TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN aus NRW gibt es seit 2014, damals erschien die Debüt-EP „Licht“, Ende 2015 dann die viel beachtete LP „Machtwort“. Fortan spielten die fünf Löwen bereits in der ersten Hardcore-Liga und traten mit den Großen des Genres auf. Das Besondere ist bei ihnen neben den kraftvoll gesungenen deutschen Texte die Message, die ein zusätzliches Qualitätsmerkmal darstellt. Anlässlich der neuesten Veröffentlichung unterhielt ich mich mit Sänger Matzo vor dem Auftritt auf dem Antifa-Festival Fight Back im Desi in Nürnberg.
Matzo, ihr habt gerade eine neue Single rausgebracht: „Compilation Of Unity“. Es ist ein Splitrelease mit der Orange-County-Hardcore-Band LASTLIGHT. Welchen Hintergrund hat die Zusammenarbeit?
Billy, ein Freund von uns hat mal gemeinsam mit Joe Foster, der früher bei IGNITE Gitarre gespielt hat, unsere Musik gehört. Joe war ziemlich angetan von uns, auch weil wir auf Deutsch gesungen haben. Er hat nie verstanden, warum die ganzen europäischen Hardcore-Bands auf Englisch singen. Für mich schließt sich da ein Kreis. Für mich waren Bands wie OUTSPOKEN eine Inspiration, deren Gitarrist John jetzt auch bei LASTLIGHT spielt. Nun haben wir LASTLIGHT inspiriert, mit uns eine Single zu machen und so geht das immer weiter, das ist cool. Unsere Tour im September machen wir mit LASTLIGHT zusammen, sie führt durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Als ich auf der Single das erste Mal LASTLIGHT gehört habe, musste ich tatsächlich sofort an IGNITE denken. In „What we have“ bist du gemeinsam mit LASTLIGHTs Sänger Jae zu hören.
Das war eine mutige Geschichte. „What we have“ ist ein TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN-Song, bei dem Jae Hansel, der da Sänger bei LASTLIGHT war, dann mitgesungen hat. Mutig deshalb, weil du deinen Song hergibst, über den ein anderer dann singt. So was kann auch nach hinten losgehen. Wir hatten einerseits große Erwartungen, andererseits aber auch viel Vertrauen. Es hat dann einfach wunderbar gepasst und mit dem Stück sind wir jetzt alle sehr glücklich.
Mit diesem Song, der quasi die Mitte der Single markiert, bekommt ihr einen guten Übergang hin. Für mich ist es ein lupenreiner Crossover-Track. Wie stehst du generell zu Crossover?
Ich bin grundsätzlich sehr offen, was das anbelangt, sofern die Message stimmt und es nicht zu aufgesetzt ist. Das Ergebnis kann positiv sein und auch negativ. In den Neunziger Jahren gab es den Soundtrack zum Film „Judgement Night“, auf dem alle möglichen Metal-, Hardcore- und HipHop-Bands wie BIOHAZARD, SLAYER, RUN DMC oder CYPRESS HILL zusammen gespielt haben, das hat sehr gut gepasst. Wenn aber heute ein HipHopper einfach mal eine Gitarre dazunimmt, weil er meint, dass es cool klingt, ist das kein Crossover. Hier auf dem Festival ist das Schöne, dass so viele verschiedene Richtungen da sind, so kann man einfach viel mehr rüberbringen und auch erfahren.
Ihr habt generell Lyrics, die die kontraproduktive isolierte Wut auf bestimmte Verhältnisse in positive Energie umwandeln, was man auch bei euren Konzerten sieht. Aber was ist beim ersten Lied der Splitsingle, „Illusion“, passiert? Auf mich wirkt es nur negativ und scheint gegen Politiker und Parteien zu gehen?
Ich bin einfach grundsätzlich ein sehr lösungsorientierter Mensch. Wenn etwas falsch läuft, will ich Wege aufzeigen, wie man da rauskommen kann. Ob das beim einzelnen Hörer immer ankommt, weiß ich natürlich nicht. Aber vielleicht fühlt sich einer angesprochen oder denkt zumindest darüber nach, jedenfalls sollen die Texte kein erhobener Zeigefinger sein. Bei „Illusion“ hatten wir erst einmal Lust, endlich mal wieder ein Lied in fünfzig Sekunden runterzureißen, allein musikalisch gesehen. Dann waren zu der Zeit, in der das Lied entstand, Wahlen und das hat den Text geprägt. An der „Politikfront“ erkenne ich nicht viel Positives. Die politische Diskussion war zu der Zeit von Fremdenfeindlichkeit geprägt und der Song versucht klarzumachen, dass niemand hier sagen kann, dass dies sein Land ist. Menschen erheben Anspruch auf ein Land in einer globalisierten Welt – das ist mir unverständlich und geht nicht zusammen.
