Geboren wurde Gustavo Antonio Falco noch vor Ende des zweiten Weltkriegs im Mai 1945 in den ländlichen USA. Seine Band PANTHER BURNS wurde 1979 in Memphis gegründet. Sie waren vielfach gebrochene und reflektierende Anti-Ikonen eines anderen, wilden Verständnisses von Americana, durch deren Reihen musikalische Titanen wie Alex Chilton oder Jim Dickinson gingen, mit Berührungspunkten zu THE CRAMPS oder GUN CLUB sowie Veröffentlichungen auf dem legendären französischen Label New Rose. Der Autor, Fotograf, Schauspieler und Musiker Tav Falco lebt seit geraumer Zeit in Wien, einer Stadt, der er auf seinem aktuellen Solo-Album „Cabaret Of Daggers“ mit „Red Vienna“ eine wunderbare, geschichtssatte Hommage widmet.
Tav Falco hat Stil. Zum Interview erscheint der über Siebzigjährige auf seinem Motorrad, einer Norton. Das Café Hummel im 8. Wiener Gemeindebezirk als Ort des ausufernden und stets kurzweiligen Gesprächs könnte mit seiner reichen Geschichte kaum besser gewählt sein, eröffnet in den 1870er Jahren als Café Parsival, mit historischen Stammgästen wie Karl Kraus oder Robert Musil. Ein Ort, der gut korrespondiert mit Tav Falco, seinerseits überlebensgroß und doch ganz konkret greifbar. Ein allzeit wacher Ideenmann, dessen Repertoire weit über den natürlich großartigen Rock’n’Roll der PANTHER BURNS hinausreicht. So eignet er sich auf „Cabaret Of Daggers“ eine Chet Baker-Komposition ebenso an wie Billie Holidays „Strange fruit“ oder liefert mit „New world order blues“ gekonnt eine vehemente Kritik dieser unserer herrlichen Zeiten von Trump und Co. Tav Falco ist dabei gleichzeitig voll des Lobes für Bands und Musiker*innen, die er gut findet. Eigentlich müsste mensch beim Interview den Laptop offen haben, um simultan Namen und Referenzen nachzuschlagen, um der Geschichte und dem offenen Geist dieses wunderbaren Künstlers wirklich folgen zu können. Nach unserem weit über einstündigen Gespräch habe ich den Eindruck einer höchst idiosynkratischen History Lesson beigewohnt zu haben, die mein Gegenüber täglich fortschreibt oder fortschreiben lässt, eine, die unbändige Lust auf Musik, Subkultur und Rock’n’Roll als metaphysisches (Un)Heilsversprechen macht, auf all die Mythen, Geheimnisse und Möglichkeiten, die womöglich immer noch und immer wieder in diesen Dingen schlummern. Nicht unerwähnt darf dabei bleiben, dass Tav Falco bei allen Aspekten seiner Kunst selbst aktiv ist – Self Management in full effect.
Ist „Cabaret Of Daggers“ ein Solo-Album?
Es ist ein Tav Falco-Album. Obwohl meine Band PANTHER BURNS aus Rom darauf spielt, geht es weg davon, was jemand von einem PANTHER BURNS-Album erwarten könnte, zumindest in Teilen. Wir haben uns ja gerade über mein letztes Konzert im Chelsea hier in Wien unterhalten, ich habe zweimal dort gespielt, mir fällt keine Venue in dieser Stadt ein, wo ich nicht gespielt habe. Wir kommen im November wieder, auf unserer „40 Jahre Jubiläum Cabaret Of Daggers Support Tour“.
Wo werdet ihr überall touren?
Im April waren wir in Großbritannien, im November werden wir in Italien, Spanien, Deutschland – und hoffentlich in Österreich und der Schweiz spielen. Und im Mai in den USA.
Ihr spielt also klassisches PANTHER BURNS-Material und stellt das neue Album vor.
Ja, genau. Wir haben elf Songs auf dem Album und wollen die meisten davon spielen, einige haben wir aber bislang noch nie live gespielt. Es wird ebenso eine Herausforderung sein, so wie das Aufnehmen dieser Songs, die wir zuvor nie performt haben, es wird vielleicht noch fordernder als im Aufnahmestudio, sie für die Bühne vorzubereiten.
