hatten, sondern auch zwischen den Bürgerkriegsparteien standen.
Terri, du bist viel unterwegs als Punkrock-DJ. Wo lebst du heute?
In Belfast. Da habe ich immer gelebt, und ich wollte nie irgendwo anders leben. Ich habe es genossen, im Belfast der Sechziger aufzuwachsen, mit all seinen Clubs, wo man jeden Abend irgendwelche Live-Musik erleben konnte, etwa Van Morrison. Dann kamen allerdings die Unruhen ... und viele meiner Freunde, viele Musiker und Künstler verließen die Stadt. Ich aber hatte nie das Bedürfnis die Stadt zu verlassen.
Was für eine Stadt war Belfast in den Sechzigern? Das Image der Stadt wird ja geprägt von den Bildern aus den Siebzigern und Achtzigern, von Militär, Soldaten, Bombenanschlägen.
In den Sechzigern war das eine wundervolle, aufregende, bunte Stadt. Keiner hatte Geld, wir mussten alle als Teenager anfangen zu arbeiten. Mit dem bisschen Geld, das wir verdienten, fingen wir dann an auszugehen, sahen all die großartigen Bands, hörten all die tolle Musik. Die ROLLING STONES, die BEATLES, Bob Dylan, die kamen alle nach Belfast. Das mit den Bands änderte sich dann mit den „Troubles“ ... Die Clubs und Dancehalls schlossen alle oder wurden durch Bombenanschläge dazu gezwungen, es kamen keine Bands mehr, und Belfast wurde zu einem wirklich beängstigenden Ort. Wir gingen fast gar nicht mehr aus, es gab Bombenanschläge auf unsere Pubs, Freunde wurden getötet, ja, es kam vor, dass man sich von Leuten an einem Abend verabschiedete und sie einfach nie wieder sah.
Solche Bilder sieht man auch im Film, und es wird auch thematisiert, wie der Konflikt zwischen Katholiken und Protesten Freunde zu Feinden machte. Wie hast du das erlebt?
Ich wurde von beiden Seiten angegriffen! Viele meiner Freunde waren auf der einen oder anderen Seite in den Konflikt verwickelt, und es war ja auch schwer, sich rauszuhalten. Wenn die anderen in der Nacht einen Freund von dir erschossen hatten, war es schwer, nicht selbst in der nächsten Nacht loszuziehen und einen von denen abzuknallen. Ich habe aber nie für eine der beiden Seiten Partei ergriffen und bin sehr stolz darauf. Und ich weiß, wovon ich rede, denn viele Freunde taten genau das, gingen zur IRA oder zum protestantischen Gegenstück, der UDA. Ich war nicht daran interessiert, nachts loszuziehen und Menschen umzubringen. Dabei waren viele Freunde, die zu IRA oder UDA gingen, zuvor wie ich Teil der Friedens- und Anti-Atomwaffen-Bewegung der Sechziger gewesen, hatten sich wie ich gegen den Vietnamkrieg engagiert, hatten gegen einen drohenden Atomkrieg demonstriert. Die machten bei dem ganzen Scheiß mit, brachten Menschen um, landeten im Gefängnis und bedauern das alles heute. Von einigen wurde ich damals auch angegriffen, das sieht man auch im Film, und von denen kamen einige, nachdem sie den Film gesehen hatten, auf mich zu, um sich zu entschuldigen. Man muss verstehen, dass Belfast sich seit dem Ende der „Troubles“, also in den letzten 15 Jahren, komplett gewandelt hat. Die letzten 15 Jahren waren fantastisch!
Inwiefern?
Früher, zu Zeiten der Troubles, war die Innenstadt komplett abgeriegelt. Wer da rein wollte, wurde kontrolliert und durchsucht, und wer in ein Kaufhaus ging, musste sich am Eingang noch mal durchsuchen lassen. Alles das gibt es heute nicht mehr, man sieht auf den Straßen keine Polizei, keine mit Gewehren bewaffneten Soldaten mehr. Klar, es gibt immer noch Menschen, die sich gegenseitig hassen, aber die Mehrzahl der Leute will einfach nur in Ruhe ihr Leben leben. Die Stadt ist aufgeblüht, unzählige neue Kneipen und Clubs haben aufgemacht, es gibt wieder ein Nachtleben. In der Ecke, wo vor 35 Jahren die legendäre Punkkneipe The Harp war, da wagte sich jahrelang keiner mehr nachts auf die Straße. Und jetzt waren neulich bei einer Kulturnacht in diesem Stadtteil 50.000 Menschen unterwegs. Da gibt es jetzt eine Zirkusschule, ein Kulturzentrum mit Musikschule, Proberäumen, Club, Café und einer Rockmusik-Ausstellung, eine Kunst- und Ausstellungshalle – da war letztes Jahr eine Andy Warhol-Ausstellung – und eben zig Pubs. Da ist abends und am Wochenende immer viel los, und fast immer ist irgendein Festival, und viele davon bringen jede Menge internationaler Künstler in die Stadt.
