Mitte der achtziger Jahre waren THE BOMB PARTY - benannt nach einer Novelle von Graham Greene - gemeinsam mit so illustren Kandidaten wie CRAZYHEAD, GAYE BYKERS ON ACID, THE HUNTERS CLUB oder auch POP WILL EAT ITSELF die Speerspitze und Protagonisten eines von der britischen Musikpresse mit der Genredefinition "Gebro" versehenen wilden Haufens: eine krude Ansammlung von Biertrinkern in Motorradlederjacken, zuviel Haaren auf dem Kopf und im Gesicht, aber mit einem großen Drang zur exzessiven Unterhaltung. Frauen waren hier eher selten. Mit Bassistin Sarah Corina und Sänger Jesus waren bei THE BOMB PARTY zwei großartige Persönlichkeiten am Start. Nach der Auflösung der Band findet sich Sarah Corina Jahre später bei den legendären THE MEKONS um Jon Langford wieder, der auch als Mitglied der THREE JOHNS bekannt ist. Parallel zu diesen Aktivitäten formierte sie vor einigen Jahren STRIPLIGHT, die 2005 ihre erste Single veröffentlichten. Da die Band bisher in unseren Breitengraden etwas vernachlässigt wurde, antwortet Sarah auf einige Fragen, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
STRIPLIGHT besteht neben dir aus dem Gitarristen Alex Mitchell, ex-CURVE, der Sängerin Liz Tumber und dem Schlagzeuger Mark Woodgate - willst du die anderen Bandmitglieder etwas näher vorstellen?
Ich kenne Alex aus der Zeit, als er mit Tom Greenhalgh gemeinsam Musik für die MEKONS schrieb und mit Bill Carter bei verschiedenen Studiosessions spielte. Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt entstand auch die Idee einer gemeinsamen Band. Alex kennt Liz seit der Schulzeit, beide gehörten damals zu eben der Minderheit, die als Sonderlinge wahrgenommen wurden, weil sie sich für SONIC YOUTH und ähnliche Bands begeistern konnten. Alex sagt heute noch im Spaß, dass ihm gleich bewusst war, dass es mit Liz immer Ärger geben würde. Wir waren dann auch sehr glücklich, auf Mark zu stoßen, der ein wirklich außergewöhnlicher Drummer ist, der völlig anders spielt als die meisten Schlagzeuger - und das war genau unser Ziel: es zu vermeiden, einen konventionellen Sound zu spielen.
Eure Musik wird schon mal als "Noir Wave" kategorisiert und immer wieder fallen Vergleiche mit SIOUXSIE & THE BANSHEES oder auch PIL. Sind das eure Haupteinflüsse oder ist dir das zu eng gefasst?
Wir haben so viele Inspirationsquellen - schwierig, sich lediglich auf einige wenige zu reduzieren. Klar, die Banshees und PIL sind großartig, aber es gibt noch wesentlich mehr Einflüsse wie THE RUTS, SONIC YOUTH, THE BIRTHDAY PARTY, SUICIDE, MAGAZINE, THE FALL, WIRE und viele andere Bands, die ebenfalls wichtig für uns sind. Von den aktuellen Bands fühlen wir uns durchaus CLIENT, COBRA KILLER, GOSSIP oder auch ROBOTS IN DISGUISE zugetan. Ich könnte noch mehr nennen, aber entscheidend ist, dass es für uns ungeachtet dieser verschiedenen Einflüsse wichtig ist, unseren eigenen Stil entwickeln.
Ich denke, die Idee hinter STRIPLIGHT ist sehr durch den D.I.Y.-Gedanken geprägt. Ihr habt eine auf 500 Exemplare limitierte Single, "Still beating"/"8 inches", im Eigenvertrieb veröffentlicht - das Cover erinnert doch ein wenig an die 80er Jahre. Ferner gibt es mp3-Downloads. Was dürfen wir künftig erwarten und wie ist es um eine Tour in Deutschland bestellt?
Wir haben erst kürzlich einen Vertrag mit Tummy Touch Records unterschrieben und zwar für die Veröffentlichung zweier EPs mit vier Songs unter anderem "Hold it down", "Electrified" und "Sugar coated". Unsere Einstellung ist definitiv D.I.Y.: wir gestalten unsere Cover selbst, wie auch die Flyer und Poster, wir buchen unsere Gigs und Studiosessions selbst und versuchen auch alles andere unter unserer Kontrolle zu halten. Die EP kommt im Januar des kommenden Jahres auf den Markt. Das wird uns sicherlich mehr in das Licht der Öffentlichkeit bringen. Klar, es wäre großartig in Deutschland zu spielen, konkrete Pläne haben wir aber noch nicht.
Du bist auch Mitglied von THE MEKONS. Inwiefern ist STRIPLIGHT ein Weg für dich, deine Kreativität so zu kanalisieren, dass hier eher die dunkle Seite des Rock'n'Roll ausgelotet wird - wie das ja bei THE BOMB PARTY auch der Fall war?