Spannend finde ich, wie ein Song wie „Red Vienna“ umgesetzt wird.
Du magst ihn? Ich habe ihn weniger für die Menschen hier geschrieben, die ja mit ihrer Geschichte zumeist vertraut sind, aber der Rest der Welt ... Die Atmosphäre und Geschichte durch die Augen eines „Ausländers“ gesehen ... Wie der Filmproduzent und -regisseur Alexander Korda, der Graham Greene nach Wien schickt, um „Der dritte Mann“ zu schreiben, der mit den Augen eines Engländers Wien sah, kurz nachdem die Alliierten die Stadt eingenommen hatten. Korda und Reed haben daraus einen großartigen Film gemacht. Ich habe das Gefühl, dass mein Song ähnlich poetisch ist.
Sigmund Freud, der Leo Trotzki beim Schachspielen zusieht ... Gerade plakatiert die Sozialistische Partei heutige Protagonisten und Porträts jener Politiker, die das Rote Wien geformt haben, entdecken das Potenzial wieder, das dieser, ihrer Partei-Geschichte innewohnt.
Ich dachte, sie seien stolz darauf ... sollten sie ... auch auf die Position zur katholischen Kirche, die sie damals, nicht so wie heute, gerade noch toleriert haben. Sie hielten die Menschen dazu an, am Sonntag rauszugehen, in die Natur, solche Arten von „Erlebnissen“ zu suchen und nicht in die Kirche zu gehen, was vielleicht nicht zu einem heutigen Bild, das die Partei vermitteln will, passt, weil sie sich moderater präsentieren will. Mein Lied nimmt aber keine politische Haltung ein, es bildet eine „Stimmung“ ab, die in dieser Stadt nach dem Ende der Monarchie herrschte. Ein Arbeiter in Memphis, der geht raus und holt sich einen Hamburger und eine Flasche Bier, in Wien findest du einen Stahlarbeiter, der sich ein Hühnersandwich und ein Glas Sekt holt. Die kulturelle Landschaft ist viel weiter, ich kann mir nur beginnen vorzustellen, wie das zur Hochzeit des roten Wiens in den Zwanziger Jahren war, einer Phase, in der politischer Umsturz so greifbar war. Ich sage es noch einmal: Bei einer Revolution verlieren wir viel, wir gewinnen auch viel, aber dafür müssen wir viel opfern. Du musst bereit sein, Dinge zu opfern, die nie wiederkehren, wenn du eine Revolution willst, um Neues zu erreichen, ich rede von kulturellen, künstlerischen und anderen Dingen. Heute bin ich ein reifer Künstler, ich mag nicht mehr so radikal sein wie 1968, aber ich habe immer noch extrem revolutionäre Tendenzen und die werden nicht weggehen, weil Tav Falco ein Produkt der turbulenten Sechziger ist, damit bin ich gereift.
Die Sechziger sind die Wurzeln deiner Arbeit?
Absolut. Ich bin ein Produkt der Sechziger, fast alles, was ich bis heute tue, ist ein Ergebnis dessen, was damals geschehen ist. Ich rede von Timothy Leary, den DIGGERS, der revolutionären Musik, die aus San Francisco kam, die revolutionäre Musik aus Memphis, die nach den Fünfziger Jahren passierte. In den Fünfzigern in Memphis gab es eine extrem revolutionäre Periode, eine musikalische Form, die sie dann Rock’n’Roll nannten, er entstand dort – sie hatten nur noch kein Wort, keinen Begriff dafür. Sam Phillips von Sun Records hatte noch kein Wort dafür, Elvis hatte dieses Wort noch nicht, als er anfing, Charlie Feathers hatte es nicht, das kam von woanders. Ich glaube, irgendein Journalist von der Ostküste prägte diesen Begriff. Was Jud Phillips tat, Sams Bruder, er nahm die Singles von Sun Records und brachte sie zu den Gospel-Radiostationen, auch weil er selbst mit seiner Frau ein Gospel-Quartett hatte, sie kannten das ganze entsprechende Netzwerk im Süden. Die Gospel-Station spielte Elvis, sie spielte Jerry Lee Lewis, wenn du dir das vorstellen kannst, sie spielte Charlie Feathers.