Was hat es gebraucht, damit die Menschen in Belfast die Feindschaften und die Gewalt überwinden, die Vergangenheit vergessen konnten?
Das ist ja die große Frage: Wie gehen wir mit der Vergangenheit um? Ich habe viele Freunde, die beispielsweise einen Bruder während der Troubles verloren haben. Die kamen irgendwann darüber hinweg. Meine Ex-Freundin verlor einst ihren Bruder, der wurde einfach auf dem Nachhauseweg von der Arbeit erschossen, einfach nur, weil er Katholik war. Aber man kann nicht auf ewig in der Vergangenheit leben. Ich habe, wie gesagt, viele Freunde, die direkt betroffen waren, und die thematisieren das einfach nicht mehr. Wir sprechen einfach nicht mehr darüber. Es gab ja auch Leute, die mich umbringen wollten, und zuletzt wurde ich vor drei Jahren von ein paar Protestanten angegriffen, vor sechs Jahren zuletzt von IRA-Leuten, und es ist 14 Jahre her, dass mir ernsthaft jemand Gewalt antun wollte. Aber es ist eben weniger geworden, deshalb bin ich für den Waffenstillstand so dankbar, die letzten 15 Jahre waren einfach wundervoll.
Wie konnte man es schaffen, halbwegs unbeschadet aus diesen „Troubles“ hervorzugehen?
Das fragen wir Betroffenen uns auch immer wieder. Wie haben wir es geschafft, diese ganze Sache seelisch unbeschädigt zu überstehen? Es waren schreckliche Zeiten, gerade für junge Menschen, und in den letzten 15 Jahren ist eine ganze Generation nachgewachsen, die keine Erinnerung mehr daran hat, wie das zu Zeiten der Troubles war, worum es da ging. Belfast war ja die einzige europäische Großstadt gewesen, in deren Zentrum sich die eigenen Bürger nicht wagten. Da waren nur die Armee, die Polizei ... und die Punks. Ja, es waren die Punks, die das Nachtleben in der Innenstadt von Belfast wiederbelebten.
Wie kamst du damals zu Punk? Im Film ist es so dargestellt, als ob du keine Ahnung gehabt hättest, worum es geht, als die ersten Punks in deinem Plattenladen auftauchten.
Ich war ein alter Hippie, ich habe als Letzter etwas von Punk mitbekommen, hahaha. Ich und Punk, das passte eigentlich gar nicht zusammen. Dass das, was sich dann aus dem Plattenladen und dem Label entwickelt hat, so groß wurde, dass Bands wie THE OUTCASTS und STIFF LITTLE FINGERS heute immer noch Konzerte spielen, dass das alles so vielen Leuten so viel bedeutet, das ist wundervoll. Damals waren die im Rathaus von mir und den Punks genervt, heute haben sie eine Plakette zu meinen Ehren in der Stadt aufgehängt, das ist unglaublich. Und letztes Jahr habe ich sogar von einer großen Kulturzeitschrift aus Belfast einen Preis verliehen bekommen. Ach ja, und den Northern Ireland Music Award habe ich auch verliehen bekommen, ich war der erste Preisträger. Ich fragte natürlich warum: Hatte Van Morrison keine Zeit an dem Abend oder warum ich? So haben sich die Zeiten geändert! In ganz Europa kannte man mich all die Jahre immer schon, aber erst in den letzten Jahren wurde ich dann auch in Nordirland anerkannt, und das freut mich. Der Prophet gilt eben nichts im eigenen Land, wie es immer so schön heißt.
Und besonders seit dem Film bist du ein gefragter Mann, wie es scheint. Es war nicht leicht, einen Termin für das Interview zu finden.