Ja, so könnte man sagen. Allerdings ist es nicht wirklich eine völlig andere Art von Musik, sondern eher die Variation eines Themas. In den Songs von STRIPLIGHT geht es um das reale Leben und die Dinge, die es ausmachen: Liebeslieder aus der Gosse, grundsätzliche Lebenszweifel, die Gier nach Konsum und so weiter. Eben die Dinge, die man mit einem anonymen Leben in der Großstadt assoziiert, ohne allerdings die Magie, die dem Ganzen auch anhaftet, zu vernachlässigen. Unsere Musik ist in bestimmter Hinsicht schon eine Weiterentwicklung von THE BOMB PARTY - aber ist nicht letztlich Rock'n'Roll immer auf die eine oder andere Weise dunkel? STRIPLIGHT hat einen besonderen Anknüpfungspunkt an dieses dunkle Element aufgrund der beteiligten Musiker: durch Liz mit ihrer wirklich hypnotisierenden Bühnenpräsenz und die Art und Weise, wie Alex seine Gitarre malträtiert.
Bist du eigentlich noch mit Jesus und den anderen Bandmitgliedern in Kontakt?
Ja, ich habe immer noch Kontakt zu Jesus, der im Norden von London lebt. Gegenwärtig hat er wirklich bizarre Kunstprojekte am Laufen - beim letzten Projekt führte er Interviews mit Prominenten in Toiletten. Tommo lebt im Westen Englands und arbeitet dort als Bildhauer - ein Verrückter ist er immer noch. Leszek kommt ab und an zu unseren Auftritten, immer wieder mit einem bemerkenswerten Outfit.
Im Oktober haben STRIPLIGHT als Support von Jon Langford und Sally Timms, also zwei Vollmitgliedern von den MEKONS, gespielt. War das mit euch zusammen dann so eine Art Familientreffen?
Die MEKONS spielen in Brixton häufig im The Luminare und im The Windmill, übrigens beides großartige Veranstaltungsorte. Dieses Konzert war aber kein MEKONS-Gig, sondern Jon und Sally spielten einige Solo-Sachen. Danbert Nobacon von CHUMBAWAMBA war auch dabei, Also, es hatte schon was von einem kleinen Familientreffen. Man kann nie abschätzen, was passiert, wenn Mitglieder der MEKONS aufeinandertreffen. Mit STRIPLIGHT haben wir erst kürzlich als Support der THREE JOHNS im Windmill-Club gespielt, das war wirklich großartig. Zumal das der erste Gig der THREE JOHNS seit über zehn Jahren war, also etwas wirklich Besonderes, und Alex betätigte sich anschließend als DJ. Das war wohl auch die Initialzündung für Jon, uns in das Vorprogramm seines Konzerts mit Sally zu nehmen.
Du hast ja bereits erwähnt, dass ihr auf Tummy Touch Records seid. Ich habe gehört, dass hier eine Art Remix-Projekt ansteht - ist das so?
Die Idee stammte von einigen Freunden und Bekannten, die sich anboten, ein paar Stücke für uns zu remixen. Als wir das zum ersten Mal hörten, entschieden wir, dass das durchaus ein neuer Anknüpfungspunkt für unsere Songs sein könnte, ohne deren Charakter gänzlich zu verändern. Die Überlegungen endeten mit Remix-Versionen, mit denen wir wirklich zufrieden sind. Bob von CLOR hat einen Remix gemacht, der auf einem sehr dunklen Bass basiert, ohne die Idee des Songs zu zerstören. Lord Gosh hat eine wirklich abgefahrene HipHop- und Dub-Version gemacht und Sparky Lightbourne und Tim "Love" Lee haben ebenfalls Remixe beigesteuert. Jeder von ihnen hat einen anderen Song bearbeitet, ohne dass die Stimme von Liz bei den einzelnen Songs zurückgestellt wurde. Wir wollten eine Rückbesinnung auf dieses ganze "Dub-Version"-Ding, wie es Lee "Scratch" Perry mit THE SLITS und THE CLASH gemacht hat. Die EP sollte auch im nächsten Jahr erscheinen als White Label-12" nachdem die offizielle EP erschienen ist.
Du hast vor kurzem mit Bill Carter, dem ehemaligen Mastermind von SCREAMING BLUE MESSIAHS, zusammengearbeitet. Dürfen wir aus dieser Verbindung eine Veröffentlichung erwarten?
Bill und ich sind immer dann im Studio, wenn wir auch die anderen Beteiligten zusammen bekommen. Es gibt bisher einige Demoaufnahmen, die Bill auf seiner MySpace-Seite im Internet veröffentlichen wird. Und wir werden hoffentlich bald ein Album aufnehmen, sobald wir das nötige Geld zusammen haben und wir ausreichend Zeit dafür haben. J.J. Johnson, ex-JAYNE/WAYNE COUNTY & THE ELECTRIC CHAIRS, wird am Schlagzeug sein und Alex ab und an Gitarre spielen. Hoffentlich wird es bald einige Auftritte und Studioaufnahmen geben.
Sarah, vielen Dank für das Interview.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Markus Kolodziej