Rock’n’Roll wird immer wieder eine spirituelle Qualität attestiert.
Absolut. Wie der Blues ist es eine der ersten säkularen Formen heiliger Musik. Schau dir Ike Turner an, ALL THE CATS bei Sun Records ... Und dann kamen die Sechziger. Ich war ein Kind in den Fünfzigern, in den Sechzigern war ich ein kritischer Student, der das alles bewusst mitbekam. Ich war voll engagiert. Ich war ein Aktivist, ich habe etwas Journalismus probiert. Ich habe noch keine Musik gemacht, aber ich habe viel gesehen und gehört, ich hatte eine Folk-Phase, ich habe so viel absorbiert. Ich habe John Fahey gesehen. Der ganze Trip. Fahey ist am Gipfel, ein Innovator, ein Avantgardist, der aus der amerikanischen Tradition schöpfte. Und das ist, was PANTHER BURNS tun, wir kommen zur Avantgarde über die Tradition.
Das ist eine sehr treffende Definition.
Ich habe Karlheinz Stockhausen gehört und R.L. Burnside, als ich mit PANTHER BURNS begonnen habe. Ich habe keinen so genannten Rock’n’Roll mehr gehört, daran habe ich nach den Sechzigern das Interesse verloren. Die Siebziger waren für mich ein verlorenes Jahrzehnt, wenn wir von Rock’n’Roll sprechen. Am Ende der Siebziger, so um 1978, habe ich THE CRAMPS entdeckt und all das. Sie kamen 1979 oder 1980 nach Memphis, um „Songs The Lord Taught Us“ aufzunehmen. In den Siebzigern mochte ich Memphis-Rock’n’Roll, aber nichts sonst. Ich trat als Schauspieler und Tänzer auf, mich interessierte „Anti-Environment-Art-Action-Theater-And-Film“. Die Performance Gruppe, zu der ich gehörte, trat oft gemeinsam mit MUDBOYS & THE NEUTRONS, der Band von Jim Dickinson, auf.
Es scheint, dass Rock’n’Roll immer wieder zu einer sehr „linearen“ Form zurückkehrt, der Trennung von Performer und Publikum, die einen auf der Bühne, die anderen davor. Dich interessiert anderes.
Ich stecke alles in meine Musik und meine Performance, die erste Ära von PANTHER BURNS, benannt nach einer Plantage in Mississippi, die ein schwarzer Panther plagte, der die ganze Nacht heulte, die Hühnerställe überfiel. Sie wollten mehr Land für den Anbau von Baumwolle gewinnen, der Panther mochte das nicht, er war wie eine Gestalt von William Faulkner, sein Bär, der keinen Platz mehr zu leben hatte, ein Symbol für die Grenze in Amerika, die Grenze zur Wildnis, die wilde Grenze. Der Panther wurde gejagt, in ein Baumwollfeld, das sie dann abbrannten. Ein passendes Symbol für eine Rock’n’Roll-Band.
Die „Daggers“ im Titel des neuen Albums, Dolche, signalisieren auch Gefahr, Bedrohung.