Ja, sorry, ich war in der Zeit, seit der Film 2013 erschien, so busy wie nie zuvor in meinem Leben! Ich reise in der Welt herum, um als DJ aufzulegen und bei Filmfestivals aufzutreten. Zuletzt war ich in Amsterdam und in San Francisco. An Weihnachten werde ich 66, und ich lege jede Woche zwei Abende in Belfast auf. Vor vierzig Jahren lud mich keiner zu Konzerten ein, heute könnte ich, wenn ich wollte, jeden Abend auf ein Konzert gehen. Das schaffe ich ja gar nicht! Aber ich bin froh, dass das alles so ist, so kann ich jede Woche die Miete bezahlen. Das Auflegen hilft da – der Plattenladen weniger, ich bin ja kaum mal da. Aber der Laden läuft. Klar, es ist nicht mehr der alte Laden, es ist schwer zu bestehen, und es gibt ja auch nicht mehr viele Plattenläden in Belfast. Als ich in den Sechzigern aufwuchs, gab es in Belfast so viele exzellente Plattenläden. Das Secondhand-Angebot war deshalb sehr gut, weil durch den Hafen immer viele Seeleute in der Stadt waren, die aus der ganzen Welt Platten mitbrachten, vor allem aber aus den USA. Ich war ein fanatischer Blues-Sammler. Heute gibt es noch fünf Läden, wenn ich mich nicht irre. Na, und Good Vibrations war ja zig mal am Ende, der aktuelle Laden ist die elfte Neueröffnung. Zum Glück ist es jetzt wieder ein richtiger Laden, eine Weile lang war es eher ein Pop-up-Shop, wir hatten dann unsere Plattenkisten abwechselnd in diesem oder jenem Café stehen. Und vor allem Vinyl läuft gut, sowohl neue Platten wie gebrauchte. Wir kaufen immer wieder ganze Sammlungen an.
Sammelst du auch selbst?
Nicht mehr so wie früher. Ich habe mal fast alles verloren. Ich hatte meine Sammlung mal im Laden gelagert, und drei Wochen später brannte der aus ... Aber ich hänge heute nicht mehr so an meinen Platten. Wenn jemand eine Platte unbedingt haben will, gebe ich sie ab, wobei es natürlich welche gibt, an denen ich sehr hänge. Zum Auflegen verwende ich CDs, das ist einfacher als Vinyl. Und Downloads mag ich gar nicht, ich bevorzuge, etwas in der Hand zu halten. Platten begeistern mich immer noch. Neulich half ich einem Freund, seine Sammlung zu verkaufen, und all die Scheiben in der Hand zu halten, sie zu säubern, auf Schätze zu stoßen, das macht mir großen Spaß. Früher war ich wirklich ein fanatischer Sammler, das muss ich noch anmerken. Meine echten Schätze habe ich immer aus den Schnäppchenkisten gezogen. Was heute für Preise aufgerufen werden, das ist lachhaft. In San Francisco war ich in einem Laden, und deren Tarife konnte ich echt nicht glauben. Und was neue Platten heute kosten sollen, schon im Einkauf, das ist auch lächerlich. Da müsste ich für den Rerelease einer Platte, die wir einst für 4,99 verkauft haben, heute 25 Pfund nehmen.
Bei welcher Gelegenheit hast du Punk erstmals wahrgenommen?
Ich hatte, als die RAMONES ihre erste Platte veröffentlichten, die gleich gekauft. Ich sammelte auch amerikanische Garagenbands aus den Sechzigern, kannte die „Nuggets“-Compilations, die SEEDS, die STANDELLS, ELECTRIC PRUNES, und so weiter. Punk war da für mich kein harter Schnitt, ich mochte die RAMONES und ihren Spirit sofort. Die kannte ich, noch bevor ich irgendwelche Punkbands aus Belfast kannte. Und dann ging ich eines Abends aus und sah THE OUTCASTS und RUDI, wobei ich die OUTCASTS anfangs nicht mochte. Na ja, neun Monate später war ich dann ihr Manager und Labelboss, haha. Überzeugt haben die mich übrigens mit ihrer Coverversion „96 tears“ von ? & THE MYSTERIANS. Ich fand es ungewöhnlich, dass ein Punkband so was coverte, aber die hatten auch „Louie Louie“ von den KINGSMEN drauf, und das war ein weiterer Lieblingssong von mir. Nach und nach hatten die dann mehr eigene Stücke, und ich freue mich sehr, dass die heute wieder Konzerte spielen.
Du warst damals zehn Jahre älter als die Jungs in deinen Bands.
