Die SWINGIN’ UTTERS sind mittlerweile schon seit 26 Jahren eine feste Größe in der Szene. Sie zeichnen sich besonders durch ihre musikalische Vielfalt aus, die sich von Streetpunk, über Folk bis hin zu THE CLASH ähnlichen Tönen erstreckt. Dennoch haben die Herren aus der San Francisco Bay Area nie ihre Punk-Attitüde verloren, wie ihre beiden Gründungsmitglieder und Masterminds Johnny Bonnel (Gesang) und Darius Koski (Gitarre, Akkordeon, etc.) im folgenden Gespräch deutlich unter Beweis stellten.
Darius, du hast mal irgendwann gesagt, dass ihr von Anfang an immer etwas anderes mit eurer Musik machen wolltet, etwa durch die Integration verschiedenster Genres und Instrumente. Deshalb sind eure Platten auch so abwechslungsreich. Was waren eure Einflüsse bei der neuen Platte „Fistful Of Hollow“?
Darius: Nicht sehr viel anders als sonst. Wie du schon gesagt hast, wir versuchen einfach, bei jeder Platte etwas anders zu machen. Und wenn wir damit erfolgreich sind, haben wir erreicht, wonach wir all die Jahre gestrebt haben. Ich will einfach nicht, dass sich jedes Album gleich anhört, obwohl wir eine Punkband sind und es da immer etwas schwieriger ist, abwechslungsreich und genreübergreifend zu agieren, ohne Fans zu verlieren. Ich würde sagen, innerhalb der Grenzen des Punkrock tun wir, was wir können. Wir haben so viele verschiedene Einflüsse und hören so viele verschiedene Arten von Musik, und das alles findet sich in unseren Songs wieder.
Wie entstehen so abwechslungsreiche Songs? Bringt da jeder seine Einflüsse mit und will sie einbringen oder gibt es eine Art Grundkonsens über den Sound bei euch?
Darius: Ich denke, wir kennen uns alle gut genug, um im Großen und Ganzen zu wissen, was funktioniert und was nicht. Unser Bassist Miles jedoch sticht auf dieser Platte eindeutig heraus. Für mich sind die Songs, die von ihm und Johnny stammen, die absoluten Highlights dieser Platte. Und das, obwohl er zuvor noch nie etwas für unsere Band geschrieben hat. Es ist so ein Gefühl, das unter uns entsteht, etwas Unausgesprochenes. Ich weiß nicht, warum und wie wir die musikalischen Geschmäcker des jeweils anderen verstehen, aber es funktioniert und passt einfach. Und wenn ein Song nicht funktioniert, verwerfen wir ihn oder er kommt dann auf eine B-Seite.
Johnny: Ich denke, je mehr Ideen und Kreativität du aus unseren fünf Hirnen herausziehen kannst, umso mehr Originalität hat das Endprodukt. Deshalb bevorzuge ich den gemeinschaftlichen Aufwand. Wir alle haben einen unterschiedlichen Musikgeschmack und wir beeinflussen uns alle auch gegenseitig. Alles in einen Song einzufügen, ist die Herausforderung und das Schöne an der Sache. Ich habe viele meiner Songideen aus der TV-Serie „Mad Men“ gezogen. Meine Frau und ich schauen die Serie mit sehr großer Aufmerksamkeit und haben festgestellt, dass viele Dialoge richtig poetisch und tiefgründig sind.
Die DROPKICK MURPHYS etwa haben dem Folk-Streetpunk ein breiteres Publikum eröffnet. Ihr habt ihn bereits länger hinter euch gelassen. Ist es für eure Kreativität auch besser, bei einem Independentlabel wie Fat Wreck unter Vertrag zu sein, bei dem ihr mehr Freiheiten genießt und weniger Druck verspürt?
Darius: Das weiß ich nicht, wir waren ja bisher noch nie auf einem Majorlabel. Aber nach allem, was ich gehört habe, bin ich mir sehr sicher, dass es für uns besser ist, bei Fat Wreck zu sein. Wir sind mit vielen Leuten bei Fat Wreck eng befreundet und ich denke, so was gibt es nur bei wenigen Plattenlabels, egal ob Major oder nicht.
Johnny: Es gab nie den Druck, Songs in einem gewissen musikalischen Korsett zu schreiben. Wir machen einfach das, was wir wollen, und Fat Wreck scheint das zu unterstützen. Wenn eine Band ihren Sound an ein Plattenlabel anpasst, ist sie verloren.
Mit dem Ausstieg von Spike und dem Einstieg von Miles Peck gab es den x-ten Wechsel am Bass. Warum ist diese Position traditionell bei euch so instabil?
Darius: Eigentlich ist sie gar nicht so instabil. Kevin war von 1988 bis 1998 in der Band, Spike von 1998 bis 2011 und nun eben Miles. Drei Bassisten in 26 Jahren, das ist gar nicht mal so schlecht für eine Punkband, haha!
Johnny: Ich liebe jeden unserer Bassisten, vom Anfang bis heute. Wir sind alle immer noch sehr gute Freunde. Menschen entwickeln sich im Leben eben weiter, so sehe ich das.
Seit 2010 habt ihr zwei EPs und drei Alben rausgebracht. Was treibt euch an?
Darius: Die ganze Zeit, als wir nicht auf Tour waren oder keine neue Musik aufgenommen haben, habe ich nur darauf gewartet, dass es endlich wieder losgeht. Ich möchte nie mehr so inaktiv sein wie in den acht Jahren, in denen wir nichts gemacht haben. Acht inaktive Jahre sind für eine Band schon eine Menge! Was den Output betrifft, hat es uns nie an Songs gemangelt. Ich selbst schreibe viel und habe für gewöhnlich immer ein paar Songs fertig. Und Johnny, Miles und Jack schreiben ja auch Songs ...
Johnny: Songs zu schreiben macht mich einfach glücklich! So wie jede Kunst, die ich betreibe. Es ist ein perfekter Ausgleich für mich.
Das ist umso beeindruckender, da ihr ja alle Familie habt und sicherlich nicht allein von der Band leben könnt?
Darius: Allerdings! Es kann manchmal schon hart sein, das alles zu stemmen – mental, physisch und vor allem emotional. Ich hasse es wirklich, einen normalen Job zu haben, aber ich habe den Traum von einer Existenz als Fulltime-Musiker noch lange nicht aufgegeben und ich bin mir sicher, irgendwann in meinem Leben wird es noch passieren. Und falls nicht versuche ich nicht darüber nachzudenken.
Ihr seid sehr heimatverbunden. Wohnt ihr alle noch in der Bay Area? Oder haben die steigenden Immobilienreise auch euch vertrieben?
Darius: Meine Frau und ich haben uns 2001 gegenüber von San Francisco in Berkeley ein Haus gekauft, weil wir uns in der Stadt keines leisten konnten. Also ja, wir wurden durch die Preise vertrieben. Jetzt wohnen wir in Santa Cruz, was eigentlich aber auch nicht billiger ist. Alle anderen leben noch in der Bay Area, ich nun eine gute Stunde südlich davon.
Ihr kommt Ende Februar für vier Wochen nach Europa auf Tour. Wie bereitet man sich da vor?
Darius: Ich bereite mich eigentlich nicht wirklich vor. Gut, ich mache mir ein paar Listen, damit ich gewisse Dinge nicht vergesse. Ansonsten proben wir viel.
Johnny: Ich mache Yoga und meditiere. Außerdem fahre ich Fahrrad und versuche, gut zu essen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #118 Februar/März 2015 und André Hertel