SUBVERSIV RECORDS

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Punk- und Hardcore-Entwicklungshilfe in den Bergen

Am Rande des Schweizer Skigebiets Meringen-Hasliberg gründeten Anfang der Neunziger Jahre die beiden Bands UNHOLD und AMOK Subversiv Records, um ihre eigenen Demos zu veröffentlichen. Inzwischen ist das Label in Bern ansässig, hat bereits über 60 Releases zu verzeichnen und ist aus der Musikszene der deutschsprachigen Schweiz nicht wegzudenken. Daniel Fischer (aka Danny Ramone) ist einer der beiden Köpfe von Subversiv. Neben seiner Labelarbeit spielt er Schlagzeug bei UNHOLD, DELILAHS und FUCKADIES, arbeitet im Plattenladen Rockaway Beach, ist unter anderem für das Booking im ISC zuständig und ist regelmäßig selbst als DJ tätig. In dem Anfang Dezember 2011 geführten Gespräch geht es daher nicht nur um das Label, sondern auch generell um D.I.Y. in Bern, musizierende „Chaoten“ und die populistsch-konservative SVP und zuletzt natürlich auch noch kurz um Fanzines. Einen tieferen Einblick in die Labelaktivitäten bietet die DVD „Unter Strom – 15 Jahre Subversiv Records“, die vor zwei Jahren erschienen ist (siehe DVD-Rezensionen im Heft).

In den letzten drei Jahren habe ich in Bern so gut wie gar nichts von stattfindenden kleinen D.I.Y.-Konzerten mitgekriegt. Wo verstecken sich die Berner Punk- und Hardcore-Bands?

Früher gab es in Bern einige besetzte Häuser, in denen Punk-Konzerte stattgefunden haben. Inzwischen sind in diesen jedoch nur noch Studios und Proberäume, aber D.I.Y. und Underground sind generell weitgehend verschwunden aus der Stadt. Ich denke daher, dass es in Bern schwierig ist. Ich kriege mit, dass es solche Konzerte in Genf, Zürich und vielleicht auch noch in Luzern gibt. Seit Herbst gab es hier immerhin in der Brasserie Lorraine eine kleine Anhäufung von Shows, aber normalerweise ist das dort vielleicht auch nur ein bis zwei Mal im Jahr. Ansonsten kam es schon mal vor, dass in der Cafeteria der Reitschule kleinere Sachen stattgefunden haben.

Das klingt so, als wäre es grundsätzlich sehr schwierig, für neue Punk-Hardcore-Bands in Bern Fuß zu fassen?

Ja, es ist alles sehr schwierig. Außer einer großen Metalcore-Szene und einer traditionellen Metal-Szene gibt es hier keine Szene für „harte Musik“. Es ist alles so unfassbar klein in Bern. Und das Meiste lebt von Leuten, die von außerhalb kommen und etwas in die Stadt hineintragen.

So ist das ja auch bei dir gewesen. Und inzwischen arbeitest du in einem der wichtigen Plattenläden der Stadt, machst das Booking in diversen Clubs, betreibst das Label und spielst selbst noch in verschiedenen Bands. Wie hast du es geschafft, eine solche Schlüsselposition in Bern zu haben?

Keine Ahnung, ich habe einfach immer weitergemacht. Das, was ich früher getan habe, spielt für mich aktuell jedoch nicht mehr so eine große Rolle. Vieles ist mir nicht einmal mehr bewusst. Das hat sich noch einmal geändert, als ich unseren Film im Ganzen gesehen habe und viele Leute auf uns mit großen Augen zugekommen sind und gesagt haben, das ist ja wahnsinnig, was ihr da geschaffen habt. Aber das ist einfach mein Leben, das ich für diese Arbeit hergebe.

Was fasziniert dich am Labelbetrieb?

Es ist vor allem die Zusammenarbeit mit Bands, die diese Arbeit nicht selbst machen können. Und solange ich diese Acts sehr gut finde, setze ich mich für sie ein, bevor ein anderer versucht, sie auszunutzen. So was ist heute schließlich oft der Fall. Aber natürlich veröffentlichen wir weniger Alben von Bands, die trendige Musikstile spielen und großen Anklang finden. In Deutschland könnte das vielleicht anders aussehen, aber die Schweiz ist so dermaßen klein, weswegen das, was ich mache, einfach Ideologie pur ist. Darüber hinaus finde ich es spannend, wenn die Platte fertig ist und veröffentlicht werden soll. Ich bin dann derjenige, der die ganze Promo übernimmt und dann bald merkt, inwiefern die Band überhaupt Anklang findet.

Was habt ihr für eine Labelpolitik?

Gute Musik in der Schweiz fördern, die ansonsten keine Plattform hat.

Wie funktioniert die Vernetzung des Labels mit Veranstaltern und Bands aus anderssprachigen Kantonen der Schweiz?

Mit dem italienischsprachigen Kanton Tessin ist das extrem schwierig. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Gig dort gehabt. Von allen Leuten, mit denen ich speziell aus dieser Ecke rede, bekomme ich zu hören, dass es im Tessin einfach gar nichts geben würde. Aber das stimmt ja nicht – es gibt Clubs und Bands. Was die Vernetzung mit Veranstaltern und Bands aus anderen Orten betrifft, ist es mit dem Tessin für mich genauso wie mit Italien – beide Gegenden sind diesbezüglich für mich einfach nicht da. In der französischsprachigen Schweiz ist das zwar etwas besser, aber dennoch ist es für mich dort als Booker äußerst schwierig, eine Band unterzukriegen. Auch der Graben zwischen der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz ist extrem tief. Wenn ich in diesen Kantonen etwas auf die Beine stellen kann, dann nur, weil ich manche von den dort aktiven Personen sehr lange kenne. Hinzu kommt natürlich, dass manche von unseren Bands an anderen Orten mal besser oder mal schlechter ankommen.

