SUPERHELICOPTER

Ich kann nicht sagen, dass ich mit Oldenburg etwas positives verbinde, nachdem mir ein Bewohner dieser Stadt in einem Anfall von totaler Beknackheit in mein schönes, erst vor Jahresfrist von mühsam Ersparten teuer gekauftes Auto gefahren ist, es dabei um 180° gekippt und auf diese Weise total unbrauchbar gemacht hat. Zugegeben, es war von denen schnell geschaltet, den tumben Landbullen weismachen zu wollen, "der Langhaarige" wäre von uns gefahren, wo der sogar beim Herausklettern aus dem auf dem Dach liegenden Wrack seine Bierdose nicht loslassen wollte und auch ansonsten ganz gut gelallt hat. Clever war das wohl, aber sicher nicht besonders nett

Sei´s drum, das ist Vergangenheit und ich will die Oldenburger für diese böswillige Falschaussage nicht in Sippenhaft nehmen. Vielmehr möchte ich mich von nun an im Zusammenhang mit Oldenburg nur noch an drei ganz andere Söhne dieser Stadt erinnern, die zwar auch ziemlich hart drauf sind, ihre Agressionen aber nicht in Form von Falschaussagen rauslassen, sondern sie wesentlich fruchtbarer mittels Rock´n´Roll kanalisieren.

SUPERHELICOPTER heißt das Trio, das nicht nur den Ruf seiner norddeutschen Heimat aufpoliert hat, sondern das auch mit dem Ruf des gesamtdeutschen R´n´R machen könnte, wenn die nur noch ein bisschen bekannter wären (und wenn soetwas überhaupt irgendwie von Belang wäre). R´n´R meint hier übrigens ziemlich wütender lo-fi/ no-fi Garagenpunk mit starkem OBLIVIANS-Einschlag und -Groove. Genau genommen klingen sie eigentlich ziemlich so wie die straighte Punkrockseite der seligen OBLIVIANS, was nicht zuallerletzt daran deutlich wird, dass sie ihr Live-Set (zumindest am 7.1. im Dortmunder "Kanal") mit "Jim Cole" von ebendieser mittlerweile aufgelösten Crypt-Band beginnen.

Der besagter Auftritt war nicht der erste, dem ich beiwohnen durfte. Gut zwei Jahre ist es her da sah ich SUPERHELICOPTER schon einmal und ich kann mich erinnern, dass sie damals stark begannen, dann aber merklich abschlafften. Das ist an dem Freitag im Kanal nicht der Fall, da legen sie nämlich ein Set ohne Fehl und Tadel hin, und die eigenen Songs, die nach dem OBLIVIANS-Song kommen, sind aber auch kein Deut schlechter als dieser. Gut, die Stimmung ist an diesem Abend für den Arsch. Da bewegt sich so gut wie nichts im Publikum, und auch die Band selbst gibt sich keine grosse Mühe ihre "Show" so etwas wie zu gestalten - mal abgesehen von gelegentlichen unwirschen "Schnauze"- oder "Mundfotze"-Rufen des Sängers in Richtung der hiesigen Punker-Kretins. Stattdessen ziehen die drei einfach stoisch ihr Set durch und lassen es eine gute halbe Stunde angenehm krachen. Ich muss allerdings zugeben, dass sich auch bei mir noch nicht so recht etwas regen will, was aber keinesfalls etwas mit SUPERHELICOPTER zu tun hat, sondern schlicht damit, dass zu diesem Zeitpunkt (ca. 21 Uhr) gerade mal so 1-2 Bierchen in meinen Adern unterwegs sind.

Da mein Körper schon lange keine eigenen Stimmungshormone mehr produziert, reicht das selbstverständlich nicht aus, meinem Bewegungsapparat eine Reaktion zu entlocken (und schon gar keine "tänzerische"!). Das schürt an dem Abend indes bei mir keinen Missmut, ich freu´ mich stattdessen einfach darauf, die mal zu einer zivilisierten Zeit zu sehen. (Wobei ich dem Rocketball Explosion Team wg. der Anfangszeit bestimmt keinen Vorwurf machen will, die leisten vielmehr eine verdammt gute Arbeit und holen jeden Monat stupende Bands in den "Kanal" - gegen Anwohnerproteste ist aber nun mal kein Kraut gewachsen!)

