SUNSHINE

Zurück zur Zukunft!

Wer AT THE DRIVE-IN im Jahre 2000 erlebt hat, dem ist auch zwangsläufig SUNSHINE begegnet. Mir persönlich waren sie damals einfach zu laut und zu langweilig - ein Eindruck, der mir aber im Nachhinein keine Ruhe ließ. Und so kaufte ihr mir irgendwann ihre "Velvet Suicide"-Scheibe und investierte mehr Zeit in das Entdecken des gewissen Etwas an dieser Band. Nun, da ich im Backstage des Eastclub im Bischofswerda Kay, dem charismatischen Sänger des Trios aus dem weiteren südlichen Umland von Prag, der aber inzwischen in Los Angeles lebt, gegenüber sitze, glaube ich es gefunden zu haben. Diese Band umgibt einfach eine sehr angenehme Aura. Schon weit vor der Show, als wir uns noch locker im Hof über THE LOCUST und anderen Kram unterhielten, merkte ich, dass das Menschen nach meinem Geschmack sind, Leute, die wissen, wo sie stehen und was sie wollen, die sich nicht von Klischees und dem ganzen Szene-Wahnsinn verrückt machen lassen, die aufmerksam hinhören, die nachdenken bevor sie was sagen - Leute, die ihren Weg gehen, mit einer Sicherheit und Bestimmtheit, die einzigartig im hiesigen Musikbusiness erscheint, nüchterne Leute, die den wahren Wert ihres Auftretens nicht an den übergebliebenen leeren Bierdosen, oder an verkauften Platten oder was weiß ich messen, sondern einzig und allein an ihrem inneren Gefühl.

Wie lange gibt es euch jetzt eigentlich schon?


Wir sind jetzt so sechs oder sieben Jahre zusammen, ganz genau weiß ich es nicht mehr, aber bestimmt so sieben Jahre.

SUNSHINE ist ein ziemlich einfacher und gut klingender Name. Hat der eine besondere Bedeutung für euch?

Naja, am Anfang war er nur ein Joke. "Sunshine" ist einfach so ein alltägliches Wort, das jeder schon mal irgendwie für die verschiedensten Dinge benutzt. Na und dann haben wir ja als eine sogenannte Emo-Band angefangen, das heißt wir waren schon etwas schräg, trotzdem nutzten wir diese ganzen Emocore-typischen Sounds. Und da sahen wir das als guten Joke an, denn es ist so ein friedliches Wort für so eine ziemlich nervös schreiende, ja fast, Hardcoreband.

Wie würdest du eure Musik beschreiben, wenn du es müsstest?

Das ist eine schwierige Frage, denn wir nutzen sehr unterschiedliche Einflüsse. Ich würde schon sagen, dass unsere Wurzeln im New Wave und Postpunk der späten Achtziger Jahre zu suchen sind, nutzen aber jede Menge moderner Mittel wie Sequenzer, Loops und ähnliches. All diese Einflüsse mixen wir zusammen, wobei das Ergebnis schon ein wenig "retro" klingt, manchmal gar an Dance-Sachen erinnert. Aber da denken wir nicht so sehr drüber nach, in erster Linie tun wir einfach nur was wir mögen, und das ist doch entscheidend.

Naja, aber im Moment sprechen alle vom großen Achtziger-Revival, und den Retro-Gedanken auf euch bezogen räumst du ja ein...

Nein nein, da muss ich ganz klar widersprechen. Aber das Thema ist schon verrückt. Wir haben zum Beispiel in den Staaten mit THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY gespielt, und das ist für mich die größte Retro-Band, die ich je gesehen habe!

Ich find die eher nicht so toll, da sie in meinen Augen eigentlich nur den NATION OF ULYSSIS / THE MAKE UP -Film eins zu eins kopieren...