Mit UNHOLD ward ihr beispielsweise nun mehrmals in Tschechien unterwegs. Wie etabliert ist das Label dort und wie läuft es ansonsten in den Nachbarländern?

Der Labelname ist nicht so dermaßen bekannt, aber es gibt einzelne Bands, die wir dort hingebracht haben. UNHOLD oder FUCKADIES waren die ersten, die in Tschechien Fuß gefasst haben. Die TIGHT FINKS sind dort richtig groß geworden und haben ausverkaufte Shows gespielt. Daher kannten viele Leute die Band, wussten aber nicht, auf welchem Label sie ist. Es ist ja auch so, dass es dort keine Vertriebe oder Läden gibt, die unsere Veröffentlichungen verkaufen. In Frankreich ist es mit Konzerten extrem schwierig, ich habe dorthin keinen Kontakt. Mit UNHOLD waren wir zwar ein paarmal da, und auch Garagepunk-Bands, wie die MONOFONES oder THE JACKETS, sind dort gut angekommen. Aber Frankreich ist zu groß und man müsste nur eine Person für das Booking ansetzen, damit dabei vielleicht etwas herauskommen würde. In Deutschland waren die TIGHT FINKS auch recht erfolgreich. Aber leider scheiterte die Aufnahme der Band in eine deutsche Bookingagentur vor allem daran, dass wir in Deutschland bis jetzt keinen Vertrieb für unsere Platten haben und dieser auf die Schweiz beschränkt ist.

Angefangen habt ihr mit Konzerten im Gebirge des Berner Oberlandes. Insbesondere die ländlichen Gegenden der Schweiz sind häufig sehr SVP-lastig. Inwiefern gab es damals oder gibt es heute noch Schwierigkeiten mit konservativen, rechtsoffenen oder gar rechtsradikalen Bürgern, die keine „Chaoten“ in ihrer Heimat dulden wollen?

Vielleicht waren wir zu wenig chaotisch, weil es nie größere Probleme gegeben hat. Aber wir haben uns auch nie zentral positioniert, da wir gewusst haben, dass es zu laut und zu wild ist und sich die Leute daran stören. Außer einem Konzert, das wir auf dem Dorfplatz eines Städtchens veranstaltet haben, waren die restlichen Anlässe, wie zum Beispiel das eine Zeit regelmäßig stattfindende Subversiv Open Air, entweder zu weit von Leuten entfernt, die etwas dagegen haben könnten, oder es war privat oder in der Natur. Im Berner Oberland haben wir übrigens auch eine große Fraktion der Sozialdemokratischen Partei – es ist nicht nur die Schweizerische Volkspartei, die dort stärker vertreten ist. Die SP ist eher Mitte-Links und sehr offen, was unsere Musik angeht. Natürlich sind wir aber trotzdem immer wieder an Schranken gestoßen, weil die Musik, die dort anfänglich gehört worden ist, Mundart-Rock gewesen ist. Wir waren in der dortigen Musiklandschaft so etwas wie ein Farbtupfer. Interessanterweise haben viele erst durch unseren Film erfahren, was wir damals in der Nähe des Wohnorts gemacht haben.

Welche Bedeutung hat die politische Einstellung der einzelnen Mitglieder der Subversiv-Bands für dich?

Die politische Einstellung der Bandmitglieder ist nicht transparent und sie ist nicht unbedingt wichtig. Ich suche mir die Bands aus, ohne zu wissen, was die politisch machen. Trotzdem weiß ich, dass keiner von ihnen in irgendeiner Form derart randständig sein könnte, dass es nicht passt. Ich entscheide mehr aus dem Bauch heraus, ob ich eine Band gut finde. Aber letztendlich ist das, was wir machen, apolitisch. Wir haben keine Band auf dem Label, die politische Messages verbreitet.

Wonach wählst du die Bands denn aus, deren Platten du veröffentlichst?

Für mich ist es wichtig, wer hinter dem Cover steckt und aus was für Leuten die Bands bestehen. Jeden Tag habe ich Anfragen von Bands, die ich nicht kenne, und das ist dann für die schwierig, ins Label reinzurutschen. Aber die Bands, die ich verfolge oder die ich irgendwann mal live gesehen habe, oder Leute, mit denen ich seit Jahren plaudere und die dann plötzlich eine Band haben, die sind dann für mich interessant.

Was steht bei Subversiv Records in den nächsten Monaten an?

Bis Ende März werden fünf neue Alben erscheinen. So gibt es als Erstes das neue DELILAHS-Album, dann eine Oldschool-Metal-Platte von POSTHUMAN BIG BANG sowie neue Alben von MONOFONES, PARTIES BREAK HEARTS und THE SHIT.

Wie sieht die schweizerische Fanzine-Landschaft aus?

Vergleichbare Fanzines wie das Ox gibt es nicht. Von der lokalen Fanzine-Landschaft bekomme ich nur sehr wenig mit. In meinem Bekanntenkreis bin ich sogar der Einzige, der das Ox liest. Die anderen interessieren sich nicht für Fanzines.

Im Februar erscheint die 100. Ox-Ausgabe: Welchen Bezug hast du selbst zum Ox?

Ich habe das Ox immer gerne gelesen. Man merkt, dass den Machern das Heft wichtig ist und dass sie Spaß an der Sache haben. Besonders gut gefallen mir die Interviews. Um zu wissen, welche neuen Platten erschienen sind und welche ich für den Laden bestellen kann, sind natürlich auch die Reviews wichtig.