Sogar 15 Jahre! Als ich 1978 meinen 30. Geburtstag im The Harp feierte, waren ein paar der Jungs gerade mal 15. Natürlich habe ich den Jungs damals jede Menge gute, väterliche Ratschläge gegeben, die diese natürlich meist ignorierten. Klar, das waren Teenager, warum hätten sie sich für das Geschwätz von einem interessieren sollen, der schon 30 ist?
Besonders vernünftig hast du dich ja auch nicht verhalten.
Das stimmt, ich war kein Engel. Meine Ex-Frau, die im Film ja auch auftaucht, findet übrigens, dass mir der Film Unrecht tut und ich da zu schlecht wegkomme. Sie findet die Szene nicht gut, bei der ich wegen eines SIOUXSIE & THE BANSHEES- und THE CURE-Konzertes die Geburt meiner Tochter verpasse. Denn als ich mitbekam, dass es so weit ist, war ich 20 Minuten später im Krankenhaus, aber weil ich mit den Jungs von den OUTCASTS und RUDI ankam, wollten die uns nicht reinlassen und ich durfte erst am nächsten Tag zu Frau und Tochter. Meine Tochter sprach mich natürlich auch darauf an, fragte mich, ob ich sie als Neugeborenes wirklich nicht in den Händen gehalten hätte, und ich sagte nur: „Glaub nicht alles, was du in einem Film siehst, frag deine Mutter.“
Wie findest du den Film?
Ich mag ihn sehr. Er bringt sehr starke Erinnerungen zurück, so wie der Plattenladen da aussieht, so war das wirklich. Der Film ist eine interessante, andere Geschichte von Belfast und der Zeit der Troubles. Ich finde es gut, dass die politische Situation nicht im Vordergrund steht, denn Belfast war ja auch mehr als nur diese Unruhen. So gesehen hätte die Story auch in Beirut oder irgendwo in Südamerika spielen können, irgendwo eben, wo eine Stadt zum Kriegsgebiet geworden war und die Menschen versuchten, ihr Leben irgendwie weiterzuleben, sich versuchten, mit irgendwas anderem zu beschäftigen. Dass ich den Film für gelungen halte, hat auch damit zu tun, dass die Verantwortlichen für den Film die Szene in Belfast sehr gut kennen, selbst Kunden in meinem Laden waren. Mit vielen, die am Film mitgearbeitet haben, bin ich befreundet, und die Fotos und Filmausschnitte, die im Film verwendet werden, sind alle echt. Das ist wirklich alles sehr nah dran an dem, wie es wirklich war. Selbst Szenen wie die, bei denen die OUTCASTS und ich mit dem Tourbus von der britischen Armee gestoppt werden und die Soldaten uns sogar helfen, basieren auf wahren Ereignissen, auch wenn mich Leute angesprochen haben und meinten, das könne doch gar nicht so gelaufen sein. Ein bekannter nordirischer Journalist, der damals selbst Punk war, hat die Szene sogar genau so in einem Buch beschrieben. Und es ist übrigens ja nicht nur meine Geschichte, die Filmemacher haben mit vielen Beteiligten gesprochen, es ist genauso die Geschichte der beteiligten Bands. Viele haben Fotos und Zeitungsausschnitte beigesteuert. Und der Film war ein gigantisches Projekt, letztlich war der beinahe 15 Jahre in Arbeit, ich hätte zwischenzeitlich nicht gedacht, dass ich seine Fertigstellung noch erlebe. Das Schwierigste war letztlich die Finanzierung. Wir sind auf jeden Fall jetzt alle sehr stolz auf den Film. Wobei man aber auch nicht vergessen darf, dass es ein Spielfilm ist und keine Doku. Letzte Woche war ich noch mit Nick Emerson, der für den Schnitt verantwortlich ist, sowie David Holmes, der sich um die Musik gekümmert hat, sowie den beiden Regisseuren Glenn Leyburn und Lisa Barros D’Sa Essen, und die sagten, wenn sie den Film nicht auf 93 Minuten hätten zusammenschneiden müssen, sondern zweieinhalb Stunden gehabt hätten, wäre er noch viel besser. Vielleicht kommt ja irgendwann der Director’s Cut ...
Wie bist du damals das Plattenveröffentlichen angegangen? Du hattest doch keinerlei Label-Erfahrung.