Jaja, die fahren definitiv die MAKE UP-Schiene, obwohl sie das nicht hören wollen. Aber da haben wir auch schon drüber diskutiert. Wir sind mit denen zwei Wochen unterwegs gewesen, und besonders auf der Bühne kommen sie MAKE UP sehr nahe, man denke nur an die Anzüge, an ihre Art sich zu bewegen und zu tanzen, und dazu nutzen sie noch jede Menge MAKE UP-Riffs. Aber obwohl sie THE MAKE UP mögen, sind sie von sich überzeugt, dass sie ihren eigenen Sound für sich erfunden haben, inspiriert durch Soul und Motown-Zeug. Ich will da auch gar nicht viel zu sagen, aber unabhängig davon, ob ich sie nun mag oder nicht, muss ich sagen, dass sie eine echte Workaholic-Bands sind, die ´ne Menge guter Sachen gemacht hat. Aber direkt gefragt, würde ich mich nicht zu ihren größten Fans zählen.

Was hörst du selbst gern?

Also normalerweise mag ich ganz unterschiedliche Sachen, so zum Beispiel Dancemusic, aber eher die experimentelle, also beispielsweise APHEX TWIN und ähnliches. Außerdem höre ich mir sicher einiges aus den Achtzigern an, aber um auf THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY zurück zu kommen, sind das eben andere Sachen, als diejenigen, die sie sich anhören, wie ich im Gespräch darüber mit ihnen feststellen konnte. In meiner Sammlung findest du aber wirklich von Prince bis hin zum Heavy Metal so ziemlich alles.

Was sagst du dazu, dass man SUNSHINE oft mit P(UBLIC) I(MAGE) L(IMITED) vergleicht?

Zugegeben, irgendwo liegt das auf der Hand, denn unser Haupteinfluss liegt nun mal im Post-Punk und bei Bands wie P.I.L. und JOY DIVISION, CURE oder Gary Newman, eben auch so experimenteller New-Wave. Aber wie gesagt, wir gehen eher progressiv an die Sache ran und wollen da nicht irgendwie klauen gehen. Man sollte schon progressiv sein, auch wenn man sich gewisser Einflüsse bedient und obwohl es so aussieht, als ob der Rock´n´Roll in gewissen Zeiträumen immer mal wiederkehrt. Es gibt schon einige richtig gute neue CDs, aber es ist verdammt schwer was komplett neues zu erschaffen. Retro ist und bleibt wichtig für die Musik, weil sich Leute auch von vertrauten Klängen schwer lösen können. Noch ein Beispiel - nimm die STROKES, die sind in den Staaten so groß, weil sie klassische Britpop-Sounds verwursten, obwohl sie aus New York sind, das da aber eben keine zweite Band tut - progressiv trotz retro eben!

Mal ein anderes Thema. Wie siehst du deine Band im Bezug auf die tschechische Musiklandschaft, von der man ja hier nicht die Masse mitbekommmt. Seid ihr, verglichen mit Bands wie LUMEN und LANDMINE SPRING, da so was wie "Stars", genauso underground oder habt ihr gar mit der Szene gar nicht mehr viel am Hut?

Naja, es mag verrückt sein, aber obwohl wir einige größer Festivals in Tschechien spielen dürfen und trotz sehr guter Kritiken zu unseren letzten Alben, bewegen wir uns da genau wie die angesprochenen auf dem Independent-Level. Wir haben auch keinerlei Verbindungen zu irgendwelchen Major-Labels, und aus verschiedenen Gründen haben wir auch keinerlei Interesse daran, irgendwie in diesen Kreis hineinzukommen. Andererseits kann man gegen Major-Labels im allgemeinen nichts sagen. Gute Angebote gab es schon, und wir würden, wenn wir das richtige finden würden, nicht nein sagen, obwohl wir bei Day After eigentlich sehr zufrieden sind. Die haben immer jede Menge Vertrauen in uns gesteckt, uns auch oft mit viel Geld unterstützt und uns verdammt gute Platten zu machen ermöglicht. Nur denke ich eben, dass sie sich möglicherweise einen finanziellen Gewinn davon erhoffen, wenn sie uns zu einem größeren Label ziehen lassen.