Bei PANTHER BURNS geht es immer um Gefahr, Unvorhergesehenes, Betrug, Bruder gegen Bruder, verlorene Anliegen, um die gekämpft wurde, die aber von Anfang an verdammt waren. Wie die Konföderation und ihre falsche Idee von Sklaverei, die nach einer noblen Begründung für die Versklavung ihrer Arbeitskraft suchten, das war von Anfang an verdammt. Diese große soziale Fabrik, die große Geste ... so wie es in Wien heute noch die Ballsaison gibt, „küss’ die Hand“, die Höflichkeit. Das gab es auch im alten Süden, dort wurde auch der Wiener Walzer zelebriert, bis hin zu Strauss und seinem Großvater vor ihm. All das war weg nach dem Bürgerkrieg. Mein Buch „Mondo Memphis. Ghosts Behind The Sun: Splendor, Enigma & Death“ setzt vor dem Bürgerkrieg an, damit verständlich wird, warum PANTHER BURNS so mit dem Süden verbunden sind. Vergleichbar mit meinem Song „Red Vienna“, denn wir müssen auf den Zusammenbruch der Monarchie schauen, um die revolutionären und sozialistischen Ideen danach zu verstehen. Als ich erstmals nach Wien kam, war Helmut Zilk Bürgermeister, es war eine sehr offene, glückliche Stadt, für mich fühlte es sich an wie eine Renaissance, es war sehr sozialistisch, sehr frei, die Menschen kamen aus einer dunkleren, grauen Periode, die Stadt blühte auf. Es gab viel Musik und Kunst. Es war fast wie im East Village in New York, in kleinerem Umfang. Und natürlich die schönen Frauen ... Ich produzierte eine Platte für KRÜPPELSCHLAG [eine Linzer Band um den 2001 verstorbenen Künstler und Kultur-Aktivisten Gustav Dornetshuber aka Just Merit, den Tav Falco bei dessen Memphis-Besuch aus dem Gefängnis holte, der Beginn ihrer Freundschaft, Anm. des Verf.], was mich für zwei Monate nach Linz brachte, dann wollte mich Werner Geier [wichtiger österreichischer Radiomacher, 2007 verstorben, Anm. des Verf.] für die „Musicbox“ interviewen, ich hatte damals gerade ein neues Album veröffentlicht. Dann bot er mir eine Radioshow an. Ich machte dann einmal im Monat eine Stunde Programm. Meine letzte Sendung war ein Interview mit SAM THE SHAM & THE PHARAOHS, bekannt durch „Wooly bully“. Ich habe auch etwas über argentinischen Tango gemacht, die Telefonanlage beim ORF leuchtete wie ein Christbaum, die Menschen riefen wie verrückt an nach diesen zwei Sendungen.
Aber zurück zu deinem neuen Album, wie gehst du eine solche Aufgabe an?
Wie ich schon gesagt habe, es gibt wiederkehrende Themen in meiner Musik, unerwiderte Liebe, brennende Häuser, die Idee von Musik, die tanzbar ist, Musik, die Ideen und Gedanken transportiert, die manchmal auch „nur“ sinnlich ist. Das ist meine Vision. Und dann kommt es aus dem Unterbewussten, ich mache nichts bewusst, wenn ich es vermeiden kann. Wie beim Expressionismus. Es ist subjektiv, durch eine Persona, ob es mein Schreiben, meine Fotografie, meine Filme oder meine Musik ist – es ist alles subjektiv. Meine Platten und meine Musik finden mich, ich suche nicht nach meinen Songs, die Musik findet mich. Die Musik, die ich spielen soll, findet mich, eventuell sogar, wenn es etwas ist, das ich schreibe. Ich durchlebe es, ich habe ein spezielles „Erlebnis“ und das feiere ich dann in einem Song, ob es dunkel oder warm ist, wie auch immer. So wie der Song „Old fashioned morphine“ von Jolie Holland. Ich habe ihn irgendwie gehört, ich sammle keine Platten, ich höre Klassikradio als Hintergrund für mein Denken. Wenn ich Vivaldi höre, kann ich an andere Dinge denken. Er stimuliert mich, aber ich denke nicht über ihn nach. Irgendwie habe ich das Lied gehört, wahrscheinlich habe ich nach etwas anderem gesucht und dann dachte ich mir – „der Song bin ich, ich kann das tun, ich fühle ihn.“ Ich wusste auch, dass ich „Strange fruit“ machen kann.
Das ist ein großer Song.
Das ist ein großer, großer Song. Und er braucht, ehrlich gesagt, einen großen Sänger oder eine große Sängerin. Vor einem Jahr hätte ich ihn noch nicht singen können. Es brauchte eine lange Zeit, bis ich reif genug war, um in der Lage zu sein, ihn zu machen. Ich habe ihn vor der Aufnahme nie gesungen, aber als ich dort hinkam, wusste ich, ich kann es. Mir war klar, dass es eine Herausforderung sein würde und nicht leicht, und das war es auch nicht, aber ich habe es geschafft, ich habe ihn erwischt. Wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, diesem Song gerecht werden zu können, hätte ich es bleiben lassen. Das ist ein Lied extremen Protests, einer der extremsten Songs im ganzen Kanon amerikanischer Musik, ich weiß nicht, ob Bob Dylan ihn interpretieren könnte. „Strange fruit“ ist ein komplettes Theaterstück und das mussten wir umsetzen, im Studio in Rom, um dieses Gefühl kreieren. I got the howl, I got the burning panther, er ist in dem Lied, der Schrei.