Wie ist dein Eindruck davon, wie die Leute sich mit euren Texten beschäftigen?
Ich bekomme auf unseren Konzerten viel Feedback. Das ist die größte Bestätigung für mich und dadurch weiß ich, dass ich das Ganze nicht nur für mich mache – und das motiviert mich auch für die Zukunft.
Bei „What we have“ merkt man, wie viel Energie und Detailversessenheit drin steckt, vor allem mussten ja auch LASTLIGHT eingebunden werden. Seid ihr Perfektionisten?
Einen gewissen Anspruch haben wir natürlich. Wir haben durch das eigene Studio unseres Gitarristen Basti aber auch mehr Zeit. Andererseits ist eine Deadline enorm wichtig, sonst würde das Schreiben ewig dauern.
Das Lied ist für mich eine Liebeserklärung an Hardcore ... Wie bist du persönlich mit Hardcore in Berührung gekommen?
Meine Schwester hat früher in New York gelebt. Als ich sie einmal dort besucht habe, bin ich in einen Plattenladen gegangen und habe mir die erste BIOHAZARD- und eine CHAIN OF STRENGTH-Platte gekauft. Zurück in Deutschland bin ich dann rumgerannt und habe gekauft, was es gab. Zusammen mit ein paar Kumpels habe ich bei Lost & Found bestellt, die hatten einen Katalog, in dem wir uns auf die Beschreibungen verlassen mussten, Internet war ja noch nicht. Dadurch habe ich die ganzen Straight-Edge-Bands entdeckt wie BATTERY, FINAL EXIT oder UNIFORM CHOICE. So was habe ich auf Tape aufgenommen und immerzu auf den Autofahrten gehört, anders als heute, wo jeder 300 Gigabyte auf der Festplatte hat.
Lebst du selbst straight edge?
Nein, aber ich besaufe mich auch nicht. Auf Konzerten ist es mir wichtig, mich mit unseren Hörern – ich mag das Wort „Fans“ nicht – auszutauschen. Ich bin eher der Typ, der alle zwei Wochen mal einen Whisky trinkt.
Nach eigener Aussage seid ihr keine Band, sondern ein Kollektiv. BANE haben auf ihrer letzten Platte auch 14 Leute aufgelistet, die Teil der Band wären. Wie stark kommt es auf das Individuum an?
Für uns gehören zum Kollektiv alle, die irgendwie mitwirken. Das sind nicht nur die fünf Musiker auf der Bühne. Ohne das Umfeld geht nichts. Zum Kollektiv gehören für uns auch unsere Hörer, die ihren Freunden zum Beispiel etwas von uns vorspielen, die denken eventuell auch mal über einen Text nach und so wird das alles größer. Genauso gehören die Konzertbesucher oder die Booker zum Beispiel dazu. Viele Individuen ergeben ein Kollektiv. Gerade im Hardcore ist das für mich so.
Ist es im Hardcore tatsächlich so eine Gemeinschaft oder ist es auch unter Umständen nur ein Klischee?
Für mich ist es eine Gemeinschaft. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Es gibt natürlich auch die „Plastikseite“, die einem durch das Internet vermittelt wird. Bei uns ist es das Gegenteil, wir unterstützen uns tatsächlich gegenseitig, zum Beispiel wenn wir uns gegenseitig promoten, bei Videos oder Booking helfen oder Gesangsfeatures wie für ISOLATED oder AMPILIFIED HATE aufnehmen. Wir wollen einfach so leben und machen es auch. Insgesamt ist für mich eine positive Entwicklung zu sehen, das Gespalte hat nachgelassen, es weicht sich auf. Man respektiert sich auch, wenn man aus unterschiedlichen Sparten des Hardcore kommt und spielt auch Konzerte zusammen.
Zu guter Letzt: Wie hat es bei TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN so gezündet? Ihr seid ja in kurzer Zeit ziemlich bekannt geworden.
Die erste 12“ wurde von mir und Basti, dem jetzigen Gitarristen, geschrieben und mit einem Schlagzeuger aufgenommen. Da gab es die Band eigentlich noch gar nicht. Wir waren aber so zufrieden, dass wir dann ernsthaft eine Band gegründet haben. Der ganze Trubel begann eigentlich damit, dass ich eines Abends ein Video von uns auf YouTube hochgeladen habe. Es ist von unserem Lied „Immer und ewig“ und besteht aus alten Familienbildern und -videos von mir und meiner Frau, die in unserer Kindheit gedreht wurden. Am Morgen danach hatte ich 300 Mails im Postfach. Wir haben durchweg positive Rückmeldungen zu Musik, Text und Video bekommen, Leute stellten uns Fragen – es war überwältigend. Wir hatten in dem Moment einen Nerv getroffen und daraus ist etwas Schönes entstanden.
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