Und was kannst du zur tschechischen Musikszene allgemein sagen?

Naja, dazu muss ich sagen, dass ich da gar nicht so richtig drin stecke, denn obwohl ich eine Menge Leute da kenne, kann ich nicht unbedingt von mir sagen, dass ich ein großer Fan von tschechischen Bands wäre. Aber ich bin der Meinung, dass diese Szene nicht anders als andere Szenen ist. Es gibt einige richtig gute Bands, aber das Problem an der Independent-Szene allgemein ist eben, dass nur wenige Leute in den Genuss deiner Musik kommen, weil halt alles auf kleiner Flamme kocht. Und das ist das Problem, gerade für die richtig guten Bands, denn die bekommen einfach nicht den Lohn und die Aufmerksamkeit, die sie auf Grund ihrer harten Arbeit eigentlich verdienen würden. Und gute Bands in der Lage haben wir schon einige, wie eben LANDMINE SPRING oder LUMEN, oder auch einige neue Punkbands.

Ihr wart ja mit AT THE DRIVE-IN auf Tour, spielt viel in den Staaten, u.a. auch mit denen und mit THE LOCUST. Wie sind diese Verbindungen zustande gekommen?

Wir gingen das erste Mal in den Staaten auf Tour, noch bevor wir all diese Leute je getroffen haben. Damals spielten wir einige Shows mit VSS, mit denen wir damals schon befreundet waren und die uns beim buchen dieser Tour halfen, und erstmals unsere Platte in den Staaten herausbrachten. Das war so 1997 oder 98, glaube ich. AT THE DRIVE-IN trafen wir dann erstmals in Europa, wo wir dann zweimal mit ihnen tourten, und als sie in den Staaten dann so extrem durchstarteten, luden sie uns auf ihre gemeinsame Tour mit den MURDER CITY DEVILS als Opener ein. Inzwischen sind sie für mich eher sehr guten Freunde, als einfach nur so eine Band.

Wenn ihr so eng befreundet seid, weisst du dann vielleicht auch ob sie sich nun wirklich aufgelöst haben?

Naja, da ich sie eher als gute Freunde ansehe, ist es natürlich nicht einfach drüber was zu sagen, aber ich denke, dass es wohl so ist, da es ja schon fast offiziell ist, dass die einzelnen Bandmitglieder neuen Aktivitäten nachgehen. So spielt die Hälfte der Leute in einer Band namens SPARTA, im Einzelnen der Gitarrist, Basser und Drummer, und Sänger Cedric sowie ihr eigentlicher Gitarrist Omar sind ja bei DE FACTO, und dann noch bei MARS VOLTA, die im Gegensatz zum Dub von DE FACTO eher rockig sind.

Was ist deine Lieblingsliveband?

Ich würde da RADIOHEAD nennen. Ich habe die etwa vor einem Monat in den Staaten gesehen, und die haben mich einfach total umgehauen. Ich bin ein großer Fan ihrer Platten, und um auf unsere Diskussion über Fortschritt in der Musik zurück zu kommen, muss ich sagen, dass sie eine extrem progressive Band sind. Sie sind großartige Musiker, die mit analogen Elementen total anders umgehen als es all die anderen Bands tun, und Thom Yorke ist Gott! Na und normalerweise habe ich ja die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich von etwas im Vorfeld total begeistert bin, die Enttäuschung oft auf dem Fuß folgt, da meine Erwartungen meist etwas größer sind, als das, was es dann letztendlich zu sehen gibt. Aber diese Band ist so eine verdammt gute Liveband, live eigentlich noch wesentlich besser als auf Platte, obwohl ich ihre Platten extrem liebe.