Der Song „New world order blues“ hat zur aktuellen politischer Lage einiges zu sagen.
Ja, in „New world order blues“ geht es um die aktuelle Situation in Amerika, aber auch um den Faschismus und die Demagogie, die immer vorhanden sind, die immer bereit sind, ihr Haupt zu erheben, die auch in den stabilsten Zeiten immer Ausschau halten, sie sind immer da. Und sie werden immer rauskommen. Ich erwähne keine Namen, außer jenen, die weiterleben werden, Snowden, Assange, oder Kim Dotcom, in einem positiven historischen Kontext. Innovatoren, die sich durch ein Milieu bewegen, von dem sie nicht absehen können, wo es endet. Einen Cyberspace zu kreieren, der frei ist, und offen, und freudvoll, das Versprechen des frühen Internets. Und natürlich wollen sie es zu einem faschistischen, kapitalistischen Werkzeug machen, aber es gibt eine Sache, die es vielleicht retten wird. So wie Marshall McLuhan in den Sechzigern formuliert hat, dass elektronische Medien ihrem Wesen nach diffusiv und dezentralisierend sind, sie immer wieder Power in die Hände der Hörer- und Benutzer*innen geben, ich meine damit digitale Medien. So wie der Fernseher viel veränderte, auch wenn er viel Input vom Zuseher, der Zuseherin brauchte. Heute haben wir ganz andere Möglichkeiten. Du kannst großartige Netzwerke schaffen und nutzen.
Doch zurück zur Musik. Können wir noch einmal über deinen Zugang zum Singen und Gitarrespielen sprechen?
Ich habe als Sänger keine große Technik, auch kaum eine als Gitarrist, ich habe nach Gehör gelernt, ich bin ein primitiver Gitarrist, aber ich habe mich als Sänger ziemlich entwickelt, und das ist nicht über Nacht passiert. Bei fordernden Liedern wie „Strange fruit“ gab es einen Prozess, der hauptsächlich mit Zeit zu tun hat, und der mich in die Lage versetzt hat, solche Lieder bewusst zu singen, es geht um die Intervalle, die Struktur der Stimmarbeit. Ich habe ein rudimentäres Verständnis von Musikalität, ich kann Musik nicht lesen, aber ich habe viel gelernt, über Halbtöne und Vierteltöne. Und ich weiß jetzt, wenn ich einen Halbton erwischen muss, und das ist nicht leicht, aber er muss da sein, sonst bist du nur ein Rocksänger, der versucht, einen Jazzsong zu singen. Ich habe großen Respekt vor Jazzsängern. Das ist der wirkliche Beitrag Amerikas zur Musik. Ja, es gibt eleganten Rock’n’Roll, aber im Jazz – Dizzy Gillespie, Miles Davis oder John Coltrane – gibt es Gefühl, Spaß, Genuss auf der einen Seite und Transzendenz. Rock’n’Roll ist so vielschichtig, von den Fünfzigern bis heute. Martin Rev hat den Synthesizer mit SUICIDE zu einem Rock’n’Roll-Instrument gemacht.
Du hast zuletzt mit PANTHER BURNS beim Nashville Boogie gespielt, bei allem Respekt könnte man da von Rockabilly-Revival-Circuit sprechen.
Was ich an einer Band wie den BLASTERS mochte, war ihre linke politische Einstellung, die Working-Class-Sichtweise – womit sie sich von vielen Rockabilly-Bands unterscheiden, straight, konservativ, fahnenschwenkend und ohne politisches Bewusstsein. Ich spiele auf solchen Festivals. Der Mensch, Jason Galaz, der das Booking macht, ist hip, er macht diese Dinge, aber er kommt von einem radikalen Siebziger-Background, er hat mexikanische Wurzeln und er bucht jetzt Punkbands für ein Festival wie Muddy Roots. PANTHER BURNS funktionieren gut in so einem Kontext, wir spielen den Stoff mit dem PANTHER BURNS-Beat. Viele von den anderen Bands verstehen eigentlich nicht, was sie spielen wollen, sie sind nicht on top of it.
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