Dazu wird auch bestimmt bald häufiger die Möglichkeit bestehen, denn die ´Copter (Mein alter Erdkunde-Lehrer, Herr von der Laden, (wir nannten ihn Locke (wohl weil er eine Glatze hatte) sagte damals übrigens immer überkorrekt Heliokopter!) starten veröffentlichungstechnisch nun richtig durch. Bisher gibt es zwei Singles, die eine selbstverlegt, die andere von jemandem aus Regensburg. In den entsprechend fachkundigen Kreisen (z.B. beim Crypt-Mailorder) haben diese Platten beim Einschlagen ganz schön viel Staub aufgewirbelt. Zu Recht, denn in Sachen LoFi-Snot bieten sie Top-Qualität. Dementsprechend ist die zuerst erschienene mittlerweile ausverkauft (waren natürlich auch nur ein paar Hundert). Hinsichtlich der Produktion unterscheidet sich der Zweitling vom Debüt übrigens dahingehend, dass für diese Aufnahme sogar ein Studio aufgesucht wurde. Auch wenn man diese Platte nun aber wirklich nicht im entferntesten als überproduzierte Scheisse bezeichnen kann (Im Gegenteil, kracht absolut korrekt, das Teil!), ist Oberhelicopter Nils, mit dem ich im Anschluss an ihren Dortmunder Auftritt einen Klönschnack halte, natürlich total unzufrieden damit ("Viel zu glatt", "nie wieder Studio"). In der Tat ist die Debüt-7" auch noch eine ganze Ecke ungehobelter, was sich relativ leicht anhand der Tatsache erklären lässt, dass diese Aufnahmen wahrhaftig mit einem alten Radiorecorder gemacht wurden (Marke Goldstar übrigens, "Die hatten noch richtig gute Mikrophone!").

Im März/ April steht nun die Veröffentlichung einer 10" ins Haus. Diesen Job übernimmt wieder der Manuel Wastl aus Regensburg, und zwar so erfrischend uneitel, dass er sich nicht mal einen coolen Labelnamen ausdenken muss, sondern einfach nur seine Adresse auf die Hülle druckt.

Ich hatte die Gelegenheit, die Aufnahmen schon jetzt zu hören und kann berichten, dass die Platte ein gottverfluchtes Meisterwerk ist. Die Band hat einen respektverdienenden Schritt gemacht, nämlich einen zurück, und zwar produktionstechnisch. Der gute alte Goldstar war wohl wieder am Werk, und herausgekommen ist eine der rohesten und brachialsten R´n´R-Platte die ich je gehört habe. Sänger Nils kotzt sich hier derartig aus, dass man die heraustretende Halsschlagader förmlich sehen kann. Dazu gibt es eine Distortionorgie ohnegleichen. Wer jetzt aber denkt, hierbei handele es sich also nur um Krach, ist weissgott auf dem Holzweg. Die Songs haben nämlich, seien sie auch noch so dahingekotzt/ -rotzt, Groove galore! Sie kicken, wie man so sagt, und man kann super dazu tanzen oder auch headbangen, wenn man will.

Hört man sich diese Platte unter dem Gesichtspunkt des von mir eben eingebrachten OBLIVIANS-Vergleiches an, so muss man feststellen, dass Superhelicopter die Memphis-Crew auf Vinyl aggressionsmässig weit hinter sich lassen. Zugegebenermassen empfiehlt sich dieses Hörvergnügen daher auch eher zu solchen Gelegenheiten, in denen man gerade mal keine bohrenden Kopfschmerzen hat.

Neben Nils, der neben dem Gesang auch für die Gitarre zuständig ist, gibt es auch noch einen Schlagzeuger und einen Bassisten. Deren Namen habe ich leider gerade nicht parat, aber es gibt ja auch das Sprichwort "Namen sind was für Grabsteine.", und demnach muss ich die ja jetzt auch nicht unbedingt nennen. Ich kann aber sagen, dass das auf jeden Fall zwei nette Kerle sind, dabei vom Naturell her sympathisch ausgeglichene, ruhige Leute, die ihren jeweiligen Job in vorbildlicher Manier ausführen, d.h. ein makelloses Rhythmusbrett hinlegen.

Apropos Job: Nils ist ausser Rock´n´Roller übrigens auch noch ein waschechter Gärtner mit einem eigenen Unternehmen, das auf den schönen Namen "Spatenstich" hört. Das ist doch mal ein schöner Ausgleich zum ungesunden Punkrockleben, sich mit Pflänzchen und Mutterboden und so zu beschäftigen. Kann aber nicht jeder sowas, da braucht man ja auch den grünen Daumen für. Der Nils hat ihn wohl und ansonsten auch richtig Ahnung von dieser Materie. Im Gegensatz allerdings zum Rockjournalismus, da versteht der gar nichts von. Da antwortet der mir doch tatsächlich, als ich ihn nach einer griffigen und reisserischen Überschrift für diesen Artikel, einer Formel, auf die man Superhelicopter bringen kann, frage, SUPERHELICOPTER wären ein "Eimer voll Quatsch". Also echt, als ob wir hier bei Peter Lustig wären! "Ein Eimer voll Quatsch", ts ts, das kommt doch voll uncool rüber, Alter, das kann man doch in ´nem Punkfanzine nicht bringen, Nils! Nee, da guck aber jetzt noch mal da oben nach, wie das der Profi gelöst hat!

Ansonsten aber, weitermachen!