Nein, ich wusste gar nichts. Ich hatte keine Ahnung, was wir da taten. Und ich machte eigentlich alles selbst. Im Film ist eine Szene, wo wir alle zusammen Plattencover falten. Na ja, die Realität war, dass die zwar alle dabei waren, aber ich die Cover fast im Alleingang faltete. Die waren wie kleine Kinder, die konnten das gar nicht ordentlich. Einmal faltete ich 5.000 Cover im Alleingang ... und dann sieht es im Film so aus, als hätte ich nie irgendwas gearbeitet. Im Film wirkt es auch so, als hätte ich die Karriere von RUDI versaut, aber das stimmt nicht: die sind aus Belfast weggegangen, weil sie nach London wollten. Ich hatte die bekniet, nicht zu gehen, und als sie zurückkamen, machten wir doch eine Platte zusammen, und sie gingen wieder nach London ...
Wie empfinden deine Tochter und dein Sohn den Film?
Also die spielen ja beide mit, mein Sohn ist jetzt 14. Die finden den Film gut! Und viele meiner Freunde sind auch im Film. Meine Kinder haben beide Good Vibrations-Platten zu Hause, die haben die Musik durch den Film für sich entdeckt. Und die Kids, die zu meinen DJ-Sets kommen, die wollen alle „I saw the light“ von Hank Williams hören, weil der Song im Film gespielt wird. Und der Song ist ja sogar noch älter als ich! Und die ganzen alten Bands meines Labels wollen sie auch hören. Das ist wirklich erstaunlich für mich: damals dachten alle, was wir da machen, das sei doch nichts, ein schnelllebiger Trend, und jetzt, 35 Jahre später, wollen all diese Leute diese Musik hören. Und deshalb bin ich froh, dass ich jetzt auch wieder viele der Platten besitze, die ich damals veröffentlicht habe, denn verschiedene Leute haben mich damit beschenkt.
Und was ist mit den Rechten an den Platten von damals? Gehört dir irgendwas davon?
Ich sehe da kein Geld für, nur die Bands. Aber das stört mich nicht, Geld hat mir nie irgendwas bedeutet. Mir ging es seinerzeit nur darum, dass Nordirland in der Rockmusik wieder eine Rolle spielt. Wir waren wegen der Troubles komplett isoliert, und das sollte sich ändern. Kein Label aus dem fernen London interessierte sich für Nordirland, schon deshalb, weil wir ja keine Engländer sind. Und die Labels aus Dublin, aus der Republik Irland, gaben auch einen Scheiß auf uns, für die waren wir Engländer. Also hatten wir keine andere Wahl, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Zum Schluss: Welche nordirischen Punk-Platten muss man unbedingt kennen?
Also auf jeden Fall „Inflammable Material“ von STIFF LITTLE FINGERS. Die waren nicht auf meinem Label, aber sehr gute Freunde. Ihr erstes Album ist einfach ein Klassiker. Und dann die UNDERTONES, deren erstes Album muss man auch haben, und dann würde ich noch den „Good Vibrations“-Soundtrack empfehlen. Aber eigentlich muss man auch was von PROTEX haben, da gibt es gute Bootlegs ... und RUEFREX waren auch genial. Und die MOONDOGS, und XDREAMYSTS ... Manche waren noch gar nicht so toll, als sie auf Good Vibrations waren, die wurden erst später richtig gut. Mit vielen Bands machte ich eine Platte, einfach weil ich bei ihren Konzerten das Potenzial sah, das in ihnen steckte. Man konnte oft erkennen, dass sich da eine Band anstrengte, probte, die Sache ernst nahm, sich was entwickelte. Und die Zeit gab mir recht, viele Bands spielen heute noch. PROTEX etwa haben sich vor ein paar Jahren nur deshalb reformiert, weil sie ein Angebot aus Japan für ein Konzert hatten, dort gibt es fanatische Good Vibrations-Sammler. Irgendwer lud sie ein, in dem Club in Tokiyo hingen lauter alte Good Vibrations-Poster, die wurden wie Rockstars behandelt. Die hätten sich vor 35 Jahren niemals träumen lassen, dass so was je passiert. Und: ja, es gibt auch ein paar echt schlechte Platten auf Good Vibrations, aber zum Glück erinnert sich keiner an die. Ich bin außerdem stolz, dass ich mich nie an irgendwen verkauft habe. Mir wurden Jobs in England und den USA angeboten, aber ich wollte nie weg aus Belfast.
Terri, allerbesten Dank für das Interview. Alles Gute!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #117 Dezember 2014/Januar 2015 und Joachim Hiller